Mögliche Ursache entdeckt Schlechte Neuvernetzung bei Depression
21.11.2015, 05:01 Uhr
Nervenzellen sind über Synapsen miteinander verbunden.
(Foto: imago/Science Photo Library)
Rund vier Millionen Menschen leiden in Deutschland unter Depressionen. Der psychischen Erkrankung liegt wahrscheinlich ein Mangel an Neuvernetzungen von Nerven im Gehirn zugrunde.
Sie machen träge, antriebslos und unfähig, Gefühle zu empfinden: Depressionen treffen Menschen hart und machen viele Patienten sogar arbeitsunfähig. Die psychische Erkrankung, die sogar Jahre andauern kann, wird bisher nur über das persönliche Gespräch und den Ausschluss anderer Erkrankungen diagnostiziert. Doch das könnte sich in Zukunft ändern.
Forschern des Universitätsklinikums Freiburg ist es gelungen, einen Zusammenhang zwischen der sogenannten synaptischen Plastizität im Gehirn und depressiver Episoden herzustellen. Doch damit nicht genug. Das Team um Prof. Christoph Nissen von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie hält es für sehr wahrscheinlich, dass eine mangelnde synaptische Plastizität die Ursache für Depressionen sein könnte.
Die Forscher untersuchten die Verknüpfung von Nervenzellen von 27 gesunden und 27 depressiven Personen. Bei dem bereits etablierten Versuchsaufbau wurde mit Hilfe einer Magnetspule über dem Kopf der Probanden ein bestimmtes motorisches Areal im Gehirn, das für die Steuerung eines Daumenmuskels zuständig ist, gereizt. Danach maßen sie, wie stark der Daumenmuskel durch den Reiz aktiviert wird. Im nächsten Schritt wurde der Reiz kombiniert mit einer wiederholten Stimulation eines Nervs am Arm, der Informationen ins Gehirn sendet. Kam es durch die Kombination der Reize zu einem Lernvorgang in Form einer stärkeren Verknüpfung von Nervenzellen in der Gehirnrinde (synaptische Plastizität), dann war die körperliche Reaktion stärker als zu Beginn des Experiments.
Die Forscher stellten fest, dass die depressiven Probanden tatsächlich eine geminderte synaptische Plastizität aufwiesen als die gesunden Probanden. Zudem konnte mit Folgemessungen bewiesen werden, dass nach Abklingen der depressiven Episode die Hirnaktivität auch bei den zuvor depressiven Probanden wieder vollständig hergestellt war. "Damit haben wir eine messbare Veränderung im Gehirn gefunden, die zeitlich mit dem klinischen Zustand übereinstimmt", erklärt Nissen.
Grundlage für neue Diagnoseverfahren
Aufgrund ihrer Ergebnisse gehen die Forscher davon aus, dass es sich bei der verminderten synaptischen Plastizität um eine Ursache der Depression handelt und nicht um eine Folge. "Synaptische Plastizität ist ein grundlegender Prozess im Gehirn. Veränderungen könnten einen Großteil der Symptome einer Depression erklären", ergänzt Nissen. Vorangegangene Untersuchungen an Tiermodellen und weitere Indizien beim Menschen sprechen zudem für eine ursächliche Rolle.
Neben Schlafentzug, einer etablierten Depressionstherapie, haben auch alle gängigen antidepressiv wirksamen Verfahren, einschließlich Medikamente, Elektrokrampftherapie und auch sportliche Betätigung, eine positive Wirkung auf die synaptische Plastizität. Die Erkenntnisse, sollten sie sich in weiteren Untersuchungen bestätigen lassen, könnten die Grundlage für die Entwicklung von neuen Diagnose- und Therapieverfahren bilden.
Quelle: ntv.de, jaz