Debatte um Verbrenner-Aus "E-Fuels werden auf lange Sicht knapp und teuer bleiben"
06.03.2023, 10:21 Uhr
"Verfahren zur Herstellung von Kraftstoffen gibt es schon seit mehr als 100 Jahren", sagt Verkehrsexperte Ulf Neuling.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Verbrenner-Aus auf EU-Ebene steht auf der Kippe, weil die FDP den Gesetzentwurf nicht ohne einen Zusatz für E-Fuels unterschreiben will. Eine ineffiziente und teure Idee, sagt der Verkehrsexperte Ulf Neuling in Interview mit ntv.de. Im Straßenverkehr gebe es bereits eine realistische Alternative, sagt der Projektleiter für Kraftstoffe bei der Thinktank Agora Verkehrswende. "Warum sollten wir also hier E-Fuels einsetzen?"
ntv.de: Verkehrsminister Volker Wissing will, "dass wir auch über 2035 hinaus Verbrennungsmotoren zulassen, wenn diese ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können". Was spricht dagegen?
Ulf Neuling: Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2045 klimaneutral zu werden. Elektrofahrzeuge sind dafür die effizienteste Option. Wenn Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren nach 2035 zugelassen werden, dürften sie nicht mit klassischem fossilem Benzin oder Diesel betankt werden, sondern nur mit synthetischen Kraftstoffen. Diese sind jedoch energieintensiv und teuer in der Herstellung. Den Wasserstoff, der dafür benötigt wird, brauchen andere Sektoren dringender.
Bis 2035 sind es nur zwölf Jahre. Können wir in dieser Zeit so viele E-Autos produzieren und das Ladenetz so gut ausbauen, dass ein Ausstieg aus Verbrennungsautos realistisch ist?
Der Ausbau der Elektromobilität und der dafür notwendigen Ladeinfrastruktur ist machbar, wenn die Bundesregierung die richtigen Rahmenbedingungen dafür schafft. Genau deshalb sollten parallel keine weiteren Anreize für Verbrenner-Technologien gegeben werden. Außerdem werden in der aktuellen Debatte zwei Punkte miteinander verwechselt: Bei dem aktuellen Gesetzesvorhaben der EU geht es nicht um ein Verbot von Verbrennungsautos, sondern nur darum, dass ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr dazugekommen. Die Verbrenner, die bis dahin auf der Straße sind, können weiter genutzt werden. Es geht um einen fließenden Übergang.
Verbrenner könnten also noch 2034 gekauft werden. Sollen sie dann weiter mit Benzin betrieben werden? Möglicherweise sogar über das Zieldatum 2050 für ein klimaneutrales Europa hinaus?
Neuwagen werden in Deutschland im Durchschnitt 12 bis 15 Jahre gefahren. Für die Bestandsfahrzeuge muss natürlich auch eine Lösung gefunden werden. Erneuerbare und umweltfreundliche Kraftstoffe mit geringen CO₂-Emissionen wie E-Fuels sind eine Möglichkeit, die Bestandsflotte am Laufen zu halten.
Wenn schon E-Fuels eingesetzt werden, warum dann nicht auch für neu zugelassene PKW?
Synthetische Kraftstoffe werden uns auf Dauer nur in geringen Mengen zur Verfügung stehen. Diese können sinnvoller in der Luft- und Schifffahrt eingesetzt werden, wo es wenig Alternativen gibt. Flugzeuge, insbesondere für Langstreckenflüge, werden in Zukunft nicht mit Batterien betrieben werden können. Dagegen gibt es im Straßenverkehr eine realistische Alternative. Die Elektromobilität funktioniert gut, wir haben Erfahrung damit und der Aufbau ist bereits im Gange. Hinzu kommt, dass E-Fuels für Autos sehr ineffizient sind. Sie benötigen etwa vier- bis fünfmal so viel Strom wie ein Elektrofahrzeug. Warum sollten wir also hier E-Fuels einsetzen, wenn wir sie anderswo besser nutzen können?
Selbst die Autoindustrie spricht von E-Fuels nur im Zusammenhang mit dem Altbestand. Warum wendet sich die Autoindustrie gegen den Einsatz von E-Fuels in Neufahrzeugen nach 2035?
Ganz einfach: Der Verbrenner hat als Geschäftsmodell keine Zukunft. Je schneller die Autohersteller auf Elektromobilität umstellen, desto besser ihre wirtschaftlichen Aussichten. Zwei völlig unterschiedliche Antriebe parallel weiterzuentwickeln, kann sich kein Unternehmen auf Dauer leisten. Man sieht schon, dass die deutschen Autohersteller dem chinesischen Markt hinterherrennen. Dort werden viel kleinere, effizientere und günstigere Elektrofahrzeuge gebaut. Die deutschen Autohersteller müssen also viel mehr Energie darauf verwenden, hier aufzuholen.
Wie steht es um den Ausbau von Anlagen für synthetische Kraftstoffe?
Bislang gibt es nur wenige Anlagen, die E-Fuels herstellen. Sie produzieren ein paar 100 Liter pro Tag. Das sind weniger als 0,1 Prozent des Verbrauchs. Um die Produktion hochzufahren, müssen die Anlagen erst einmal gebaut werden. Danach brauchen wir viel erneuerbaren Strom und Wasserstoff. E-Fuels werden also auf lange Sicht knapp und teuer bleiben.
Wird der Ausbau nicht in den nächsten Jahren vorangetrieben?
Natürlich müssen wir die Mengen an E-Fuels erhöhen. Aber eine solche Anlage braucht mindestens drei bis fünf Jahre, um gebaut und in Betrieb genommen zu werden. Wir brauchen enorme Mengen, allein um den Bedarf der Schifffahrt und der Luftfahrt zu decken. Und dabei reden wir noch nicht einmal über zugelassene Pkw, die nach 2035 E-Fuels brauchen. Das wird in den nächsten 20 Jahren eine große Herausforderung sein.
Gibt es keine Möglichkeit, die Effizienz von E-Treibstoffen zu erhöhen?
Nein, E-Fuels können nicht wirklich effizienter werden. Verfahren zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen gibt es schon seit mehr als 100 Jahren. Ursprünglich wurden sie erfunden, um während des Zweiten Weltkriegs synthetische Kraftstoffe aus Kohle herzustellen. Es handelt sich also um eine bekannte, ausgereifte Technologie. Es wird vielleicht einige Prozent Effizienzsteigerung geben, aber das ist nicht viel. Auf der anderen Seite kann man beim Elektromotor und beim Ladevorgang weitere Effizienzsteigerung erwarten. Im Vergleich würden sich die Effizienzgewinne mindestens ausgleichen.
Mit Ulf Neuling sprach Clara Suchy
Quelle: ntv.de