Redelings Nachspielzeit

Das lustige Leben des Hans Meyer "Beim Geschlechtsverkehr dürft ihr mich immer stören"

Fast 40 Jahre arbeitete Meyer als Trainer und ist der einzige Coach, der FDGB-Pokal und DFB-Pokal gewinnen konnte.

Fast 40 Jahre arbeitete Meyer als Trainer und ist der einzige Coach, der FDGB-Pokal und DFB-Pokal gewinnen konnte.

(Foto: imago/Eibner)

Hans Meyer ist mit Sicherheit einer der beliebtesten Trainer der Bundesligageschichte. Seine unnachahmliche, spitzbübische Art mit herrlich originellen Sprüchen auch heikle Situationen zu entschärfen, hat ihm stets viel Sympathien eingebracht. Heute feiert Hans Meyer seinen 80. Geburtstag!

"Ich bin heute noch nicht darüber weg, dass wir damals das Europacup-Finale in Düsseldorf verloren haben. Aber zum Glück reißen sie ja das Rheinstadion jetzt ab." Das ist einer dieser typischen Sprüche von Hans Meyer - der seine Trainerlaufbahn noch zu Zeiten der DDR begonnen hatte. Als er viele Jahre später mit einem Verein nach Düsseldorf zurückkam, dachte er zurück an die unglücklichen Erinnerungen an das Jahr 1981, als sein Team Carl Zeiss Jena im Endspiel Dinamo Tiflis unterlegen war.

In derselben Saison trat sein Klub im Europapokal auch bei Benfica Lissabon an. Hans Meyer besorgte sich damals ein paar portugiesische Zeitungen, in denen Artikel über Carl Zeiss Jena standen: "Dann habe ich so getan, als hätte ich sie übersetzt: 'Die Roboter aus dem Osten - können zwar rennen, aber fußballerisch sind sie blind. Wer in so einem System aufwächst, kann keine Kreativität entwickeln'. Solche Sachen. Nichts davon stand wirklich da, aber es war eine schöne Zusatzmotivation. Wir haben gewonnen und standen im Europapokal-Finale."

Es war eine tolle Zeit damals in Jena. Seine Trainerstation bei Rot-Weiß Erfurt würde er hingegen im Nachhinein lieber vergessen: "Die Fußballer in Jena haben immer gewürfelt oder Karten gespielt. In Erfurt komme ich in den Speisesaal, da spielen zwölf Spieler Schach. Die waren zu klug für Fußball." Seinen Wechsel nach Erfurt hatten ihm zudem die Jena-Fans übelgenommen. Sie demolierten seinen Wartburg und pinselten ihn mit Parolen wie "Meyer, du wirst sterben" voll. Als ein Journalist wissen wollte, wie man denn erkennen konnte, dass es sich um sein Fahrzeug handelte, antwortete Meyer: "Ich hatte damals draufgeschrieben: 'Ich bin dem Hans sein Auto'."

Die Spieler haben keine Angst mehr

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Nach der Wende kehrte Meyer mit einem Team nach Portugal zurück. Trainingslager in der Sonne. Unter einem Apfelsinenbaum stehend, lächelte er seine Spieler an: "Vierzig Jahre keine Südfrüchte - und jetzt das!" Dabei war das neue Leben für alle gewöhnungsbedürftig: "Das Profigeschäft ist hart, und die Umwandlung des DDR-Sports geschieht wie in der Wirtschaft. Aber zum Glück haben wir keine Treufußanstalt!"

Nach drei Jahren in den Niederlanden bei Twente Enschede wechselte Meyer 1999 zu Borussia Mönchengladbach. Endlich angekommen in der Bundesliga - wenn auch nur in der zweiten. Doch die Verhältnisse, die Meyer vorfand, waren ohnehin alles andere als erstligareif: "Unser Trainingsplatz lag so weit draußen - wenn du da angekommen bist, musstest du erst mal mit ein paar Stöcken die Wölfe verjagen!" Damals sagte Meyer den schönen Satz: "Ich bin auch nur ein Passant, der den Verein ein Stück begleitet."

Als sich die Erfolge einstellten, wollte die Presse von ihm wissen, warum es denn im Moment so gut bei der Borussia laufe. Meyer antwortete: "Seit drei, vier Wochen haben die Spieler keine Angst mehr vor mir." Er verlängerte seinen Vertrag und verkündete hinterher: "Wir mussten das Training abbrechen, weil einige Spieler in Tränen ausgebrochen sind."

Er genoss das neue Leben und vergaß dabei nicht, wie gut es seine Profis und er in der Wohlfühloase Fußball haben: "Die Spieler kommen morgens um neun, trinken Kaffee, halten ein Schwätzchen, danach eine kleine Mannschaftsbesprechung, 90 Minuten Training, eine Stunde Nachbereitung. Und nachmittags gehen sie dann mit der Mutti auf die Kö nach Düsseldorf. Die können einkaufen, während andere noch an der Maschine stehen. Als Fußball-Profi hat man eine herrliche Zeit."

"Wir sind nämlich arme Leute"

In diesen Jahren stieg Hans Meyer zum 'Kulttrainer' auf. Die Gladbach-Anhänger feierten die gemeinsamen Erfolge, aber noch mehr die originellen Sprüche ihres Trainers. Auf der Pressekonferenz nach einem Spiel in Hamburg bedankte sich Meyer für die Unterstützung auf seine Art: "Bemerkenswert finde ich die Tatsache, dass 3.000 unserer Fans in St. Pauli waren, und davon waren höchstens 2.000 wegen der Reeperbahn da."

Die Medien lernten Meyer in dieser Zeit lieben, auch wenn es immer wieder Reibereien mit der Boulevardpresse gab. Als diese eskalierten, ging Meyer lieber auf Nummer sicher: "Ich habe einen Zahnarzttermin, bekomme ein neues Gebiss. Ich werde nicht beim Training sein. Schreibt deshalb nicht, ich wäre gefeuert." Offen kritisierte er Journalisten, die ihn mit Standardfragen aus dem Presse-Satz-Baukasten nervten: "Stellen Sie sich vor, Sie sind Trainer, haben ein Spiel gewonnen und werden gefragt: Herr Schäfer, was geht jetzt in Ihnen vor? Ehrlicherweise müssten Sie dem doch sagen, dass Sie mit dem Gedanken spielen, ihn zu erwürgen."

Dennoch liebte er das Spiel mit den Medien. Nach einem 1:0 gegen Bayern München im ersten Saisonspiel sagte er: "Wenn ich mit dem System Weihnachten im gesicherten Mittelfeld bin, dann können wir drüber reden. Aber nach einem Spieltag werde ich mich hüten, meinen Kopf so weit aus dem Fenster zu halten. Doch wenn Sie schreiben, Hans Meyer hat ganz alleine gewonnen, dann haben Sie natürlich Recht."

Den Tag zelebrierte Meyer auf seine Weise: "Jetzt gehe ich erst einmal nach Hause und mache ein Fläschchen von dem Sechs-Mark-Sekt auf. Wir sind nämlich arme Leute und kaufen bei Aldi." Wobei eigentlich weniger das Geld das Problem war, sondern etwas anderes: "Wenn ich eine ganze Flasche Rotkäppchen getrunken habe, wurde meine Frau danach regelmäßig schwanger."

Auch als Rentner stets für einen Spruch gut

Bei einem anderen Spiel gegen die großen Bayern fragte man Meyer, ob ein Punkt bei den Münchenern das schönste Weihnachtsgeschenk sei: "Das kann ich jetzt nicht sagen. Sonst bekomme ich Probleme, wenn meine Frau an Heiligabend mit dem Päckchen mit der Feinripp-Unterwäsche ankommt." Auch an die Frauen seiner Profis dachte Meyer, doch das ging nicht immer gut: "Ich habe versucht, sechs Spieler-Ehen zu retten. Eine gibt es noch. Die anderen fünf wollten mich töten, weil ich das Elend verlängert habe."

Nach der Saison 2008/2009 beendete Hans Meyer seine Karriere als Trainer - ein gut überlegter Schritt: "Wenn du Fußball machst, dann lässt dich der Beruf nicht mehr frei. Man entwurzelt sozial ein bisschen. Geh mal abends ins Theater, wenn du dreimal verloren hast. Da bist du ein Laune-Schreck." Im Nachhinein kam für ihn der Schritt, mit 66 in Rente zu gehen, fast zu spät. Aber das konnte er erst hinterher wissen: "Ich habe aufgehört, als ich eigentlich noch ein Jahr Vertrag hatte. Dann habe ich eine Weltreise gemacht und bin mit einem Schiff von Tahiti nach Französisch-Polynesien gefahren. Nicht so ein Luxusdampfer, auf dem alle schon den Totenschein in der Tasche haben, sondern ein ganz normales Versorgungsschiff. In meiner Kabine habe ich in den Spiegel geschaut und mich gefragt: Mensch, Hans, warum nicht eher?"

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Seinen Humor hat Meyer auch als Rentner nicht verloren. Als 2011 Gerüchte aufkamen, er würde noch einmal einen Verein übernehmen, antwortete Meyer auf seine typische Art: "Ich kehre nur dann noch einmal auf die Trainerbank zurück, wenn der FC Barcelona anruft und mich Otto Rehhagel vorlässt." Dazu ist es bis heute nicht mehr gekommen. Für seine Fans jedoch ist Hans Meyer immer noch ansprechbar - bis auf eine Sache, wie er einmal in seiner herrlich humorvollen Art meinte: "Ihr wisst ja, beim Geschlechtsverkehr dürft ihr mich immer stören, aber bei der Fresserei ist es einfach scheiße!"

Und sein unnachahmliches Talent, jede noch so heikle Situation durch ein feines Bonmot zu entschärfen, wurde 2007 endlich auch einmal öffentlich gewürdigt und geehrt. Die "Deutsche Akademie für Fußball-Kultur" zeichnete ihn für den "Fußballspruch des Jahres" aus. Völlig verdient. Denn dieser Spruch ist für die Ewigkeit: "In schöner Regelmäßigkeit ist Fußball doch immer das Gleiche." Heute feiert Hans Meyer seinen 80. Geburtstag. Alles Gute und Glück auf, lieber Hans Meyer!

Quelle: ntv.de

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