Dirk Adelmann, Smart-Europa-Chef "Wir stellen eine Anti-Elektroauto-Stimmung fest"
23.07.2024, 17:11 Uhr Artikel anhören
Dirk Adelmann, CEO von Smart Europe, ist der Meinung, "dass Protektionismus ein Weg ist, der uns definitiv mehr schadet als nützt".
(Foto: Smart Europe)
Auch der Elektroautobauer Smart ist von Strafzöllen auf chinesische Autos betroffen. Denn der einstige Kleinstwagenhersteller gehört mittlerweile zur Hälfte dem Geely-Konzern. Und baut seine Autos aktuell in China. Europa-Chef Dirk Adelmann positioniert sich in der aktuellen Debatte klar.
sp-x: Die EU-Kommission hat gerade vorläufige Strafzölle für E-Autos aus chinesischen Werken verhängt. Auch Smart wird davon betroffen sein. Ihnen dürfte das nicht besonders gut gefallen, oder?
Dirk Adelmann: Ich glaube, dass wir in Deutschland jahrzehntelang vom Freihandel, von der Globalisierung insgesamt profitiert haben. Und ich persönlich bin ganz klar der Meinung, dass Protektionismus ein Weg ist, der uns definitiv mehr schadet als nützt. Und ich rede jetzt nicht von Schlag und Gegenschlag und Aufschaukeln, sondern generell glaube ich, dass eine Einschränkung des Freihandels nicht im Interesse Europas, nicht im Interesse Deutschlands und auch nicht im Interesse von Smart generell sein kann.
Welchen konkreten Einfluss hätten höhere Zölle auf die Preise?
Das kann man relativ einfach ausrechnen, jetzt nicht spezifisch für Smart, sondern allgemein. Eine Erhöhung der Importzölle um 20 oder 21 Prozent geht in der Regel mit einer Preiserhöhung von 17 bis 19 Prozent einher, wenn man die Mehrkosten komplett an die Kunden weitergeben will. Aber das ist derzeit rein hypothetisch. Wir sind guter Dinge, dass die EU-Kommission und China spätestens bis zum 2. November, wenn die vorläufigen Zölle in reguläre übergehen würden, eine Lösung finden werden.
Wie könnte denn so eine Lösung aussehen?
Eine intelligentere Lösung könnte ein Quotensystem an Stelle von Zollerhöhungen sein. Derzeit reden wir über einen Marktanteil chinesischer Hersteller von deutlich unter 5 Prozent. Das ist wirklich marginal. Und so etwas kann man notfalls auch anders regeln als mit Zöllen. Generell glauben wir aber auch, dass die Zollerhöhung völlig ins Leere laufen wird, also zumindest für die betroffenen Unternehmen. Wir haben einige Wettbewerber, die bereits angekündigt haben, dass sie dann keine günstigen und klimafreundlichen batterieelektrischen Fahrzeuge nach Europa exportieren werden, sondern Plug-in-Hybride oder Verbrennerfahrzeuge. Dann hätten wir es in Europa geschafft, das zarte Pflänzchen der Elektromobilität komplett vertrocknen zu lassen.
Die Zölle kämen für die E-Mobilität zur Unzeit. Aktuell ist die Nachfrage sowieso schon auf niedrigem Niveau.
Ja, wir stellen in der Tat in mehreren europäischen Ländern eine Art Anti-E-Auto-Stimmung fest. In Deutschland ist das nicht zuletzt durch den Förderstopp von heute auf morgen entstanden. Das hat nicht nur bei uns dazu geführt, dass viele Kunden verunsichert sind. Und das ist das Schlimmste, was man in einer solchen Transformationsphase hin zu klimaneutraler Mobilität machen kann. Am Ende hat die Industrie kurzfristig die Förderung übernommen, die der Staat nicht mehr gezahlt hat, weil die Kundenbestellungen schon da waren und wir unsere Kunden nicht hängen lassen wollten. Aber das Vertrauen war da schon beschädigt.
Ein Problem, das ja hinter dieser ganzen Diskussion steckt, ist ja offenbar auch die Überkapazität, die es in China gibt.
Der Druck in China ist in der Tat enorm. Ich bin kein Freund von martialischen Begriffen, aber dort findet tatsächlich ein Preiskampf statt. Der dürfte sich aber in zwei bis drei Jahren erledigt haben, weil dann zwei Drittel der Hersteller entweder vom Markt verschwunden sind oder von anderen übernommen wurden. Nach dieser Konsolidierungswelle wird sich das Thema Überkapazitäten ein Stück weit auflösen. Aber abgesehen davon glaube ich nicht, dass die hohe Produktion in China ein zentrales Problem für uns Europäer ist. Wenn Europa wirklich der Hauptabsatzkanal für die Überkapazitäten in China wäre, dann hätten wir deutlich mehr chinesische Fahrzeuge oder in China produzierte Fahrzeuge hier, als wir es jetzt sehen.
Wie blickt denn eigentlich China auf diese Zolldiskussion? Es gab offenbar auch emotionale Reaktionen.
Ja, kurzfristig schon, denn es gab sehr wenig Verständnis für das Handeln der EU. Wobei man der Kommission durchaus zugutehalten muss, dass es eine Untersuchung gab und der Sachverhalt über mehrere Monate sehr sorgfältig geprüft wurde, im Gegensatz zum Vorgehen der USA, die zwei Wochen zuvor sehr kurzfristig die Zölle auf chinesische Produkte und insbesondere auf Elektroautos erhöht hatten. Ich glaube, dass die heftige Reaktion in China auch mit dem zeitlichen Zusammenhang zu tun hatte. Man konnte in China den Eindruck gewinnen, dass im Westen eine Art Anti-China-Stimmung aufgekommen ist.
Wird Smart eigentlich in Deutschland als chinesische Marke wahrgenommen?
Wir werden als europäische Marke wahrgenommen und treten auch so auf. Und so positionieren wir uns auch in China, um uns vom Wettbewerb zu differenzieren. Dabei setzen wir vor allem auf das Design, das von Mercedes-Benz verantwortet wird. Außerdem haben wir in Renningen, der Geburtsstätte des Smart, unser Entwicklungszentrum für Europa. Das heißt, wir bleiben im Kern eine europäische Marke, auch wenn die Fahrzeuge in China gebaut werden und größtenteils Geely-Technologie nutzen.
Quelle: ntv.de, Holger Holzer, sp-x