
Norbert Dickel, Pokalheld.
(Foto: picture-alliance / Sven Simon)
Heute feiert Norbert Dickel seinen 60. Geburtstag. Vor 32 Jahren wurde der BVB-Stürmer auf sensationelle und äußerst kuriose Weise zum unsterblichen Pokal-Helden von Berlin. Die Geschichte dieses Tages liest sich wie eine einzige Legende.
"Viele haben auf dich gehofft und du Blödmann wolltest schon aufgeben!" Die Geschichte des 24. Juni 1989 ist der Stoff, aus dem die Legenden sind. Es ist der Tag, als aus Norbert Dickel aus Bad Berleburg der ewige Held von Berlin wurde. Und es ist auch die unglaubliche Story eines Menschen, der durch ein einziges Spiel sein komplettes, weiteres Leben bestimmte. Denn dass Norbert Dickel an diesem unvergesslichen Sommertag für Borussia Dortmund im DFB-Pokalfinale auf den Platz lief und sich mit seinen zwei Toren gegen den SV Werder Bremen unsterblich machte, ist nur einer Verkettung von vielen kleinen und größeren Entscheidungen und Zufällen zu verdanken, die letztendlich das Schicksal des Norbert Dickel bestimmten. Denn bis eine Viertelstunde vor Beginn des Spiels standen hinter der Nummer 9 noch immer zwei Namen: Norbert Dickel und Bernd Storck.
In der Nacht vor dem Endspiel fand BVB-Trainer Horst Köppel in seinem Hotelzimmer in der Sportschule Wannsee keinen Schlaf. Was sollte er bloß tun? Später erinnerte sich Köppel einmal an diese unruhigen Minuten und Stunden: "Da machst du in der Bude Kilometer oder hockst mal wieder auf der Bettkante und zermarterst dir die Birne." Seine Gedanken in dieser schwierigen und hochemotionalen Zeit: "Geht das mit Nobby in die Hose, bin ich der Armleuchter. Da sagen die Leute: War doch klar! Schließlich hat der Dickel nach seiner Operation sechs Wochen nicht gespielt."
Gewaltige "Reparatur-Arbeiten" - am Knie
Als Horst Köppel nach seiner schlaflosen Nacht am Morgen dann doch schließlich eine Entscheidung gefällt hatte, versagten plötzlich beim Stürmer die Nerven. Dickels Gesicht war bereits komplett bleich, als er die Worte seines Trainers hörte. Ein seltsames Gefühl hatte ihn von einem auf den anderen Moment beschlichen - und es war wahrhaft kein gutes. Zu viel war seit dem Pokal-Halbfinale gegen den VfB Stuttgart vor ein paar Wochen passiert. Die Operation in Zürich hatte geschlagene zwei Stunden gedauert. Die "Reparatur-Arbeiten", wie sie Dickel später einmal nannte, an seinem rechten Knie waren weit größer ausgefallen, als zuerst gedacht. Die Ärzte hatten ein Knochenstück entfernt, einen Knorpelschaden geglättet und vor allem, den Außenmeniskus herausoperiert.
Doch all das hatte Norbert Dickel für sein großes Ziel in Kauf genommen. Er wollte mit allen Mitteln unbedingt am DFB-Pokalfinale teilnehmen. Doch wie sollte das angesichts der Schwere der Operation funktionieren? Mindestens einmal am Tag war Dickel soweit, all seine Hoffnungen zu begraben. Wenn er abends auf dem Sofa saß und sein rechtes Bein hochlegte, packte er Magerquark auf sein kaputtes Knie. Die weiße Masse kühlte so schön, beruhigte - und ließ die Gedanken schweifen.
"Ohne Nobby können wir nicht gewinnen"
Nein, es durfte einfach nicht sein, dass er das Finale verpasste. Und doch lief ihm die Zeit davon. Tatsächlich stand Dickel erst zwei Tage vor dem Endspiel wieder auf dem Trainingsplatz. Eine Situation, die sie so in Dortmund noch nie erlebt hatten. Eigentlich durfte Dickel alleine schon aus medizinischen Gründen nicht auflaufen - doch so wie BVB-Präsident Gerd Niebaum dachten viele Borussen: "Ohne den Nobby können wir das Spiel nicht gewinnen."
Und dann war der große Moment gekommen. Doch zuvor erlebte Dickel die nächste kleine und am Ende doch so große Geschichte dieses ganz besonderen Tages. Auf seinem Platz in der Kabine des Berliner Olympiastadions standen alte, zum Teil schon zerfetzte Schuhe. Der Stürmer wunderte sich und ging zu Zeugwart "Bomber" Wiegandt. Doch der lächelte nur, als er Dickel erklärte: "Das sind die Dinger, mit denen du vor acht Monaten einen Treffer nach dem anderen erzielt hast. Du willst doch heute auch wieder Hütten machen - also zieh sie an." Und obwohl niemand garantieren konnte, dass die Treter überhaupt halten würden und Dickel in den Schuhen, wie er selber einmal meinte, "kaum laufen" konnte, machte er es, wie Wiegandt es ihm gesagt hatte.
Um 18.21 Uhr sollte sich die Prophezeiung des Zeugwarts dann schließlich bereits zum ersten Mal erfüllt haben. Nach einem frühen Tor von Karl-Heinz Riedle hatte Norbert Dickel den so wichtigen Ausgleich für die Borussia erzielt. Die Story von diesem Treffer hat der BVB-Stürmer seitdem bereits Hunderte Male erzählt: "Bratseth steht noch vor mir. Hoffentlich kommt er nicht ran. Der Junge ist einen Schritt zu spät. Ich habe freie Bahn, die rechte Ecke ist leer. Peng, das Ding ist drin. Mensch, ich werde verrückt!"
"Beim Pfeifton kannst du schon gratulieren!"
Ab diesem Moment lief das Spiel für den BVB. Frank Mill besorgte das 2:1, Norbert Dickel das entscheidende 3:1, bevor Michael Lusch schließlich zum 4:1-Endstand wunderbar einnetzte. Die Dortmunder Borussia war DFB-Pokalsieger des Jahres 1989 und für niemanden bestand ein Zweifel daran, wem sie dies vor allem zu verdanken hatten. Ehrfurchtsvoll meinte Andreas Möller hinterher: "Für mich ist der Norbert einfach sensationell. Ich hätte nach einer so schweren Verletzung heute nicht einmal einen Pieps machen können."
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Doch zur Geschichte dieses Tages gehört auch das bittere Ende. Norbert Dickel bezahlte den viel zu frühen Einsatz nach seiner schweren Verletzung teuer. In der Saison nach dem Pokalsieg absolvierte Dickel nur noch sechs Bundesligaspiele. Anschließend musste er viel zu früh die Sportinvalidität beantragen. Doch bereut hat er seine Entscheidung nie. Schließlich hatte er damals, im Sommer 1989, ein klares Ziel vor Augen. Als er sich auf den Weg nach Berlin machte, sprach er auf seinen Anrufbeantworter: "Bin nicht zu Hause. Wenn wir das nächste Mal telefonieren, sprichst du mit dem Deutschen Pokalsieger. Drück mir die Daumen. Beim Pfeifton kannst du schon gratulieren!"
In diesem Sinne: Nachträglich alles Gute zum DFB-Pokalsieg 1989 und einen herzlichen Glückwunsch und Glück auf, lieber Norbert Dickel, zum 60. Geburtstag.
Quelle: ntv.de