
Der Volvo XC90 Recharge ist schick, groß und auf Wunsch über die Kurzstrecke auch sparsam.
(Foto: Holger Preiss)
So jung die Technik der Plug-in-Hybride ist, so sehr steht sie schon wieder auf dem Abstellgleis. Dennoch gibt es Fahrzeuge wie den Volvo XC90 Recharge, den das Zusammenspiel von E- und Verbrennungsmotor nicht nur sparsam, sondern auch zu einem richtigen Power-SUV nicht nur auf der Langstrecke machen kann.
Vor nicht ganz zehn Jahren versprachen sich die Hersteller von den Plug-in-Hybriden einiges. Nicht nur, dass sie als Übergangstechnologie geplant waren, sie sollten in der Verbindung von Batterie, E-Motor und Verbrennertreibsatz auch enorm sparsam sein. Die Rechnung geht aber am Ende nicht auf, wenn der Nutzer nicht bereit ist, regelmäßig seinen Akku zu laden. In diesem Fall fährt hier nur ein Auto, das mit grüner Technik an Bord zusätzliches Gewicht schleppen muss, das allein der Verbrenner bewegt.

Mit einer Systemleistung von 455 PS und einem maximalen Drehmoment von 705 Newtonmeter hat der Volvo XC90 Recharge richtig Power.
(Foto: Holger Preiss)
Das gilt auch für den bei ntv.de zum Praxistest angetretenen Volvo XC90 Recharge. Der große Schwede gehört praktisch zu einer jungen, aber bereits jetzt zum Tode verurteilten Generation von Plug-in-Hybriden. Dabei ist das von der Politik gefällte Urteil eigentlich ein wenig ungerecht, denn inzwischen sind die Doppelherzen leistungsmäßig zu den Top-Modellen geworden. Der XC90 besticht zum Beispiel mit einer Systemleistung von 455 PS und mit einem maximalen Drehmoment von 709 Newtonmetern, die die Elektronik im Zusammenspiel mit einer grandios arbeitenden Achtgang-Automatik je nach Bedarf an alle vier Räder weiterreicht.
Richtig Power
Unter diesen Voraussetzungen ist es natürlich auch nicht verwunderlich, dass der 2,3 Tonnen schwere Schwede unter angenehm sportlichem Knurren des Reihenvierers mit Roots-Kompressor, unterstützt vom E-Motor am Heck, in 5,4 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo sprintet. Angesichts dieser Tatsache ist es wirklich schade, dass die Selbstauflage der Schweden dem XC90 Recharge wie allen Volvo-Modellen verbietet, schneller als 180 km/h zu fahren. Zumal der in der Länge 4,95 Meter messende Schwede einen Fahrmodus hat, der seinem Namen alle Ehre macht: Power.
Angewählt über das Zentraldisplay in der Mittelkonsole senkt die Luftfederung den Brocken um einen Zentimeter ab, strafft die Dämpfer und reduziert die Nick-, Tauch- und Rollneigung bei starker Beschleunigung, scharfem Abbremsen oder einer unvermittelten Lenkbewegung. Na gut, all das macht das System ab Tempo 110, auch wenn man ganz entspannt im Hybrid-Modus auf die Langstrecke geht. Denn das ist ja seit eh und je die Lieblingsdisziplin eines XC90. Eingepasst in die unschlagbar bequemen Sportsitze möchte man hier gar nicht mehr aussteigen. Zu überlegen ist allerdings, ob man sie als Tailored Wool für 1250 Euro extra bestellt. Der graue Wollbezug kommt doch recht fleckenempfindlich daher.
Teilzeitstromern
Zudem muss man sich darüber im Klaren sein, dass die 18,8 kWh leistende Hochvolt-Batterie nicht die ganze im Display angezeigte Distanz von 730 Kilometern dabei ist. Rein elektrisch versprechen die Schweden 88 Kilometer, im Test waren es 63 und auf der Autobahn oder der Landstraße übernimmt der E-Antrieb je nach Ladezustand und Geschwindigkeit die Führung. Ist er dann leer, wird der nötige Strom über die Charge-Funktion und die Rekuperation in den Akku zurückgeführt, so dass immer ausreichend Energie für einen kräftigen Boost vorhanden ist. Die Hauptarbeit hat aber dennoch der 2,0-Liter-Vierzylinder zu leisten, was sich auch im Verbrauch niederschlägt. 9,5 Liter Super werden über 100 Kilometer Piste aus dem 70 Liter fassenden Tank verbrannt.

Wirklich sparsam ist der Volvo XC90 Recharge nur, wenn er regelmäßig geladen wird.
(Foto: Holger Preiss)
Natürlich, wer in der Stadt fährt und den Akku fleißig lädt, der wird mit 1,3 Litern Sprit und einem CO₂-Ausstoß von 30 Gramm/Kilometer über die Distanz kommen. Apropos Laden. Hier gilt es, Zeit mitzubringen. Im besten Fall sind es an der 22-kW-Dose fünf Stunden; wer die Haushaltssteckdose nutzt, muss mit mindestens 13 Stunden rechnen, bevor der Akku gefüllt ist. Also mal kurz zum Mittagessen auf den Autobahnrastplatz an die Säule ist dann nicht.
Ein Raumriese zum Verreisen
Ansonsten ist und bleibt der XC90 ein Raumriese, der wahlweise auch mit einer dritten Sitzreihe geordert werden kann. Ist die flach gemacht, fasst der Kofferraum 640 Liter, in aufrechter Stellung sind es noch 262. Ist auch die Rückenlehne des üppig bemessenen Fonds umgeklappt, schluckt das Gepäckabteil 1816 Liter. So oder so dürften Klagen über ein mangelndes Platzangebot ohnehin nur kommen, wenn die zwei Sitze der dritten Reihe, vorzugsweise von Kindern, besetzt werden.
Da natürlich auch die Platzverhältnisse eher nach Reise als nach Stadtverkehr schreien, hat Volvo natürlich serienmäßig ein Sensus 3D-Navigationssystem an Bord gepackt. Tatsächlich wird das wohl aber das letzte eigene Streckenführungssystem der Schweden sein, denn perspektivisch wird auch in einen XC90, so es eine nächste Generation gibt, Google Einzug halten. Was sicher bequem, aber dennoch etwas schade ist, denn das Sensus-System erwies sich im Test als präzise.
Ohne Google geht es auch
Die Echtzeitnavigation funktionierte, es gibt Zugriff auf Wetterdaten, Kraftstoffpreise oder lokale Informationen. Das Wichtigste war aber, dass es wesentlich stabiler lief als die im XC40 oder einem Polestar verwendeten Android-Anbindungen, die sich gerne mal aufhängten und den Fahrer im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln stehen ließen. Zumal, wer sein Smartphone spiegeln will, das natürlich über Apple CarPlay oder Google Auto machen kann. Leider nur über ein USB-Kabel.
Ansonsten glänzte der XC90 nicht nur mit einer intuitiven Bedienung, die zu Teilen über Drehregler und Tasten funktioniert, sondern auch mit einer ganzen Reihe von Sicherheitssystemen. Darunter Distanzwarner, Kurvenassistent, Geschwindigkeitsbegrenzer, Totwinkelwarner, Querverkehrswarner, Heckaufprallschwächung und Kollisionswarner. Natürlich funktioniert das im Zusammenspiel dann auch als Stauassistent, der den Fahrer im lästigen Stop-and-Go entlastet. Das alles ist auch in der Grundausstattung des XC90 Recharge T8 AWD Inscription drin und macht den Schweden schon zu einem Premium-SUV, was sich auch im Preis von mindestens 77.300 Euro niederschlägt.
Der Testwagen brachte es inklusive Alarmanlage, Bowers und Wilkins Soundsystem, adaptivem Luftfahrwerk, Head-up-Display, semielektrischer Anhängerkupplung und Panoramaglasschiebedach sogar auf 95.000 Euro. Ein stolzer Preis für ein wirkliches Luxusauto, das nicht nur Komfort, sondern auch jede Menge Fahrspaß garantiert und das, so schade es ist, leider als Plug-in-Hybrid auch ein Auslaufmodell ist.
DATENBLATT | Volvo XC90 Recharge T8 AWD Inscription |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,95/ 2,14 (mit Spiegel)/ 1,78 m |
Radstand | 2,98 m |
Leergewicht (DIN) | 2297 kg |
Sitzplätze | 5/7 |
Ladevolumen | 262 / 640 / 1816 Liter |
Verbrenner-Motor | Reihenvierzylinder Bi-Turbolader mit 1969 ccm Hubraum |
Getriebe | 8-Gang-Automatik |
Leistung | 228 kW / 310 PS bei 6000 U/min |
max. Drehmoment | 400 Nm bei 3000 - 4000 U/min |
Elektromotor (ERAD an der Hinterachse) | 107 kW / 145 PS |
max. Drehmoment | 309 Nm |
Systemleistung und max. Drehmoment | 455 PS / 709 Nm |
Kraftstoffart | Benzin |
Antrieb | Allradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h (abgeregelt) |
Tankvolumen | 70Liter |
Beschleunigung 0-100 km/h | 5,4 Sekunden |
Wendekreis | 12,1 m |
Normverbrauch kombiniert nach WLTP | 1,3 l Benzin / 22,6 kWh/km |
Testverbrauch | 7,5 l |
Effizienzklasse | A / EU6 |
Grundpreis | 77.300,00 Euro |
Preis des Testwagens | 95.050,00 Euro |
Fazit: Volvo stehen mit dem XC 90 Recharge da, wo sie hingehören: im Premiumsegment. Das spiegelt sich aber nicht nur in Komfort, Leistung, Sicherheit und Ausstattung wider, sondern auch im Preis. Man muss es schon dicke haben und insgesamt sehr verliebt in den Schweden sein, um hier für eine bereits beerdigte Technologie mindestens 77.300 Euro auszugeben.
Quelle: ntv.de