Was ist bei PSG nur passiert? Skandalöse Attacke mit der Metallstange
11.11.2021, 15:37 Uhr
Hamraoui wurde bei der Attacke vor allem an den Beinen verletzt.
(Foto: imago/PanoramiC)
Der französische Fußball ist einem Skandal ausgesetzt. Nach einer Attacke mit einer Metallstange auf eine Spielerin wird eine Mitspielerin in Untersuchungshaft genommen. Sie bestreitet eine Beteiligung an der Tat. Der Angriff erinnert an einen anderen großen Sportskandal. Und doch gibt es viele Fragen.
Ginge es um einen Film, würde er wohl von den Kritikern zerrissen werden - zu unrealistisch -, zudem würde es arge Plagiatsvorwürfe geben. Eine Fußballerin vom europäischen Spitzenklub Paris St. Germain fährt eine Teamkollegin, die auf der gleichen Position spielt, nach einem Essen mit der Mannschaft nach Hause. Mitten in der Fahrt reißen zwei Maskierte die Türen auf und ziehen die beiden Frauen aus dem Auto, die Mitspielerin der Fahrerin wird mit Metallstangen angegriffen, erleidet Verletzungen an Beinen und Händen.
Was klingt, wie ein schlechter Krimi, hat sich am 4. November zugetragen. Die Protagonistinnen heißen Aminata Diallo und Kheira Hamraoui. Soweit offenbar gesichert, doch alles Weitere bietet Stoff für viele Verstrickungen und gleich mehrere Theorien darüber, was passiert ist. Am Mittwoch berichtete die französische Zeitung "L'Equipe", dass Diallo verdächtigt wird, ihre Mitspielerin und zugleich Konkurrentin im Mittelfeld in diesen Hinterhalt gelockt zu haben. Es könnte demnach um den Stammplatz im Zentrum des Champions-League-Teams sowie der französischen Nationalmannschaft gehen - Diallo könnte sich einen Vorteil verschafft haben wollen. Sie soll bei dem Überfall festgehalten, aber nicht verletzt worden sein.
Die 26-Jährige wurde am Mittwoch festgenommen, kann damit bis mindestens Freitag in Gewahrsam bleiben. Eine Anklage gibt es bislang aber nicht. Diallo bestreitet ihre Beteiligung an der Tat. Über das Attentat heißt es von den Ermittlern, dass nichts gestohlen wurde, es sei vielmehr gezielt darum gegangen, die 31-jährige Hamraoui eine Zeit lang an der Ausübung ihrer Arbeit zu hindern.
Auch ein 34-Jähriger in Haft
Allerdings könnte es auch ganz anders und Diallo nur zufällig bei dem Attentat dabei gewesen sein. Denn neben ihr geriet ein 34-Jähriger in den Blickpunkt der Ermittler - der ein enger Bekannter von Diallo ist. Der Mann sitzt ohnehin bereits in Lyon im Gefängnis - wegen räuberischer Erpressung, Folter und Barbarei. Dieser wurde von der Justizpolizei an die zuständige Behörde überführt, nachdem mehrere PSG-Spielerinnen laut übereinstimmender Medienberichte angegeben hatten, sie und Hamraoui hätten vor dem Attentat anonyme Drohanrufe erhalten. In denen soll ein Mann behauptet haben, ein Verhältnis mit Hamraoui gehabt zu haben, während sie von 2018 bis zu diesem Sommer für den FC Barcelona spielte. "L'Equipe" berichtet, er habe erklärt, sein Leben sei durch diese Beziehung "zerrüttet", er habe Rachegelüste geäußert. Eine Zurückverfolgung der Anrufe brachte die Ermittler auf den 34-Jährigen. Über ihn kamen sie auf Diallo, da die beiden in enger Verbindung miteinander stehen sollen.
Das wiederum begründet wohl den schweren Verdacht gegen Diallo, sie habe das Attentat in Auftrag gegeben. Ein Freund widerspricht in der "L'Equipe": "Manche glauben, dass dieser Angriff von Aminata Diallo wegen einer Positionsfrage inszeniert wurde, aber das ist überhaupt nicht der Fall. Sie sind Freunde, sie haben das gemeinsam durchgestanden." Die beiden sind seit Jahren gut miteinander befreundet, sollen sich gefreut haben, endlich für denselben Klub spielen zu können. Als sie nicht für die Fußball-WM 2019 im eigenen Land nominiert worden waren, fuhren sie zusammen in den Urlaub nach Mexiko. Gemeinsam mit einer Gruppe von französischen Spielerinnen verbringen sie öfter zusammen ihre Urlaube, hatte die Beraterin der beiden PSG-Spielerinnen vor einigen Monaten in einem Interview erzählt.
Hamraoui nur leicht verletzt
Sollten sich die Vorwürfe gegen Diallo allerdings bewahrheiten und es tatsächlich um den Kampf um den Stammplatz gehen, hätte die 26-Jährige ihr Ziel zumindest kurzfristig erreicht. Denn am Dienstagabend stand sie im Champions-League-Spiel gegen Real Madrid (4:0) in der Startelf. Die 31-jährige Hamraoui fehlte dagegen "aus persönlichen Gründen".
Die Spielerin, die in der vergangenen Saison mit dem FC Barcelona die Champions League gewann, bevor sie nach Frankreich zurückkehrte, hat immerhin keine schwerwiegenden Verletzungen davongetragen. Sie erlitt einen Schock und musste im Krankenhaus nach dem Attentat zwar behandelt und einige Wunden mussten genäht werden, Knochenbrüche konnten aber ausgeschlossen werden, heißt es laut "L'Equipe".
Erinnerungen ans Eiskunstlaufen
Metallstange, verletzte Konkurrentin - da klingelt es gewaltig bei Sportfans. Am 6. Januar 1994 ereignete sich einer der größten Sportskandale in den USA. Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan wurde im Training mit einer Eisenstange attackiert und am Knie verletzt. Tage später wurde der Attentäter überführt, er berichtete, dass der Ehemann der Kerrigan-Rivalin Tonya Harding ihn angeheuert habe. Der US-Verband sperrte Harding daraufhin für die Olympischen Spiele, sie wehrte sich erfolgreich, schließlich durften die Rivalinnen beide in Lillehammer antreten. Während Kerrigan Silber gewann, wurde Harding nur Achte. Erst 24 Jahre nach dem Attentat räumte Harding ein, eingeweiht gewesen zu sein. Das Drama wurde 2018 unter dem Titel "I, Tonya" als Satire verfilmt.
Dass sich solch eine Attacke tatsächlich wiederholt, das kann kaum jemand glauben. PSG verurteilte den Vorfall "aufs Schärfste". Noël Le Graët, der Präsident des französischen Verbandes, sagte: "Ich weiß im Moment auch nicht mehr als Sie." Er erklärte dann weiter: "Aber was vermutet wird, ist nicht plausibel. Ich kenne beide Spielerinnen. Ich bin schockiert, wenn das, was gesagt wird, wahr ist. Das scheint unvorstellbar zu sein. Ich bin nach wie vor sehr überrascht und warte auf die Ergebnisse der Untersuchung."
In jedem Fall ist der Skandal schädlich für Paris St. Germain. Ausgerechnet an diesem Sonntag muss das in der Liga zweitplatzierte Team beim punktgleichen Spitzenklub Olympique Lyon antreten. Deren Trainerin Sonia Bompastor sagte laut "L'Equipe": "Es fällt mir schwer, mich zu den Geschehnissen zu äußern, aber ich bin in Gedanken bei Kheira Hamraoui. Es hat mich schockiert, ich bin immer noch ein wenig fassungslos darüber. Selbst bei den Jungen haben wir noch nie einen solchen Fall gesehen, das ist zwangsläufig negativ (für das Image des Frauenfußballs, Anm.d.Red.)."
Quelle: ntv.de, ara