Wirtschaft

Wann wird das Geld billiger? Warum die Zinswende eine Schicksalsfrage für die Wirtschaft ist

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Manchmal stehen Währungshüter an einem Wendepunkt, an dem ihre Entscheidungen stärker als sonst und ganz direkt alle Bereiche der Wirtschaft beeinflusst. Jetzt ist so ein Zeitpunkt.

Manchmal stehen Währungshüter an einem Wendepunkt, an dem ihre Entscheidungen stärker als sonst und ganz direkt alle Bereiche der Wirtschaft beeinflusst. Jetzt ist so ein Zeitpunkt.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Kommt sie im Juni oder vielleicht schon früher? Bleibt es ein einzelner kleiner Schritt oder folgen schnell weitere? Die erwarteten Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank und auch der amerikanischen Notenbank Federal Reserve sind seit Wochen das am meisten diskutierte Thema an den Finanzmärkten. Jede Spekulation über noch so kleine Änderungen an Zeitpunkt und Ausmaß der sogenannten Zinswende bewegt Kurse von Aktien, Gold oder Bitcoin. Doch die Bedeutung der anstehenden Zinsentscheidungen geht weit über den Finanzmarkt hinaus. Die Notenbanker entscheiden mit über die Entwicklung - unter anderem - der Immobilienpreise, Mieten und des gesamten Wirtschaftswachstums und damit unserer Einkommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Zinsentscheidungen sind Routineaufgabe einer Zentralbank. Warum soll das diesmal so wichtig für uns alle sein?

Im Regelfall sind es vor allem Finanznerds, die Monat für Monat gespannt darauf warten, ob die Zentralbanker die Leitzinsen um eine Nachkommastelle verändern oder was sie zum "Zinspfad" für die kommenden Monate sagen. Manchmal aber stehen die Währungshüter an einem Wendepunkt, an dem ihre Entscheidungen stärker als sonst und ganz direkt alle Bereiche der Wirtschaft beeinflussen. Jetzt ist so ein Zeitpunkt. Nach Jahren der Null- und Negativzinsen hat die EZB im vergangenen Jahr die Leitzinsen in einer noch nie gesehenen Geschwindigkeit wieder angehoben, um die Inflation zu bekämpfen. Das hatte heftige negative Auswirkungen auf die gesamte, ohnehin durch Corona- und Energiekrise geschwächte Wirtschaft. Ob und wieweit diese Auswirkungen sich wieder umkehren und das Wirtschaftswachstum in Schwung kommt, hängt entsprechend vom Zeitpunkt der Zinsschritte und ihrer Höhe ab.

Warum sind niedrigere Zinsen wichtig, um die Wirtschaft in Gang zu bringen?

Die extrem schnell gestiegenen Zinsen haben in den vergangenen beiden Jahren Geld - etwa in Form von Krediten - sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen, sowie für den Staat sehr viel teurer gemacht. Der Kreditkostenindex der EZB zeigt zwischen Ende 2021 und Herbst 2023 fast eine Vervierfachung. Dadurch wurden Konsum und Investitionen stark gebremst. Sinkende Zinsen haben den umgekehrten Effekt, Investitionen und Konsum anzuschieben. Eine weitere Wirkung ist, dass der Wechselkurs des Euro gegenüber anderen Währungen tendenziell gedrückt wird, weil Kapital dazu neigt, in Länder mit höheren Zinsen zu fließen. Durch einen schwächeren Euro würde die Wettbewerbsfähigkeit etwa der deutschen Industrie im Ausland gestützt, denn ihre Exporte würden für Kunden in anderen Währungsräumen günstiger.

Was hat die Zinspolitik mit dem Wohnungsmarkt zu tun?

Zu den Branchen, die durch die steigenden Finanzierungskosten am stärksten getroffen wurden, gehören der Immobilienmarkt und die Baubranche. Wurden Hypothekendarlehen für private Bauherren vor wenigen Jahren teilweise für weniger als ein Prozent gewährt, sind es nun rund dreieinhalb Prozent. Die Zinskosten beispielsweise für einen Immobilienkredit von 500.000 Euro sind damit von wenigen Zehntausend auf mehrere Hunderttausend Euro gestiegen. Viele Bauvorhaben - sowohl Ein- als auch Mehrfamilienhäuser - sind dadurch schlicht unfinanzierbar geworden. Statt wie seit Jahren von der Politik versprochen, hat der Wohnungsbau nicht angezogen, sondern ist eingebrochen. Dadurch hat sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Mietmarkt weiter verschlechtert und die Mieten in die Höhe getrieben. Auch andere Faktoren wie die gestiegenen Baukosten und der Mangel an Bauland bremsen den Wohnungsbau. Deutlich sinkende Zinskosten würden aber zumindest eine spürbare Entspannung in der aktuellen Bau-Krise bringen.

Was bedeutet die Zinswende für Sparer und Anleger?

Menschen, die ihr Geld auf einem klassischen Sparbuch, Festgeldkonto oder ähnlichem angelegt hatten, erinnern sich mit Grausen an die Niedrigzinsära. Nach den Leitzinserhöhungen des vergangenen Jahres haben die meisten Banken und Sparkassen die Habenzinsen für ihre Kunden nur minimal angehoben. Real, also nach Abzug der Inflation erbrachten derartige Sparformen allerdings fast nie nennenswerte Renditen. Auch aktuell ist das nicht der Fall. Dafür machen Zinssenkungen andere Anlageformen wieder attraktiver.

Welche Geldanlagen profitieren von Zinssenkungen?

Allein die Erwartung von Zinssenkungen hat an den Börsen eine sogenannte Alles-Rally ausgelöst. Machen die Zentralbanken das Geld billiger, fließt davon auch mehr an die Börse, so die Erwartung. Aktien profitieren zudem von der Hoffnung auf steigende Unternehmensgewinne durch geringere Finanzierungskosten und eine anziehende Konjunktur. Besonders stark wirkt sich die Zinsentwicklung auf Aktien von Unternehmen aus, die hauptsächlich auf Wachstum fokussiert waren und - noch - keine Gewinne machten, darunter viele Unternehmen aus der Technologiebranche. Steigende Zinsen hatten die Finanzierung solcher Firmen stark erschwert. Nun dürfte es wieder leichter werden, auch über längere Zeiträume hohe Investitionen zu stemmen.

Quelle: ntv.de

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