Kurz vor ÖPNV-Ausstand FDP und Union für Schlichtungspflicht vor Streiks
01.02.2024, 22:08 Uhr Artikel anhören
Die SPD ist der Meinung, dass in Deutschland wenig gestreikt wird. Ob das Bahnpendler auch so sehen?
(Foto: picture alliance/dpa)
Nach dem dritten Streik der Lokführer geht ein Riss durch die Ampel: Während die FDP der Union beipflichtet und Ausstände künftig gesetzlich begrenzen möchte, kommt aus der SPD ein Nein. Im ÖPNV beginnt in wenigen Stunden ein bundesweiter Warnstreik.
Unmittelbar vor den bundesweiten Warnstreiks der Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs an diesem Freitag fordern Politik und Experten eine Verschärfung der Regeln für das Streikrecht. "Streiks in Bereichen wie dem Schienenverkehr betreffen nicht nur die konfliktbeteiligten Arbeitgeber, sondern viele Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in Deutschland, die sich auf den Personenverkehr und Gütertransport mit der Bahn verlassen", sagte Pascal Kober, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem "Tagesspiegel".
Neben den Zumutungen für die Kunden entstehe auch ein großer wirtschaftlicher Schaden, so Kober. "Streiks dieser Art und in diesem Ausmaß werfen deshalb die Frage der Verhältnismäßigkeit auf und damit auch die Überlegung, ob gesetzliche Regelungen notwendig sind", sagte Kober der Zeitung weiter. "Dazu gehört, ob beispielsweise zunächst ein Schlichtungsverfahren greifen sollte."
Auch aus der Opposition kamen erneut Forderungen, um den Arbeitskampf stärker zu regulieren. "Niemand will Streiks verbieten", sagte Gitta Connemann, Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, dem Blatt. Die CDU-Politikerin schränkte aber ein: "Der Streik-Hammer trifft die Falschen. Streik ja - aber nicht so." Diese Art von Streik gefährde den Wirtschaftsstandort Deutschland und sei mit Blick auf den Betrieb wichtiger Infrastruktur unverantwortlich. "Streik darf nicht das erste, sondern muss das letzte Mittel sein." Die Juristin fordert eine Pflicht, Streiks mindestens vier Tage im Voraus ankündigen zu müssen, damit die Behörden in der Lage seien, einen Notdienst für den Betrieb besonders kritischer Infrastruktur wie Krankenhäuser oder Altersheime zu installieren. "Diese Art von Regeln gelten in anderen Ländern schon lange."
Arbeitsrechtler: Über Verhältnismäßigkeit entscheiden die Gewerkschaften
Unterstützung erhalten FDP und CDU von Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing. Er kritisierte, dass es keine genauen Regelungen gebe: "Praktisch läuft das regelmäßig darauf hinaus, dass Streiks dann verhältnismäßig sind, wenn die Gewerkschaften sagen, dass sie verhältnismäßig sind", sagte Thüsing der Zeitung. "Die Politik hätte es in der Hand, über ein Streikgesetz Grenzen zu ziehen", sagte er weiter. Der Arbeitsrechtler fordert unter anderem auch, dass ein Streik erst zulässig sein sollte, wenn eine Schlichtung gescheitert ist. Oder dass Streiks frühzeitiger angekündigt und mit umfangreicheren Notdiensten begleitet werden müssten.
Aus der SPD kam jedoch eine Absage an diesen Plänen: "Das Streikrecht ist ein wichtiges Grundrecht und entscheidender Faktor für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen", sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Roloff, dem "Tagesspiegel". "Die Tarifautonomie ist Kern der sozialen Marktwirtschaft und des wirtschaftlichen Erfolgs in Deutschland", sagt Roloff weiter und verwies darauf, dass im Vergleich zu anderen Ländern wie Frankreich, Dänemark, Kanada oder sogar Großbritannien in Deutschland nur relativ wenig gestreikt werde. "Dementsprechend verbietet sich eine Einschränkung."
Nachdem der dritte und längste Streik der Lokführergewerkschaft GDL am Montag zu Ende gegangen ist, will Verdi mit einem ganztägigen Warnstreik bundesweit den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) lahmlegen. Betroffen sind rund 80 Städte in 15 Bundesländern und 40 Landkreise. Lediglich in Bayern wird es keine Aktionen geben, weil dort derzeit keine Tarifverhandlungen stattfinden. In Berlin soll der Ausstand zudem auf den Morgen beschränkt sein. Fahrgäste müssen sich in den Regionen auf weitreichende Einschränkungen im Bus-, Straßen- und U-Bahnverkehr einstellen.
Quelle: ntv.de, mau