Wirtschaft

Heizungsgesetz oder CO2-Preis? "Das GEG ist eine Versicherung gegen private Fehlinvestitionen"

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Bis 2045 muss die Wärmeversorgung in ganz Deutschland klimaneutral sein.

Bis 2045 muss die Wärmeversorgung in ganz Deutschland klimaneutral sein.

(Foto: picture alliance/dpa)

Seit Monaten streiten sich die Ampel-Parteien über die Wärmewende. Noch vor der Sommerpause wollen sie das Heizungsgesetz durchbringen. Ein offener Streitpunkt bleibt aber: Müssen nur Gas- und Ölheizungen verboten werden? Oder reicht es aus, einfach einen hohen CO2-Preis einzuführen? Weder noch, sagen zwei Ökonomen ntv.de. 

Während im Regierungsviertel derzeit über die Novelle des Heizungsgesetzes gestritten wird, gehen im Rest der Republik rekordverdächtige Bestellungen von Öl- und Gasheizungen bei Heizungsbauunternehmen ein. "Wir haben einen Run auf Öl- und Gasheizungen", sagte jüngst Jürgen Engelhardt, Geschäftsführer des Fachverbands Sanitär-, Heizungs-, Klima- und Klempnertechnik Niedersachsen. "Herr Habeck hat genau das Gegenteil erreicht von dem, was er wollte."

Das besagte Ziel des Wirtschaftsministers ist es: Ab dem nächsten Jahr sollen Verbraucher keine Heizungsanlagen mehr installieren, die weniger als 65 Prozent erneuerbaren Energien verbrauchen. Langfristig soll das die Wärmewende in die Wege leiten. Das soll eine klimaneutrale Wärmeversorgung in jeder Ecke der Republik bis 2045 ermöglichen.

Habeck scheint, so erzählt es zumindest Heizungsexperte Engelhardt, mit Ordnungsrecht und einer Neuauflage des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) nicht so richtig weiterzukommen. Die Frage ist nur, wie er sein Ziel sonst erreichen will. Der Koalitionspartner FDP schlägt als Alternative vor, den marktregulierenden Emissionshandel schon ab dem nächsten Jahr einfach laufen zu lassen. Damit würde es eine Obergrenze für Emissionen geben, die pro Jahr ausgestoßen werden dürfen. Je nachdem, ob viel oder wenig von diesem Budget frei bleibt, würde der CO2-Preis steigen oder fallen.

Stark steigende Preise

Die Gas- und Ölpreise würden so stark steigen, dass sich der Einbau eines fossilen Heizkessels nicht mehr lohnen würde. Eigentlich ist das Emissionshandelssystem (ETS) auf EU-Ebene erst für 2026 geplant. Es ist noch unklar, wie stark der Preis steigen wird - das hängt davon ab, wie hoch die Emissionsquoten angesetzt werden und ob ein Maximalpreis eingeführt wird. Die Logik der Liberalen ist jedoch: Je früher die Preise steigen, desto schneller würden Verbraucher von sich aus auf klimaneutrales Heizen umsteigen. So müsste die Regierung keine Verbote durchsetzen.

"Damit das funktioniert, müssten relativ schnell hohe Preise eingeführt werden", sagt der Ökonom Andreas Löschel, Inhaber des Lehrstuhls für Umwelt- und Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum, ntv.de. "Das darf sich nicht in der Zukunft abspiele." Dazu sei eine offene Informationspolitik notwendig. "Menschen muss klar sein, dass die Preise für fossile Energien in Zukunft sehr hoch sein werden", sagt Löschel.

Wie hoch die Preise steigen könnten, wenn der Emissionshandel vollständig über den Markt geregelt würde, zeigt eine Studie des Klima- und Wirtschaftsforschungsinstituts MCC Berlin. Ohne Gegenmaßnahmen könnte eine Tonne CO2 bis 2030 zwischen 200 und 300 Euro kosten - derzeit liegt der Preis im nationalen Emissionshandel bei 30 Euro. Auf einen Vier-Personen-Haushalt mit Gasheizung kämen dann in den nächsten 20 Jahren Mehrkosten zwischen 15.300 und 16.200 Euro zu - bei einer Ölheizung sogar 18.500 bis 23.500 Euro.

Solche Preise könnten durchaus ein Anreiz sein, auf fossilarme Heizsysteme umzusatteln. Das hat auch der starke Anstieg der Gaspreise im vergangenen Sommer gezeigt. Die Gaspreisbremse hat aber scheinbar die Preise künstlich niedrig gehalten. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist das ein Signal, dass der Staat im Zweifelsfall einspringt, wenn sie sich die Kosten für ihre neue Gasheizung nicht mehr leisten können. "Daran dürfte es im Moment scheitern", sagt Löschel. "Viele Verbraucherinnen und Verbraucher scheinen optimistisch zu sein, dass die Gaspreise auch in Zukunft vergleichsweise niedrig bleiben werden."

Hohe Preise aushalten

EnergiewendePrognostizierte Mehrkosten durch den CO2-Preis

Wenn die Wärmewende allein über den Markt geregelt werden soll, "muss die Politik solche hohen Preise politisch durchhalten", sagt auch Brigitte Knopf, Generalsekretärin des MCC, ntv.de. Daran hat die Klimawissenschaftlerin, die auch Mitglied und stellvertretende Vorsitzende des von der Bundesregierung berufenen Expertenrats für Klimafragen ist, allerdings Zweifel. Wenn noch zu viele Menschen mit fossilen Brennstoffen heizen, werde der Widerstand, logischerweise, gegen steigende Gas- und Ölpreise massiv sein. "So wie wir jetzt eine Kampagne gegen das GEG haben, würden wir dann eine gegen den hohen CO2-Preis erleben."

Im Unterschied zum GEG ist der geplante Emissionshandel allerdings eine EU-Verordnung. Die Bundesregierung könnte ihn nicht im Alleingang einfach aussetzen. "Deutschland hat aber eine starke Stimme in Europa", erklärt Knopf. "Ich bin mir sicher, dass sich im Zweifelsfall eine Mehrheit in der EU gegen zu starke Preissteigerungen bilden ließe." Wer also ernsthaft einen stark steigenden CO2-Preis fordert, müsse verhindern, dass jetzt neue Öl- und Gasheizungen installiert werden, erklärt Knopf: "Eine starke Regulierung wie das GEG ist eine Versicherung gegen private Fehlinvestitionen bei den Verbrauchern."

Ohne CO2-Preis geht es nicht

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Doch selbst ein starker Eingriff in alle Heizungskeller dieser Republik würde ohne einen steigenden CO2-Preis nicht ausreichen, erklärt Knopf. Dem stimmt auch Löschel zu: "Ohne den Markt wird die Wärmewende nicht gelingen." Ein hoher CO2-Preis müsse sofort greifen, nur so würden die Verbraucher merken, was auf sie zukommt. Sie hätten sich seit Jahren an niedrige Gaspreise gewöhnt und seien nicht darauf vorbereitet, dass sie steigen müssen, um die Klimaziele zu erreichen.

Ohne einen CO2-Preis werden die Gaspreise in Zukunft wohl kaum steigen. Mit überdimensionierten LNG-Verträgen aus Kanada und Katar hat sich die Bundesregierung ein massives Überangebot verschafft - und das, obwohl die Nachfrage in den nächsten Jahren eigentlich sinken müsste. Kommt dann noch ein niedriger Höchstpreis für den Emissionshandel hinzu, dürften die Preise für Gas insgesamt relativ niedrig bleiben. "In diesem Fall ist das GEG eine Versicherung, dass wir die Klimaziele überhaupt erreichen", sagt Knopf.

Quelle: ntv.de

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