Kein Gold, auch keine Gold-Mission Tasiadis schreibt seine Heldengeschichte um

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Den Medaillenkampf in den Wellen des olympischen Wildwasserkanals verloren: Sideris Tasiadis.

Den Medaillenkampf in den Wellen des olympischen Wildwasserkanals verloren: Sideris Tasiadis.

(Foto: imago/Eibner)

Als große Hoffnung auf Gold im Kanuslalom geht Sideris Tasiadis ins olympische Finale - begleitet vom medialen Wunsch nach einer emotionalen Heldengeschichte. Die Realität ist jedoch eine ganz andere.

Millionen Leute vorm Fernseher, Tausende auf den Tribünen im Whitewater Stadium und neun Konkurrenten im Wasser: Das war das Publikum, als Sideris Tasiadis im Canadier-Einer um Olympiagold im Kanuslalom paddelte. Und darum, neben der sportlichen noch eine emotionale Heldengeschichte zu schreiben, so war es zumindest in vielen Vorabberichten zu lesen: Olympia als Gold-Mission für seine im Herbst 2015 verstorbene Freundin Claudia Bär, vielleicht der nächste Matthias Steiner und nach Turner Andreas Toba mindestens der nächste deutsche "Hero de Janeiro". Kanuslalom in Rio, das war auf einmal mehr als Sport.

Enttäuscht ...

Enttäuscht ...

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Whitewater Stadium von Deodoro platzten beide Geschichten, die vom Gold und die von der Gold-Mission. Als eine halbe Stunde nach dem Rennen die Siegerehrung lief, als von inbrünstigen Franzosen die Marseillaise für Olympiasieger Denis Gargaud Chanut (94,17) geschmettert wurde, stand Tasiadis wenige Meter entfernt in der Mixed Zone und sollte seine Gefühle nach Platz fünf erklären. Bevor er sich zu den Journalisten gewandt hatte, nahm er sich ein paar Sekunden, um der Zeremonie allein zu folgen, bei der Matej Benus (95,02/Slowakei) und dem Japaner Takuya Haneda (97,44) Silber und Bronze überreicht wurden.

Enttäuschung? Ja, klar. Aber: "Mit Platz fünf, das kann man so sagen, bin ich zufrieden", sagte der 26-Jährige aus Augsburg: "Ich hab ja nicht komplett abgeschissen." Er wirkte gefasst, aufgeräumt. Am Boden zerstört wirkte er nicht, obwohl er deutlich hinter den Erwartungen geblieben war, die er in Rio geweckt hatte.

Favoritenrolle nicht gerecht geworden

Schnellster im Vorlauf, mit Abstand Schnellster in der Vorschlussrunde, das hatte für Tasiadis im Finale die Chance bedeutet, als Letzter Erster zu werden. Olympiasieger, noch ein Platz besser als 2012 in London, wo er als letzter Finalstarter zu Silber gepaddelt war. Als Tasiadis in Rio nach 242 Metern durch den Wildwasserkanal in die Linkskurve nach dem Ziel einbog, dort wo seine neun Finalkonkurrenten auf einer riesigen Videoleinwand seinen Lauf verfolgt hatten, jubelten andere. Er trieb langsam an der Leinwand vorbei ins Nirgendwo.

Die Goldchance war an Tor neun geplatzt, das Tasiadis leicht mit der Schulter berührte, "ein Leichtsinnsfehler". Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Rennrichter zwei Strafsekunden anzeigte und wusste nach den starken 94er und 95er Zeiten der Konkurrenz: Gold ist weg. Tasiadis verlor leicht den Rhythmus, fuhr aber dennoch stark. Die Chance aufs Podium hatte er weiterhin – bis zum Abrutscher am 19. Tor. "Wäre ich da ein bisschen enger drin gewesen, hätte es glaube ich trotz des Fehlers noch zur Bronzemedaille gereicht." So wurde er Fünfter in 97,90 Sekunden.

Es war ein wenig Leichtsinn und der Druck, nach den starken Vorlagen der Konkurrenz mitzuhalten zu müssen. Tasiadis wusste ja nach seiner Halbfinalzeit: Viel Luft nach oben gab es nicht mehr, für Gold muss alles passen. Es passte nur fast alles und für Tasiadis doch eine Menge: "Also ich war eigentlich zufrieden mit mir, weil ich trotz der Berührung noch schnell war." Was ihm wichtig war: "Ich war nicht so enttäuscht, wie manche meinen."

Und: So emotional angegriffen, wie vorab geschrieben, war er auch nicht. "Heute habe ich das nicht im Kopf gehabt", erklärte er mit Blick auf Geschichten, er hätte in Rio unbedingt Gold für seine 2015 an Leukämie gestorbene Freundin Claudia Bär gewinnen wollen. "Das war eine Mediensache, was manche so geschrieben haben", sagte Tasiadis in Deodoro: "Das mit der Claudia ist ja eine private Geschichte gewesen, deswegen habe ich das nie gesagt, dass ich unbedingt nur für sie Gold holen will."

"Das mache ich alles für mich"

Am Anfang habe er zwar schon versucht, den Verlust mit mehr Training zu kompensieren: "Wo es ganz frisch war im Oktober und November. Der Schicksalsschlag war für mich so: Ok, ich muss mich ablenken irgendwie, und da hat mir das Training sehr viel geholfen." Aber irgendwann habe er "halt gelernt loszulassen. Ich musste das akzeptieren, so wie es ist. Dann wusste ich seit dem Zeitpunkt so Mitte Dezember, dass ich hier hinfahren will. Und das mache ich alles für mich."

Für sich und für den Kanuverband, der die Slalomfahrer mit hohen Medaillenerwartungen nach Rio geschickt hatte. Zu hohen, findet Tasiadis. "Von vier Booten – zwei müssen aufs Treppchen", das sei die Vorgabe gewesen, die Tasiadis in ihrer Direktheit als wenig motivierend empfand: "Das ist zu viel Druck auf einen, finde ich. Man kann das auch bissel anders einpacken." Er und die anderen Kanuten wüssten aber auch: "Wenn wir fünf Sportler hier schlecht sind, dann gibt es halt weniger Geld für die nächsten vier Jahre für uns, so ist das geregelt."

Nach seinem fünften Platz bleiben Deutschland im olympischen Wildwasser noch drei Medaillenchancen. Was dort drin sei? "Alles ist möglich." Neben den weiteren Wettkämpfen der Kanuten im Whitewater Stadium will er unbedingt zu einem Wettkampf ins Olympiastadion. Warum er nicht bis zum Ende der Spiele in Rio bleibt? Weil er kommende Woche in den Urlaub fährt. Ohne Rio-Medaille, aber mit seiner neuen Freundin.

Quelle: ntv.de

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