Risiko in Dienstleistungsbranche Sinkt die Inflation nur kurzfristig?
03.04.2024, 09:54 Uhr Artikel anhören
Trotz sinkender Inflation und zuletzt wieder steigender Reallöhne, haben die Menschen in Deutschland noch nicht wieder die gleiche Kaufkraft wie vor dem Inflationsschub der vergangenen Jahre.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Inflationsrate fällt seit Monaten stetig und dürfte das EZB-Ziel von zwei Prozent bald erreichen. Aber wie geht es dann weiter? Während einige Ökonomen nun schnelle Zinssenkungen der Zentralbank fordern, warnen andere, dass der Erfolg der Inflationsbekämpfung nur von kurzer Dauer sein könnte.
Für viele Volkswirte ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die Inflationsrate wieder unter die Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent fallen wird. Gerade hat das Statistische Bundesamt einen Anstieg der Verbraucherpreise von 2,2 Prozent im März im Vergleich zum Vorjahresmonat gemeldet, das ist der niedrigste Wert seit fast drei Jahren. Seit gut einem Jahr nimmt die zwischenzeitlich auf über acht Prozent gestiegene Teuerung nun schon mehr oder weniger kontinuierlich ab. Laut der Gemeinschaftsprognose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute dürfte sie im kommenden Jahr bei 1,8 Prozent liegen.
Andere Volkswirte rechnen damit, dass der EZB-Zielwert deutlich früher unterschrittenen werden könnte. Sebastian Becker von der Deutschen Bank hält das schon "im Frühjahr" für wahrscheinlich. "Das wäre eine begrüßenswerte Entwicklung und könnte vor allem die Verbraucherstimmung heben", sagte der Experte. Der Konjunkturchef des IFO-Instituts, Timo Wollmershäuser prognostiziert auf der Grundlage einer Umfrage seines Instituts, dass die Inflation "im Sommer unter die Zwei-Prozent-Marke sinken" dürfte. ING-Europa-Chefsvolkswirt Carsten Brzeski legt sich auf einen noch früheren Termin fest. Im nächsten Monat könnten die zwei Prozent erreicht werden.
Darüber, wie es dann weitergeht, sind die Experten weniger einig. Brzeski und eine Reihe anderer Ökonomen warnen, dass in den nächsten Monaten auch schon ein Tiefpunkt der Inflationsentwicklung erreicht sei. Danach könnten die Preise wieder schneller steigern. Zum einen lag dem starken Absinken der Teuerungsrate in den vergangenen Monaten ein starker Basiseffekt zugrunde. Das heißt, im Vergleichsmonat ein Jahr zuvor waren die Preise noch sehr stark gestiegen. Dieser Basiseffekt schwächt sich im Laufe dieses Jahres ab.
Lohnsteigerungen wirken mit Verzögerung
Zudem schauen die Experten besonders kritisch auf den Dienstleistungssektor. "Unser besonderes Augenmerk gilt jetzt den Dienstleisten, wo wir noch einen Anstieg der Inflationsrate sehen, im Gegensatz zu allen anderen Bereichen", sagte Jasmin Gröschl ntv. "Das macht uns Volkswirten ein bisschen Sorge." Dienstleistungen seien, erklärt die Allianz-Ökonomin, besonders lohnintensiv. Lohnsteigerungen wirkten verzögert auf die Inflation. "Das führt dazu, dass wir im Dienstleistungsbereich im Gegensatz zu allen anderen Bereichen jetzt noch eine Steigerung der Inflationsrate sehen."
Entscheidend für die Inflation seien deshalb unter anderem die aktuellen Tarifrunden, die sich auch die EZB genau ansehen werde, so Gröschl. Mehrere Vertreter der EZB haben angedeutet, dass sie im Juni eine erste Senkung der Leitzinsen beschließen könnten. Allianz-Expertin Gröschl hält das für wahrscheinlich, vorausgesetzt auch bei den Dienstleistungen lässt der Inflationsdruck bis dahin nach.
Andere Volkswirte sind dagegen deutlich optimistischer, was die weitere Inflationsentwicklung angeht - etwa die an der Gemeinschaftsprognose beteiligten Wissenschaftler. Sie gehen davon aus, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Eurozone insgesamt die Inflationsrate 2025 im Jahresdurchschnitt unter zwei Prozent bleiben wird. Angesichts der aktuellen Daten und Prognosen fordert unter anderem der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, die EZB auf, umgehend, die "restriktiven Zinsen zu senken und somit die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen". Dass die Zentralbank die Zinsen im vergangenen Jahr im Rekordtempo erhöht hatte, war nach den explodierenden Energiepreisen ein Hauptgrund dafür, dass das Wirtschaftswachstum eingebrochen ist.
Quelle: ntv.de, mit rts