
Möchte dem Thema Periode mehr Aufmerksamkeit widmen: Ralf Dümmel.
(Foto: TVNOW / Bernd-Michael Maurer)
In der TV-Sendung "Die Höhle der Löwen" wurde ein Produkt vorgestellt, das, sagen wir mal, die Welt nicht braucht. Die Aufregung ist dennoch groß, denn was dahintersteht, ist zwar gut gemeint, aber an Frauenfeindlichkeit kaum zu überbieten.
Hey, mal alle, nicht nur Blaublüter, aufgepasst! Und alle Frauen, die Rosa heißen! Erstens: In der Tampon- und Damenbindenwerbung wird seit Jahren beschissen, denn Blut ist gar nicht blau (nicht mal Menstruationsblut), es handelt sich nur um eine Ersatzflüssigkeit (steht im Kleingedruckten). Und Punkt zwei: Es ist gar nicht so eklig, eine Frau zu sein. Es ist im Gegenteil recht natürlich und schön, wenn man eine Frau ist, oder wenn man gerne eine sein möchte. Das würde als Info grundsätzlich reichen. Aber hier geht es ja um was Größeres, hier geht es um Quoten, Geld, Erfindungen und Shitstorms. Ich sag' mal - da kommt eine Riesenwelle auf uns zugeschwappt, mein lieber Scholli.
Wundern Sie sich eigentlich noch darüber, wie früher zum Beispiel Kaffeewerbung aussah? Erinnern Sie sich gar an das "Halbe-Tassen-Problem"? Die deutsche Hausfrau benutzte nicht das richtige Kaffeepulver, deswegen tranken die Gäste ihre braune Brühe nie aus, eine Stimme aus dem Off eilte zu Hilfe. Oder haben Sie noch die brave Dame mit den rissigen Händen und dem falschen Spülmittel vor Augen? Die, zu der eine resolute "Tilly" in einem Schönheitssalon dann sagte: "Tja, fremdgehen lohnt nicht, und das ist kein Spülmittel, das ist Palmolive, Sie baden gerade Ihre Hände darin".
Und jetzt, zack, nur 30 bis 40 Jahre später, geht es immer noch darum, dass einige nichts dazu gelernt haben - trotz Jahren der Emanzipation, Jahren der Marktforschung und Jahren, in denen Männer zum Bauchtanzkurs gingen oder ihr Strickzeug zum Beckenbodentraining mitgebracht haben.
Iiih - Blut!
In der TV-Sendung "Die Höhle der Löwen" jetzt diese Überraschung: Beim Wechseln eines Tampons oder einer Binde kann frau sich tatsächlich ihre Hände "schmutzig" machen, tss tss tss. Da muss flott was her, dachten sich Eugen und André, ihres Zeichens Erfinder, Handschuhe zum Beispiel, "pinkygloves"! Rosa Handschuhe, die es möglich machen, Damenhygieneartikel in dem als "pinker Handschuh" getarnten, blicksicheren Müllbeutel diskret verschwinden zu lassen. Allein das Wort "diskret" ist schon ein größerer Abturner als jedes Tröpfchen Blut am Mittelfinger! Jedoch: Solche Handschuh-Müllbeutel extra für Frauen, die passen super in unsere Zeit, wo wir eh nichts mehr anfassen außer unserer Box mit Corona-Schnelltests, wo Körperflüssigkeiten nur noch nach gründlicher, gegenseitiger und zertifizierter Prüfung ausgetauscht werden können und wo TV-Investoren behaupten, dass so ein Shitstorm bezüglich Menstruationshandschuhen auch was Gutes hätte: Man würde nämlich endlich mal den Fokus auf die weibliche Menstruation richten.
Danke, Mann! Da hat "Löwe" Ralf Dümmel ja einen richtigen Coup gelandet. Später hat er den Spieß umzudrehen versucht und erklärt, dass so ein "Shitstorm" geradezu großartig sei, um den Fokus auf das Thema Menstruation zu lenken. Chapeau!
Wie naiv darf "Mann" sein?
Okay, zwei Typen haben es gut gemeint, und wir alle wissen, dass gut gemeint nicht immer gut gemacht bedeutet. Und nein, niemand soll bitte die beiden Wannabe-Gründer oder ihre Familien jetzt beshitstormen, aber wer sich in die Höhle der Löwen begibt, muss eben auch damit rechnen, dass aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird - und aus "Menstruations-Handschuhen" der Lacher der Woche. Zwar eher so ein mittellustiger Lacher, denn man darf sich durchaus fragen, wie naiv "Mann" eigentlich sein darf, und wie viel Unkenntnis in Sachen Frau noch immer in - jungen - Männern steckt. Von den älteren Herren wollen wir eigentlich lieber gar nicht reden. Müssen wir aber: Denn die hätten sowas wie Verantwortung übernehmen können und die Gründer-Erfinder fragen sollen, ob sie besoffen waren, als sie diese Idee ausbaldowert haben, oder im Vorgespräch mal antesten, ob da auch eine Frau was gesagt hat zu dem Thema.
So sicher wie das Amen in der Kirche sind nun natürlich die Kommentare von echten Auskennis auf Instagram, Twitter und Co. Von einem Mann ist unter Ralf Dümmels Post, in dem er seine Situation nochmal darstellt, zum Beispiel folgende Anmerkung: "Ralf, ich kann die Kritik auch nicht nachvollziehen. Die Gründer haben es einfach nur gut gemeint. Schade, dass ihnen so viel Hass begegnet. Schade, dass unsere Welt heute so verbohrt und hasserfüllt ist." Nicht ganz unrecht hat Dümmel ja vielleicht sogar mit seiner Aussage: "Ein Punkt ist mir besonders wichtig: Die Frage, ob Gründer:innen, die Produkte, die vorrangig Frauen ansprechen sollen, entwickeln, auch weiblich sein müssen, führt meiner Meinung nach wiederum vollkommen in die falsche Richtung. Grundsätzlich sollten die Geschlechter der Gründer:innen kein Merkmal sein bei der Frage, ob ein Produkt Relevanz hat oder nicht." Gut gebrüllt, Löwe!
Ebenfalls erwähnenswert, so zum Ausgleich, der Post einer Frau: "Diese #pinkglovesDebatte steht für alles, was in Deutschland in Bezug auf Gendergap immer noch falsch läuft: Zwei Männer "erfinden" etwas, was hauptsächlich Frauen betrifft; ein männlicher Investor befindet es für gut. Es kommt auf den Markt. Nur die potenziellen Hauptabnehmer hat dabei irgendwie niemand gefragt." Praktisch, wie Frauen nun mal sind, stellt eine andere Userin online, wie Frauen "das Problem" bisher gelöst haben (nichts für schwache Nerven!)
Oder sie betätigen sich einfach kreativ: "Kurz off, bastel' gerade ein Mobile aus benutzten Tampons" lässt eine Twitterin uns wissen.
Periode & Politik
Abschließend noch was Politisches: Franka Frei, Autorin des Buchs "Periode ist politisch", schreibt auf Instagram: "Dieses Produkt ist nicht nur verdammt überflüssig und ökologisch verwerflich, sondern auch ein Schritt nach hinten in Sachen Stigmatisierung Menstruierender." Und auch Ralf Dümmel ist sich inzwischen sicher: "Periode ist ein politisches Thema. Und ich gebe zu, dass ich dem nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet habe."
Das letzte Wort hat Eugen Raimkulow, einer der Gründer: "Wir haben uns nicht ausreichend und richtig mit dem Thema auseinandergesetzt. Das war ein großer Fehler." Man nehme das Feedback sehr ernst, überdenke das Produkt und reflektiere die gesamte Entstehungsgeschichte.
Ich frage mich nun allerdings: Wann ist eigentlich endlich wieder Blutmond?
Quelle: ntv.de