Huawei-KI komponiert Ein Smartphone vollendet Schuberts Unvollendete
07.02.2019, 11:00 Uhr
Die KI des Huawei Mate 20 Pro hat sich an Schuberts Unvollendeter versucht.
(Foto: kwe)
Huawei präsentiert in London eine komplettierte Fassung von Schuberts unvollendeter Sinfonie in h-Moll. Maßgeblichen Anteil an der Vollendung soll die Smartphone-KI des Mate 20 Pro gehabt haben. Ist das Experiment gelungen?
Es gab schon viele Versuche, Schuberts unvollendete Sinfonie in h-Moll zu vollenden. Viele Komponisten, aber auch Wissenschaftler haben ihre Interpretationen der fehlenden zwei Sätze vorgelegt, wirklich überzeugen konnte davon die Musikwelt aber keine. Die jüngste Version stammt von Huawei, das den bekannten Filmkomponisten Lucas Cantor die Sinfonie mithilfe der künstlichen Intelligenz (KI) vollenden ließ, die auch im Smartphone Huawei Mate 20 Pro zum Einsatz kommt. Uraufgeführt wurde das Ergebnis in London vom English Session Orchestra. n-tv.de war vor Ort und hat versucht, aus dem Gebotenen schlau zu werden.
Erstmal muss ein Netzwerk her
In Huaweis Pressemitteilung heißt es, die KI habe Klangfarbe, Tonhöhen und Takte der vorhandenen beiden Sätze analysiert und anschließend eine Melodie für die fehlenden beiden Sätze berechnet. Klingt plausibel, aber wie hat sie das angestellt?
Extrem vereinfacht erklärt, sind künstliche Intelligenzen Verarbeitungs-Maschinen, die vor allem sehr gut Muster erkennen können. Dazu benötigen sie den entsprechenden Input und viel Training, bei dem die KI durch maschinelles Lernen mit einer großen Menge von Beispielen auf ihre Aufgabe vorbereitet wird.
Eine KI ist im Prinzip ein Fachidiot, der immer nur eine Spezialaufgabe beherrscht. In diesem Fall ist das die Musikerkennung. Sonst dient Huaweis neuronaler Prozessor im Kirin-980-Chip vor allem zur Bilderkennung, beispielsweise um bei nächtlichen Langzeitbelichtungen verwackelte Aufnahmen auszugleichen.
Üben, üben, üben
Um ihr ein neues Talent zu geben, wird zunächst ein neuronales Netzwerk entwickelt, indem man unterschiedliche Modelle ausprobiert, bis die verschiedenen Schichten, Gewichtungen und Schwellenwerte den erwünschten Output liefern. Dies geschieht, indem man einzelne Parameter so lange ändert, bis das Netzwerk passende Werte ausgibt.
Um der KI beizubringen, wie Schubert "tickte" und was sinnvolle Ergänzungen sein könnten, wurde sie mit den beiden existierenden Sätzen der Sinfonie in h-Moll, aber auch anderen Werken des Komponisten oder Musik, die ihn beeinflusst haben soll, gefüttert. Dabei kamen Midi-Samples auf Basis von einfachen Piano-Melodien zum Einsatz. Ebenso schlicht fiel der Output der KI aus. Eine komplette Orchestrierung hätte sie wohl in den Wahnsinn getrieben.
Komponist verwertet KI-Output

Die KI sei wie ein Kollege gewesen, der niemals müde wird, nie schlecht drauf ist und dem nie die Ideen ausgehen, sagte Komponist Lucas Cantor.
(Foto: Huawei)
Ganz auf sich alleine gestellt, wäre die KI also nicht in der Lage gewesen, Schuberts Unvollendete zu vollenden. Deshalb engagierte Huawei den bekannten Filmkomponisten Lucas Cantor. "Meine Rolle war es, die bereits guten Ansätze der KI herauszuziehen, die Lücken zu füllen und sicherzustellen, dass das Endprodukt von einem Sinfonie-Orchester gespielt werden kann", erklärte der Emmy-Preisträger seine Aufgabe.
Die Smartphone-KI hat sehr viele kurze Melodie-Schnipsel ausgespuckt, aus denen Cantor die für ihn passendsten aussuchte, aneinanderreihte, ausbaute und arrangierte. Leider sah oder hörte man vor oder nach der Aufführung keine Beispiele dafür, wie Komponist und Maschine tatsächlich zusammenarbeiteten, wie der Entstehungsprozess aussah. Huawei betont allerdings, dass die Komposition alleine auf dem Material beruht, die die Smartphone-KI erzeugte.
Genial oder banal?

Pianist und Komponist Giovanni Allevi hält den KI-Einsatz für eine "wichtige kompositorische Entwicklung".
(Foto: Huawei)
Was die musikalische Qualität der Mensch-Maschine-Kooperation betrifft, fällt ein Urteil fast schwer - jedenfalls, wenn man kein echter Schubert-Kenner ist. Der italienische Pianist und Komponist Giovanni Allevi sagte dem "Rolling Stone", KI und Komponist hätten einen tollen Job gemacht und die zeitlichen Grenzen überschritten, in der Schubert lebte. Andere Experten fanden, das Ergebnis habe einfach nichts mit Schubert zu tun. Am besten macht man sich selbst ein Bild und hört sich das Konzert an.
Unterhaltsam und bis zu einem gewissen Grad stimmig war das Resultat auf jeden Fall. Aber man hörte schon einen deutlichen Unterschied zu den ersten beiden Sätzen, und an manchen Stellen klang die Vollendung vielleicht eher nach einer opulenten Filmmusik als nach Schuberts filigranerem Werk. Aber wer weiß, möglicherweise hätte der Meister die Steigerung gemocht.
Möglichkeiten demonstriert
Letztendlich hatte Huaweis Ansatz wohl auch kaum den Anspruch, mit KI-Hilfe auf Schuberts Niveau zu komponieren. Natürlich wollte Huawei auch zeigen, was es auf dem Kasten hat und etwas für sein gerade in jüngster Zeit ramponiertes Image tun. Es ging wohl aber vor allem darum, einem größeren Publikum vorzuführen, dass man vor KI keine Angst haben, sondern die Chancen sehen sollte.
"Uns kam es darauf an, die Möglichkeiten zu zeigen, die daraus entstehen, wenn kreative Menschen und künstliche Intelligenz zusammenarbeiten", sagte Huaweis Smartphone-Europa-Chef Arne Herkelmann. Das ist den Chinesen gelungen, auch wenn sie vielleicht nicht alle Karten auf den Tisch gelegt haben.
Quelle: ntv.de