Erstmals mit Open World "Street Fighter 6" erobert den Thron der Prügelspiele


Neue Gesichter im Street-Fighter-Komsos: Jamie (l.) und Luke.
(Foto: Capcom)
Street Fighter ist die Mutter aller Prügelspiele. Sich neu zu erfinden, ist da eine echte Herkulesaufgabe. Mit einem gewaltigen Paket an neuen Inhalten will der sechste Teil der Reihe neue Spieler locken. Unter anderem präsentieren die Entwickler erstmals eine Open World. ntv.de hat das Spiel getestet.
Seit 1987 fasziniert die Street-Fighter-Reihe Fans auf der ganzen Welt, das Fighting Game ist sozusagen die Mutter aller Prügelspiele. Zahlreiche Fortsetzungen für so ziemlich alle Plattformen folgten, am Prinzip hat sich in den letzten Jahrzehnten wenig geändert. Zwei Kämpfer stehen sich in einer Arena gegenüber und versuchen, den anderen vor allem durch Spezialattacken zu bezwingen. Zur Ausführung müssen teilweise komplexe Tastenkombinationen auf Tastatur oder Gamepad ausgeführt werden. Mit "Street Fighter 6" bringt Capcom nun eine Fortsetzung auf den Markt, die in vielen Bereichen neue Ansätze verfolgt. Für Einsteiger wird das Gameplay entschlackt, zusammen mit einem Story-Modus bekommen Zocker ein umfangreiches Paket, das für Spielspaß sorgen soll. ntv.de hat das Spiel ausgiebig getestet - und so gut war noch kein anderes Fighting Game.
Da die Entwickler in den letzten Jahren mehr und mehr darauf gesetzt haben, aus Street Fighter einen E-Sport-Titel zu machen, wurde das Gameplay anspruchsvoller, Gelegenheitsspieler wurden in Online-Partien regelrecht zerpflückt - der Spaßfaktor lag bei null. Da blieb zwar noch die Wohnzimmer-Prügelei mit Freunden, doch die immergleichen Gegner langweilten auf Dauer. Mit dem Kampagnenmodus "World Tour" bekommen nun vor allem Casual Gamer eine umfangreiche Open World präsentiert, die für dauerhaften Spielspaß sorgt und eine detailliertere Geschichte hat. Doch auch für die Hardcore-Prügler bietet dieser Modus die Möglichkeit, einen eigenen Charakter zu erstellen, der sein ganz individuelles Move-Set hat, mit dem man dann auch Online zocken kann.
Doch zurück zur Kampagne. Während die Motivation des eigenen Kämpfers - die Suche nach großer Stärke relativ platt ist, trumpft der Modus mit einem interessanten Meister-System auf, das sich in verschiedene Nebenstorys auffächert. Zu Beginn lernt man mit Luke kennen. Der Sonnyboy und Gym-Leiter mit Unterarmen wie Oberschenkeln lehrt uns die Basisbewegungen und ersten Spezialattacken. Danach schickt er uns gleich für einige Aufträge raus in die Stadt, die verdächtig nach New York aussieht, aber Metro City heißt. Ebenfalls neu ist Mitschüler Bosch, der zwischen zwei rivalisierende Banden der Stadt gerät und plötzlich verschwindet - die Suche nach unserem neu gewonnenen Freund wird dann ein Teil der Hauptstory.
Handkantenschlag als Flaschenöffner
Abseits dieser Missionen gibt es auch zahlreiche Mini-Spiele: Pizzas via Tastenkompination belegen, Autos für einen Schrotthändler in Kleinteile prügeln, Flaschen mittels Handkantenschlag öffnen. Die skurilen Ansätze lenken ein wenig von den Kämpfen ab. Tut manchmal ganz gut, denn in Metro City wird viel gekämpft.
Fast jeder NPC (nicht spielbarer Charakter) in der Stadt kann zum Duell aufgefordert werden, alle haben unterschiedliche Level und sind entsprechend einfacher oder eben schwerer zu besiegen. Für Siege gibt es Erfahrung, das eigene Level steigt. Mit dem Einsatz des Kampfstils, unterschiedlichen Attacken oder plumpen Geschenken, die man als Belohnungen in den Kämpfen erhält, lässt sich auch die Verbindung zu den jeweiligen Meistern verbessern. Mit jeder Stufe gibt es hier neue Details zur Hintergrundgeschichte der einzelnen Charaktere oder eben neue Moves.
Neben Luke entdeckt man mit der Zeit immer mehr ikonische Charaktere aus dem Street-Fighter-Kosmos, deren Spezialtechniken und deren Kampfstil man erlernen kann. Chun-Li, Ken oder Honda haben ihr Zuhause in Metro City, die Hauptstory verschlägt uns aber auch in ein Dutzend anderer Länder, die die Heimat beispielsweise von Blanka (Brasilien) oder Ryu (Japan) sind. Insgesamt gibt es 18 spielbare Figuren, davon sind 6 neu und haben alle einzigartige Kampfstile. Beispielsweise kämpft Jamie mit einer Mischung Breakdance und Drunken Boxing, um seine Leistung zu steigern, greift er während des Kampfes zur Schnapsflasche. Kimberly dagegen ist eine Streetart-Künstlerin, die ihre Spraydosen als Rauchbomben einsetzen kann. Alle Charaktere lernt man im Laufe des Kampagnenmodus kennen.
Während Metro City riesig wirkt und voller Leben steckt, sind viele der Ausflugsziele sehr klein gehalten. Es gibt einen Meister, zwei bis drei Handlanger und einen Händler. Und gerade als in der Story ein Fünkchen Monotonie einsetzt, wird diese schon von einem weiteren neuen Ort, der sich in der Kampagne freischaltet, weggeblasen. Mit Nayshall bekommen die Spieler eine fiktive asiatische Stadt, die fast so groß ist wie Metro City, aber einen ganz anderen Touch hat - mit Slums, Rikschas und scharfem Curry. Auch hier tummeln sich Dutzende NPCs auf den Straßen, Hunde und Katzen streunen herum, es gibt viel zu entdecken.
Wenn Button-Mashing belohnt wird
In beiden großen Arealen hat der Spieler eine Unterkunft, in der er zwischen Tag und Nacht wechseln kann. Zu den zwei Tageszeiten sind verschiedene Missionen möglich, auch der Loot und die Gegner ändern sich. Viele der erlernten Spezialattacken lassen sich auch außerhalb der Duelle einsetzen. Mit Chun-Lis "Spinning Bird Kick" oder Hondas "Sumo Kopfstoß" lassen sich kleine Abgründe überwinden und neue Areale erschließen. Natürlich kann man die Attacken auch nutzen, um Fässer und Kisten zu zertrümmern - auch hier ist oft nützlicher Loot versteckt.
Am Look hat sich in Street Fighter zwar wenig getan, grafisch aufpoliert wirkt der Comic-Style aber in jedem Fall. Skurrile Figuren gibt es einige. Auch den eigenen Charakter kann man für den Storymodus so wild gestalten, wie man möchte. Dazu kann man die Fighter mit allerhand Accessoires ausstatten, die teilweise für Nebenmissionen sogar relevant sind. Beispielsweise muss man auf eine Baustelle zu kommen, einen Schutzhelm tragen. Dazu geben sie in Kämpfen kleine Boosts für die sechs Kernattribute - da macht es sogar Sinn, nicht barfuß oder oberkörperfrei herumzulaufen.
Entscheidend in den Duellen ist aber natürlich die Technik. Capcom hat mit einer modernen Steuerung dafür gesorgt, dass man leichter Schlag- und Trittkombinationen ausführen kann. Ideal für Einsteiger. Denn hier sehen die Kämpfe auch dann spektakulär aus, wenn man wild auf die Tasten hämmert. Dieses Button-Mashing ist allerdings nur dann von Vorteil, wenn man sich nicht zwingend mit dem ausgefeilten Kampfsystem auseinandersetzen will. Die volle Kontrolle in "Street Fighter 6" hat man nur mit dem klassischen Steuerungsmodus.
Der Drive muss stimmen
Acht Spezialattacken kann man belegen, die man mit Stickbewegung und Tastendruck auslöst, dazu kommen drei Aktionen, die in der Luft ausgeführt werden. Hier ist das Spiel nicht komplizierter geworden, lediglich die Aneinanderreihung diverser Spezialattacken fordernd. Dazu haben die Fighter drei Slots für Super Arts - besondere wirkungsvolle Attacken, bei denen das Spiel kurz vom traditionellen 2D- in den 3D-Modus wechselt, um eine kleine Kampfsequenz zu zeigen. Um die Super Arts auszuführen, muss eine entsprechende Anzeige mit Angriffen und Paraden aufgefüllt werden.
Auch Spezialattacken können verbessert und zu Overdrive-Angriffen werden. Dafür braucht es wiederum eine gut gefüllte Drive-Anzeige. Sind die maximal sechs kleinen Balken verbraucht, befindet sich der Kämpfer im Burnout und ist verwundbarer. Die Balken laden sie sich mit der Zeit aber wieder auf. Bei diesen Attacken leuchten die Kämpfer während dieser stärkeren Version golden, teilweise entflammen die Attacken auch kurzzeitig den Gegner. Dazu gibt es den Drive Impact, ein Angriff der gegnerische Treffer absorbiert und sie mit einer starken Attacke trifft. Damit lässt sich die Verteidigung des Gegners durchbrechen. Sie können nur mit einer speziellen Tastenkombiantion - dem Drive Parry - abgewehrt werden. Kommt die Attacke durch wird eine coole Graffiti-Animation ausgelöst. Das Timing muss allerdings in allen Bereichen stimmen.
Neben dem Battle Hub, in dem die Online-Kämpfe stattfinden, hat Capcom noch eine weitere Sektion eingebaut. "Fighting Ground" beinhaltet den klassischen Arcade-Modus der Street-Fighter-Reihe. Hier kämpf man entlang einer kurzen Charakterstory nacheinander gegen die anderen Charaktere. Neu ist dagegen der Bereich "Extremer Kampf". Hier können die Duelle mit bestimmten Regeln versehen werden. In "Vor & Zurück" haben die Kämpfer einen gemeinsamen Lebensbalken. Wie beim Tauziehen gibt es ein spektakuläres Hin- und Her. Dazu können noch bestimmte Gimmicks in die Arenen eingebaut werden. Plötzlich einlaufende Stiere, Drohnen die dazwischenfunken oder Elektroschockzonen. Das erhöht den Spaßfaktor nochmal um eine unvorhersehbare Variable.
Neuer Champion der Prügelspiele?
Wenn man etwas bemängeln kann, dann ist es die Capcom-typische Synchronisation in Englisch, die aber nur in wichtige Zwischensequenzen voll durchgezogen wird. In Gesprächen mit NPCs, seien es normale Stadtbewohner, aber auch Ikonen, erwartet den Spieler ein wenig Lesearbeit. Lediglich der Gesprächseinstieg wird mit einem Grölen, Lachen oder einer Catchphrase synchronisiert. Das reißt ein bisschen aus dem sonst so stimmigen Setting heraus. Mit der musikalischen Rückkehr zu Hip-Hop-Sounds, den Graffiti-Effekten und dem dominanten Stadtbild war das Street Fighter wohl noch nie so sehr "Straße", wie es sein Name eigentlich hergibt.
Der neue Ansatz, das Spiel in seinen Mechaniken komplexer zu machen und dafür mit dem Kampagnenmodus eine intensive und spaßige Lernerfahrung zu liefern, geht in "Street Fighter 6" voll auf. Um die 40 Stunden Umfang bietet die Story und selbst nach Hunderten Duellen mit einfachen Stadtbewohnern, Bandenmitgliedern, Mini- und Endbossen werden die Kämpfe nicht langweilig. Stetig schleicht sich der Fortschritt bei der Kombination von Spezialattacken ein oder ein neuer Move kommt dazu, den man ausprobieren möchte, um zu sehen, ob er zum eigenen Kampfstil passt. Sich neu zu erfinden, das ist vielleicht für ein Fighting Game dieser Art ein wohl nicht zu meisternde Herkulesaufgabe. Aber mit so einem gewaltigen Paket an neuen Inhalten wirkt "Street Fighter 6" wie der unangefochte Schwergewichtschampion seiner Disziplin.
"Street Fighter 6" erscheint am 2. Juni für Playstation, Xbox und PC.
Quelle: ntv.de