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Gedächtnisfehler wie Menschen Hummeln neigen zu falschen Erinnerungen

Wenn Erinnerungen vom Kurzzeit ins Langzeitgedächtnis wechseln, werden sie nicht nur beim Menschen ungenau.

Wenn Erinnerungen vom Kurzzeit ins Langzeitgedächtnis wechseln, werden sie nicht nur beim Menschen ungenau.

(Foto: imago/blickwinkel)

Seit über hundert Jahren wissen Psychologen um Erinnerungsfälschungen beim Menschen. Immer wieder sorgen sie in Strafverfahren für Fehlurteile. Neu ist die Erkenntnis, dass auch Hummeln falsche Erinnerungen bilden.

Nicht nur Menschen können falsche Erinnerungen bilden, sondern auch Tiere, darunter sogar Insekten. Forscher berichten, dass das Langzeitgedächtnis von Hummeln anfällig für Irrtümer ist. Das Phänomen scheine im Tierreich weit verbreitet zu sein, schreiben Kathryn Hunt und Lars Chittka von der Londoner Queen Mary University im Fachblatt "Current Biology". Womöglich seien Fehlerinnerungen Nebenprodukt eines besonders anpassungsfähigen Gedächtnisses, glauben sie.

Zahlreiche Vorfälle - etwa aus Gerichtsprozessen - zeigen, dass Menschen sich mitunter an Vorfälle erinnern, die nie passiert sind. Schon vor zwei Jahren hatten US-Forscher auch bei Mäusen falsche Erinnerungen herbeigeführt. Hunt und Chittka prüften nun, ob das Phänomen auch bei Insekten auftritt. Dazu belohnten sie Dunkle Erdhummeln (Bombus terrestris), wenn sie zwei verschiedene künstliche Blumen anflogen. Eine Gruppe besuchte zuerst gelbe, später dann schwarz-weiß gestreifte Blüten. In der anderen Gruppe war die Reihenfolge umgekehrt.

Ähnlich dem Menschen

Im zweiten Durchgang hatten die Insekten dann die Wahl zwischen diesen beiden und einer dritten Blüte, ohne dass sie dafür belohnt wurden. Die dritte Blüte war gelb-weiß gestreift, enthielt also Merkmale der beiden anderen Gruppen. Unmittelbar nach dem ersten Durchgang bevorzugten die Hummeln zu knapp 80 Prozent jene Blüte, an der sie zuletzt belohnt worden waren.

Gedächtnisspuren für zwei Reize können verschmelzen, sagt Lars Chittka von der Londoner Queen Mary University.

Gedächtnisspuren für zwei Reize können verschmelzen, sagt Lars Chittka von der Londoner Queen Mary University.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bei weiteren Tests einen oder drei Tage später bot sich jedoch ein anderes Bild. Anfangs flogen die Tiere zwar noch immer jene Blüte an, an der sie zuletzt eine Belohnung bekommen hatten. Nach einigen Wiederholungen tendierten sie jedoch zu dem Mischtyp, den sie zuvor gar nicht kennengelernt hatten.

Dies deuten die Forscher als falsche Erinnerung - als Verschmelzen des Aussehens jener beiden Blüten, an denen die Tiere zuvor belohnt wurden. "Das Gedächtnis von Hummeln scheint bei der Einbeziehung verschiedener Erinnerungen empfänglich zu sein für einen Fehler, der auch beim Menschen unter bestimmten Bedingungen auftritt", schreiben sie.

Langzeitgedächtnis anfällig für Fehler

Dass dies erst mit zeitlicher Verzögerung geschah, betrachten die Wissenschaftler nicht als Zufall. In der Zwischenzeit sei die Erinnerung aus dem Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis übertragen worden. Dieses neige auch aufgrund seiner großen Kapazität eher zu Verknüpfungsfehlern.

"Die Gedächtnisspuren für zwei Reize können verschmelzen, so dass Inhalte aus verschiedenen Trainingsrunden in dem Tier kombiniert werden", so Chittka. "Die Fähigkeit, Muster und Gemeinsamkeiten aus verschiedenen Vorkommnissen unserer Umwelt zu extrahieren, ist zweifellos erworben." Dieses Verallgemeinern und Kategorisieren könne helfen, auf neue Situationen zu reagieren. "Doch diese Fähigkeit kommt vielleicht auf Kosten dessen, jedes Detail korrekt zu erinnern."

Professor Axel Mecklinger von der Universität des Saarlandes spricht von einer "interessanten Studie, die ein bekanntes Phänomen an einer neuen Population untersucht". Die Präferenz der Hummeln nach zeitlichem Abstand für den zuvor nicht bekannten Mischtyp sei durchaus falschen Erinnerungen beim Menschen vergleichbar, sagt der Neuropsychologe.

Allerdings habe die Studie einen Schönheitsfehler, sagt Mecklinger: Die Hummeln neigten nur dann zu falschen Erinnerungen, wenn sie zuletzt an einer gelben Blume belohnt worden waren, nicht aber an einer schwarz-weiß gestreiften. Dies schränke das Verallgemeinern der Ergebnisse ein. Die Forscher selbst spekulieren, möglicherweise seien die Erinnerungsspuren bei Mustern stärker als bei Farben - und damit weniger fehleranfällig.

Quelle: ntv.de, ail/dpa

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