Paris' unvergleichbare Liebe Rafael Nadal stürzt ins wohl beste Endspiel seines Lebens

Der König bleibt: Rafael Nadal gewinnt in Roland Garros das olympische Auftaktspiel.

Der König bleibt: Rafael Nadal gewinnt in Roland Garros das olympische Auftaktspiel.

(Foto: REUTERS)

Rafael Nadal hat 14 seiner 22 Grand-Slam-Titel bei den French Open gewonnen. Nun könnte der Spanier beim Olympia-Turnier zum letzten Mal in Roland Garros aufschlagen und jedes Match sein "grande Finale" sein. Das sorgt für Emotionen.

Die Zuschauer sprangen auf, als hätte Rafael Nadal soeben Gold gewonnen. Dabei hatte der Spanier lediglich seine Auftakthürde dieses Olympischen Tennis-Turniers erfolgreich übersprungen. Nach 2:30 Stunden setzte er einen Vorhandschlag druckvoll, platziert und somit unerreichbar für Marton Fucsovics zum 6:1, 4:6, 6:4-Erfolg in die linke Ecke. Game, Set, Match, Nadal - wie so oft in Roland Garros.

Es folgten reichlich Emotionen. Die Fans hüpften von ihren Sitzen, Nadal jubelte unten auf dem Platz. Bis auf seinen Gegner waren gefühlt alle an diesem Sonntagnachmittag auf dem Court Philippe Chatrier erleichtert, dass der Superstar im Einzel mindestens noch ein weiteres Match bestreiten wird. Er habe "einige Zeit gutes Tennis gespielt", resümierte Nadal - und das gebe ihm Hoffnung. Andererseits sei er nicht imstande gewesen, dieses "gute Niveau" lange genug zu spielen. Das sei der negative Aspekt dieser Partie. Nun kommt es in der zweiten Runde zum Giganten-Gipfel mit Novak Djokovic. Zum 60. Mal werden sich beide gegenüberstehen - der Serbe, der 24 Grand Slam-Titel gewonnen hat und der mit 22 Grand Slams dekorierte Mallorquiner.

Roland Garros idealer Ort für Karriere-Ende

Einst, betonte Nadal, seien diese Matches "Finals oder Halbfinals" gewesen. Nun ist es ein Zweitrunden-Duell. Eine Partie zwischen zwei Dauerrivalen, die sich in ihren jeweiligen Karrieren in "unterschiedlichen Situationen" befinden würden, sagte Nadal. Djokovic hatte Anfang des Monats gerade das Wimbledon-Finale verloren. Er selbst hingegen sei die vergangenen beiden Jahre nicht mehr "sehr wettbewerbsfähig" gewesen, so der Spanier.

Zwar hat er noch nicht über das Ende seiner Karriere gesprochen, zumindest nicht offiziell. Doch aufgrund seiner immer wiederkehrenden Verletzungsprobleme mehren sich die Gerüchte, dass dieses Olympische Turnier sein letzter Auftritt in Paris seien - und seine große Tennis-Reise womöglich hier auch enden könnte. Und mal ehrlich: Wo sonst auf der Welt sollte dieser Mann denn abtreten? Es gäbe schlichtweg keinen passenderen Ort für ein "Muchas gracias. Adios!" dieses Tennis-Titanen als die rote Asche von Roland Garros.

Hier gewann er gleich bei seinem ersten Auftritt 2005 den Titel. Nur zwei Tage nach seinem 19. Geburtstag. Und niemand hatte an jenem 5. Juni 2005 ahnen können, dass bis 2022 noch 13 weitere Triumphe beim Sandplatz-Grand-Slam hinzukommen würden. Kein anderer Name der Tennis-Geschichte ist so mit einem Ort verbunden, wie Nadal mit Roland Garros.

Vier Niederlagen in 118 Matches

Roger Federer hat acht Mal in Wimbledon triumphiert, Novak Djokovic gar zehn Mal bei den Australian Open. Beide sind absolute Legenden mit sagenhaften Karrieren. Dennoch wirken die 14 Championships von Nadal bei den French Open wie eine andere Liga, ja eine komplett andere Sphäre. Zur Einordnung: Boris Becker (6) und Ivan Lendl (8) kommen zusammen auf 14 Grand-Slam-Siege. Andre Agassi (8) und Stefan Edberg (6) ebenso.

Nadal hat auf der Asche im 16. Arrondissement von Paris nie ein Finale verloren. Er hat überhaupt nur vier Mal den Platz als Verlierer verlassen. In 118 Matches. Einzel und Doppel. Der Linkshänder ist zwar Mallorquiner, doch er ist längst ein adoptierter Pariser. Sein Vermächtnis in der Stadt wurde bei der Eröffnungsfeier dieser XXXIII. Olympischen Sommerspiele deutlich. Da durfte er als einer der Letzten die olympische Fackel tragen, bekam das Feuer von Frankreichs Fußball-Legende Zinedine Zidane überreicht und brachte es zusammen mit Carl Lewis, Serena Williams und Nadia Comaneci in einem Boot die Seine entlang.

Lauter, euphorischer Empfang

"Seid ihr bereit für eine Legende?", wollte der Stadionsprecher vor dem Spiel gegen Fucsovics wissen. Was für eine Frage. Die Antwort des Pariser Publikums war laut, euphorisch, unmissverständlich. Alle standen, klatschten, juchzten, als Nadal auf den beiden Anzeigen des Center Courts zu sehen war und wenige Sekunden später durch die offene Tür in der linken, hinteren Ecke hinaus auf die rote Asche schritt. Weißes Stirnband, weiße Shorts, ein Oberteil in den spanischen Nationalfarben rot und gelb.

Nadal genoss sichtlich den Empfang, winkte in die Runde. "Rafa, Rafa" war von den lauten Rängen während des Aufwärmens zu hören. Gegner Fucsovics, ein 32-jähriger Ungar, war nur eine Randnotiz. Beiwerk. Jemand, der da zwar auf dem Platz stand, für den sich aber niemand so recht interessieren wollte. Wie der Salat oder die Vorsuppe bei einem Fünf-Gänge-Menü.

Paris und Nadal - eine besondere Beziehung

Er fühle sich "wirklich sehr geliebt von den französischen Zuschauern", meinte Nadal. Und ja, er genieße es natürlich, in seinem Alter immer noch hier spielen, sowie diese "unvergesslichen Gefühle auf dem Platz" und die Unterstützung der Fans erleben zu können, sagte der 38-Jährige nach dem Match.

Paris und er - das ist eine ganz besondere Beziehung. Liebe, Passion, viele Gefühle, Emotionen, Erinnerungen - seit mittlerweile 19 Jahren. Dabei waren sie anfangs eher wie Gegenpole. Hier das feine Publikum der französischen Hauptstadt, dort der junge, wilde und mit seinen langen Haaren, rebellisch wirkende Nadal. Doch der fühlte sich auf der roten Asche, die er von daheim kannte, auf der er Tennis spielen und lieben gelernt hatte, sofort wohl. Und er war auch sofort erfolgreich.

"Der Sieg gehört den Hartnäckigsten"

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"La victoire appartient au plus opiniâtre", steht auf beiden Seiten des Center Courts zwischen dem Unter- und dem Oberrang geschrieben. "Der Sieg gehört den Hartnäckigsten". Der Spruch stammt von Roland Garros. Dem französischen Luftfahrtpionier zu Ehren trägt die Anlage der French Open seit fast 100 Jahren seinen Namen. Es gibt wohl keinen, zu dem Garros' Worte besser passen als zu Nadal. Was hat der hier geleistet. Was hat der hier gelitten. Was hat der hier für Tennis-Geschichte geschrieben.

Es passt ins Bild, dass Nadal ausgerechnet in Roland Garros erstmals gegen Djokovic gespielt hat. Im Viertelfinale 2006 führte er 6:4, 6:4, als der Serbe verletzt aufgeben musste. Nun, 18 Jahre später, kommt es zum 60. - und vielleicht letzten Duell. Rafael Nadal wird wieder versuchen, alles zu geben, aber auch alles zu genießen und noch einmal die Liebe des Publikums zu spüren. "Vielleicht ist es das letzte Mal, dass ich hier bin, vielleicht aber auch nicht", meinte er nach seinem Auftaktsieg. Er könne es nicht sagen, denn er wisse es einfach nicht.

Quelle: ntv.de

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