War's der olympische Norovirus? Shiffrin scheitert an "Nordkorea"-Moment
16.02.2018, 09:42 Uhr
Sie weiß nicht, wie ihr geschieht: Mikaela Shiffrin vergibt die sicher geglaubte Goldmedaille.
(Foto: dpa)
Olympisches Gold im Slalom geht an Mikaela Shiffrin - es scheint der sicherste Medaillen-Tipp vor den Winterspielen in Pyeongchang. Doch dann patzt der amerikanische Ski-Star. War's ein Virus? Oder einfach nicht ihr Tag?
Slalomfahren ist ein verdammt schwieriger Job. Schnelle Schwünge, eng gesteckte Stangen, steiles Gelände. Die Amerikanerin Mikaela Shiffrin beherrscht diesen Job eigentlich perfekt. Die Nordkoreanerin Kim Ryon Hyang dagegen überhaupt nicht. Es waren zwei eher lustige Rutschpartien, die die, sagen wir mal 25-Jährige, da auf den olympischen Hang im Ressort Yongpyong zauberte. Persönliche Angaben zu der Athletin gibt es über den offiziellen olympischen Kanal nicht. Wie auch nicht zu den anderen Sportlern aus Nordkorea. Mit über einer Minute Rückstand rutschte Kim Ryon Hyang nach zwei Durchgängen ins Ziel. Ein Slalom-Paralleluniversum.
Zur besseren Einordnung: Die Top-Fahrerinnen erreichten das Ziel nach knapp 50 Sekunden pro Durchgang. Und etwa so groß wie die zeitliche Differenz auf die schwedische Premierensiegerin Frida Hansdotter war unterwegs auch Hyangs Abstand zwischen Stangen und Skiern. Das allerdings hatte sie mit Mikaela Shiffrin gemeinsam. Zumindest für einen winzigen Moment.
Die Amerikanerin dominiert den Slalom seit Jahren, aber nie so deutlich wie in diesem Winter. In Kranjska Gora hatte sie ihren Konkurrentinnen Anfang Januar eine fast Zwei-Sekunden-Watsch'n verpasst. Fünf der sieben Rennen in dieser Saison hat sie gewonnen. Noch Fragen? Für den ehemaligen US-Superstar Bode Miller ist die 22-Jährige gar "der beste Skiläufer den es je gab". Skiläufer, jaja, denn selbst ein Mann, der besser fährt als die Slalom-Königin, der fällt dem wilden "Killer"-Miller nicht ein. Niemand also zweifelt daran, dass Shiffrin in Pyeongchang Gold im Slalom holen wird. Also ihre zweite Goldene von Pyeongchang, nachdem sie am Donnerstag schon den Riesenslalom gewonnen hatte.
So schlecht wie Kim Ryon Hyang - für einen Augenblick
An dieser Überzeugung ändert selbst die kleine Schwäche vor den Spielen nichts, bei der sie innerhalb von acht Tagen gleich drei Ausfälle verbuchen musste. Daran ändert auch ein eher mäßiger erster Durchgang nichts, nach dem sie als Vierte einen Rückstand von 48 Hundertsteln auf die Schweizerin Wendy Holdener hat. Dazwischen liegen auch noch die Schwedinnen Hansdotter und Anna-Swenn Larsson.
Wenn Shiffrin noch etwas genauso gut kann, wie gewinnen, dann sind das Aufholjagden. So erzählt man sich. Der nachhaltige Beweis ist schwer zu erbringen. Denn sie patzt ja so selten. Und wenn sie nicht patzt, dann führt sie halt. Das ist die normale Slalom-Logik. Nun aber muss sie eben mal Zeit gut machen. Und so stürzt sie sich in den Hang. Im oberen Teil verliert sie auf die einige Minuten zuvor sensationell gefahrene Österreicherin Christina Gallhuber. Dann aber ist Shiffrin im Rhythmus, setzt die Kante präzise in den Schnee, nichts staubt auf. Sie ist voll auf Zug, wie sie in den Alpen gerne sagen. Die nächste Shiffrin-Show - bis ihr Innenski ausbricht. Shiffrin ist für einen ganz kurzen Moment so weit von der Stange entfernt wie sonst nur Kim Ryon Hyang. Ein nordkoreanischer Slalom-Moment, der die fast acht Zehntel Vorsprung auffrisst. Im Ziel ist Shiffrin nur Zweite, am Ende wird sie Vierte. Blech statt Gold. Silber geht an Holdener, Bronze völlig überraschend an die 20-jährige Gallhuber.
"Eine muss eben Vierte werden"
Das ganz große Drama, das ihre Teamkollegin Lindsey Vonn so gut beherrscht, findet aber nicht statt. Shiffrin zuckt nur mit den Schultern, winkt den sehr wenigen Zuschauern kurz zu. Nach Gold im Riesenslalom ist es tatsächlich keine olympische Tragödie. Den selbst auferlegten Druck des Siegens hatte sie sich ja bereits genommen. Und dann war da ja noch die Übelkeit.
Vor dem ersten Lauf hatte sich die Amerikanerin übergeben. Nicht ungewöhnlich eigentlich: Shiffrin gilt trotz all ihrer Erfolge als hypernervös. Was oft auf Kosten ihres Magens geht. Diesmal aber war's anders. Das erklärte sie zwischen den Läufen in einem Interview mit der NBC: "Es fühlt sich eher wie ein Virus an, es ging nicht um die Nerven."
War's gar der aggressive Norovirus, der zu Beginn der Spiele rund um Pyeongchang so gewütet hatte, laut täglicher ärztlicher Bonmots aber mittlerweile erfolgreich wegdesinfiziert wurde? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. "Es sind heute einfach so viele Dinge zusammengekommen", sagte Shiffrin nach dem Rennen. "So ist es halt manchmal im Leben. Eine muss eben auch Vierte werden." Und eine Letzte. Ihr Name selbstverständlich: Kim Ryon Hyang.
Quelle: ntv.de