Technik

Epos mit Ziehzeit "Final Fantasy XVI" scheitert an seinen Ansprüchen

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Optisch ist "Final Fantasy XVI" eine Wucht.

Optisch ist "Final Fantasy XVI" eine Wucht.

(Foto: Square Enix)

Mit "Final Fantasy" bringt Entwickler Square Enix japanische Rollenspiele in den Westen. Was anfangs ein Nischenprodukt war, entwickelte sich schnell zu einem gewaltigen Franchise mit Millionen Fans. Nun erscheint "Final Fantasy XVI". Leider kommt es nicht an seine erfolgreichen Vorgänger ran.

Manche Spiele brauchen Geduld, verlangen viel von einem ab. Da wären unsagbar schwere Titel, die einen stets ins Jammertal dutzender Bildschirmtode schicken, doch einen Erfolg mit einem ordentlichen Dopamin-Schub belohnen. Andere sind wiederum zugepflastert mit langweiligen Aufgaben, motivieren aber dank spannender Geschichte. Sofern es sich auszahlt, sind unzählige verspielte Stunden leicht verkraftbar. Manchmal brauchen Kulturgüter nun mal ein bisschen, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Das gilt auch für das Rollenspiel "Final Fantasy XVI". Doch leider ist es die investierte Zeit nicht wirklich wert.

Rund sieben Jahre dauerte es, bis Entwickler Square Enix endlich den 16. Teil seiner Endlos-Rollenspiel-Reihe "Final Fantasy" veröffentlichte. Lange Abstände zwischen den Ablegern sind normal - davor waren es sechs Jahre. Entsprechend robust sind die Geduldsfäden der Fans. Bedauerlicherweise treibt "Final Fantasy XVI" sie an ihre Belastungsgrenze. Dabei sind gerade die ersten Minuten des Spiels stark. Ein epochaler Einstieg mit unzähligen wirbelnden Schwertern, gewaltigen Monstern, brachialem Kriegsgetöse und einer wunderschönen Grafik reißen sofort ins Spiel. Wer gegen wen kämpft, was die Monster auf dem Schlachtfeld zu suchen haben, wieso Spieler den Protagonisten Clive um die Schlacht lavieren, ist erstmal zweitrangig. Erfahrungsgemäß werden die Fragen im Spielverlauf geklärt. Ist auch der Fall. Nur bringt "Final Fantasy XVI" gerade zu Anfang jede Antwort neue Fragen mit sich:

Was macht Clive auf dem Schlachtfeld? Er soll einen Dominant töten. Was ist ein Dominant? Der kann einen Esper beschwören. Warum kann er das? Ist angeboren. Achso.

Bahnhof, Bahnhof, Bahnhof

Was treibt Clive an? Spieler erfahren es recht früh, verstehen aber erst nach ein paar Stunden.

Was treibt Clive an? Spieler erfahren es recht früh, verstehen aber erst nach ein paar Stunden.

(Foto: Foto: Square Enix/Sreenshot)

Mit jeder Stunde kommen neue Fremdwörter, Fraktionen und Personen hinzu und irgendwann verheddert sich der Spieler im Netz der Final-Fantasy-Nomenklatur. Da ist es passend, dass sogar die Entwickler betonten, die Handlung sei sogar für sie verwirrend. Sie wollten ein komplexes Epos schaffen. Doch warum mehr komplex als Epos? Erst nach einiger Zeit und einer Menge Leseaufwand wird alles etwas klarer, der Nebel lichtet sich und eine spannende Geschichte kommt zum Vorschein. Die lässt sich nicht auf wenige Sätze herunterbrechen, deshalb hier nur das Gröbste:

"Final Fantasy XVI" spielt in Valisthea, einem mittelalterlich anmutenden Land, das von sechs Fraktionen kontrolliert wird. Die schließen Bündnisse oder bekämpfen sich, feudaler Alltag eben. Protagonist und Söldner Clive ist aufgrund angeborener magischer Kräfte ein geächteter Sklave. Im Spielverlauf gilt es, die Gesellschaft weg von Unterdrückung hin zu Gleichberechtigung zu führen. Square Enix hat sich ein wenig von "Game of Thrones" und "The Witcher" inspirieren lassen, ist jedoch dank vieler eigener Ideen weit von einem Abklatsch entfernt.

Die Final-Fantasy-DNA

Erzählungen über Mystik, Liebe, Verschwörung und Unterdrückung prägen seit 1987 die Final-Fantasy-Reihe. Zwar ist jeder Teil ein eigenständiges Spiel mit einem eigenen Universum, doch der Kern bleibt derselbe, die Grundkomponenten werden lediglich neu gewichtet. Schlimm ist das nicht, solange das Resultat stimmig ist. Zwischen den 56 Spielen, Hauptreihe plus Prequels, Sequels und Nippes, finden sich auch Fehlgriffe mit so verworrener Geschichte, dass es selbst nach mehrmaligen Durchspielen unmöglich ist, voll durchzusteigen. Hier kriegt "Final Fantasy XVI" zwar die Kurve, aber eben erst nach einigen Stunden. Umgekehrt ist es bei den Spielmechaniken.

Godzilla gegen Godzilla.

Godzilla gegen Godzilla.

(Foto: Foto: Square Enix/Screenshot)

Zunächst: "Final Fantasy XVI" ist actionlastiger als seine Vorgänger. Clive weicht aus, schlägt zu, wirkt Zauber, alles in Sekundenbruchteilen. Es fliegen Funken, Klingen und Körper durch die Luft, ständig blitzt hier etwas auf, geht dort ein Gegner stöhnend zugrunde. Sieht alles herrlich dynamisch aus, fühlt sich anfangs spielerisch aber an wie Schnitzel klopfen. Spieler hämmern gerade zu Anfang meistens nur auf die Schlagtaste. Das legt sich mit der Zeit. Der Pool an Fähigkeiten wächst, was Raum für Strategien schafft. Der Schwierigkeitsgrad zieht zusätzlich an, sodass gute Reflexe gefragt sind. Falls das zu viel sein sollte, gibt es auch einen "Story-Modus", der die Kämpfe drastisch erleichtert. Da es aber viele, viele Kämpfe gibt, kann das schnell öde werden.

Abseits klassischer Schwertkämpfe gibt es noch Duelle zwischen den erwähnten Esper, gewaltige Monster, die bereits in der Introszene auftauchen. Gelegentlich schlüpfen Spieler in die Rolle der Monstren, um anderen die Klauen ins Fleisch zu jagen. Mitunter erinnert das an B-Movies der 1970er-Jahre, Spaß macht es aber allemal. Von der imposanten Inszenierung ganz zu schweigen.

ANZEIGE
Final Fantasy XVI (PlayStation 5)
522
25,99 € 79,99 €
Zum Angebot bei amazon.de

Ohnehin ist Final Fantasy XVI ein bildgewaltiges Spiel. Es gibt unzählige Momente, in denen man stoppt, um die herrlich designte Spielwelt zu bestaunen. Nahezu monumentale gotische Bauten, in denen Herrschende vor sich hin grübeln; heimelige Bauernhäuser, in denen Töpfe brodeln; Dörfer, in denen Ritter, Händler, sogar Sexarbeiter ihrem Tagewerk nachgehen - alles ist lebendig und bis ins kleinste Detail ausgestaltet. In den Filmsequenzen wirken die Figuren so lebensnah, zeigen sie Zornesfalten, packt einen die Angst, dass der Bildschirm zerspringt. Das Spiel aus Mimik und Gestik ist inszenatorisch perfekt, als Spieler fühlt man mit. Selbst wenn am Anfang nicht klar ist, warum die Figuren wütend sind.

Es ist ein Jammer

"Final Fantasy XVI" haftet etwas Melancholisches an.

"Final Fantasy XVI" haftet etwas Melancholisches an.

(Foto: Foto: Square Enix/Screenshot)

"Final Fantasy XVI" ist kein schlechtes Spiel. Doch gerade zu Anfang läuft es wie auf Schienen ab: Filmsequenz, Fragezeichen, laufen, laufen, kämpfen, Filmsequenz, mehr Fragezeichen, laufen, laufen, laufen, kämpfen, Filmsequenz, laufen, Filmsequenz, Faden verloren. Dass es nach rund zehn Stunden gut wird, ist da schon sehr ärgerlich und nicht wirklich ein Argument für den Kauf. Nur wenige greifen wohl zu einem Buch, bei dem es heißt, es würde nach 600 Seiten an Fahrt aufnehmen. Sind fürs Verständnis dann noch Stift, Papier und Sekundärliteratur nötig, bleiben wohl nur noch eine Handvoll Masochisten übrig. Schade.

Mehr zum Thema

Die vielen cleveren Ideen, die ganzen Denkanstöße, alles bleibt auf der Strecke, weil das Spiel zu lange braucht, um auf den Punkt zu kommen. Was die magischen Kräfte für die Sklaven bedeuten, warum das furchtbar ist, erfährt der Spieler erst nach vielen Stunden. Wieso es überhaupt dieses Unrechtsregime gibt, noch viel später. Wenn sich ein Drittel der 35 Stunden Spielzeit nur mit einem "Häh?" zusammenfassen lassen, ist das ärgerlich. Ja, Kulturgüter brauchen Zeit, doch es gibt eben auch Grenzen. Leider, leider.

Final Fantasy ist ab dem 22. Juni für PlayStation 5 erhältlich.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen