Guido Maria Kretschmer im Glück Mode von der Straße des Herzens
06.07.2019, 08:22 Uhr
Blumen für Guido - total gerechtfertigt.
(Foto: REUTERS)
Auf der Mercedes Benz Fashion Week gehört er zu den festen Größen - und nicht nur da. Modedeutschland ist ein anderes, seit es Guido gibt. Er designt, ist im Fernsehen ("Shopping Queen"), stylt um, hat ein eigenes Magazin ("Guido") und ist einfach ein großartiger Mensch. In seiner Gegenwart und in seinen Klamotten kann man sich wohlfühlen. n-tv.de trifft den 54-Jährigen während der Fashion Week zum Gespräch in der Schaltzentrale des ewerks, dem Ort, an dem die Fashion Week auch dieses Mal wieder stattgefunden hat: "Wenn hier früher einer den Hebel umgedreht hat, dann ging in Mitte das Licht aus", sagt er angesichts der imposanten Kulisse. Zuerst reden wir aber darüber, wie ungerecht das (Bauch-)Fett verteilt ist. Es sei immer da, das Körperfett, nur eben immer woanders, glaubt Guido Maria Kretschmer: "Der Speckgehalt auf der Welt bleibt immer gleich. Die einen, die fünf Kilo verlieren, reichen diese fünf Kilo nur an den nächsten weiter. Ich kenne immer Leute, die sagen, dass sie gerade fünf Kilo verloren haben und andere die sagen, ach, ich hab gerade ein bisschen zugelegt. Das heißt also, der Speck verteilt sich nur anders." Das macht jedoch nichts, denn GMK designt für alle: Für Dünne, Dicke, Weiße, Farbige - es lebe die Demokratie in der Mode!
n-tv.de: Frauen klagen ja eigentlich immer über ihre Figur - wie gehst du darauf beim Entwerfen ein?

Dann mach' ich mir 'nen Schlitz ins Kleid und find' das wunderbar - auch ab Größe 42.
(Foto: imago images / Pacific Press Agency)
Guido Maria Kretschmer: Manche Frauen muss man füttern und nicht nur anschauen, das ist so. Es gibt so unterschiedliche Menschen - und für diese unterschiedlichen Menschen mache ich Mode. Alles ist dabei - man muss sich nur mögen. Es gibt eine Grundform, die jeder hat, aber es gibt natürlich diese Disziplinierten, die es schaffen, gegen diese Grundformen anzuarbeiten. Und es gibt die, die es nicht müssen - und das wiederum ergibt eine große Unterschiedlichkeit, die eigentlich schön ist. Das jedoch wirklich schön zu finden haben wir ein bisschen verloren.
Du arbeitest jetzt schon eine Weile mit der Otto Group zusammen …
Ja, und es war so gescheit, dass ich das gemacht habe (lacht). Wir mögen uns menschlich so gern und wir arbeiten perfekt zusammen, partnerschaftlich. Ich bleibe der, der ich bin, und ich habe einen Partner, der anständig ist, der nachhaltig produziert, der ein ähnliches Gefühl für den Markt hat wie ich. Ich wusste genau, wo ich hingehe und sie wussten genau, wen sie kriegen. Und ich konnte meine Marke erhalten, ohne andere Aktivitäten aufgeben zu müssen. Die Balance zwischen der Kunst, der Mode, dem Fernsehen und all den anderen Sachen zu halten ist mir so möglich.
Verleiht dir diese Partnerschaft Sicherheit?
Ja, aber das war nicht die Intention, ich war ja nicht auf der Suche. Sicherheit hatte ich mir schon selbst gegeben (lacht). Ich war schon lange eine "gut geschmückte Braut" - und eine autonome Braut! Wir haben durch diese Partnerschaft eine Win-Win-Situation: Die Umsätze sind gut und die Mode ist ein bisschen flotter geworden. Die Ottos schenken mir dieses moderne, perfekt aufgestellte Warehouse, diese wunderbare Logistik, diese Nachhaltigkeit in der Produktion, ich weiß, wo meine Sachen produziert werden. Durch diese Voraussetzungen kann ich die Preismomente erfüllen, die ich mir immer gewünscht habe. Das ist die Idee der "Democratic Couture" - denn meine Mode war vorher ja sehr hochpreisig.
Man kann nach der Show direkt online gehen und bestellen, oder?
Ja, genau. Das entspricht dem Zeitgeist, finde ich! Das Richtige tun mit den richtigen Leuten und trotzdem man selbst bleiben - das ist mir gelungen. Man gewinnt, in dem man abgibt - das geht nur in einer guten Partnerschaft. Und ja - das geht alles in die richtige Richtung.
Du bist ein glücklicher Mensch, nehme ich an. Deswegen bist du in der Mode jetzt auch auf der Straße des Herzens unterwegs - deine Kollektion heißt "Rue du Coeur" ….
Ich bin sehr glücklich, stimmt. Und ich brauche nicht lange, um Nähe aufzubauen, das ist sicher ein Geschenk. Aber hinter der Kollektion steht für mich mehr der Aspekt des Reisens. Mir sind so viele Plätze in den letzten Jahren vertraut geworden, dass ich dieses Gefühl zum Ausdruck bringen wollte. Weil ich so ein Zuhause-Gefühl entwickle an Plätzen, an denen ich gar nicht zu Hause bin. Ich glaube, dass wir Modemacher fast die letzten sind, die wirklich frei sind. Deswegen ist meine Kollektion auch so groß geworden. Ich glaube, es iist die größte, die ich jemals gemacht habe.
Mode kann sehr viel transportieren: Sie kann Kunst sein, Alltagsgegenstand, und sie kann politisch sein.
Ja, auf jeden Fall, und Mode kann anständig sein, zum Beispiel, indem sie nachhaltig ist. Ich zeige mit Mode, wer ich bin, wohin ich gehöre, was Zeitgeist kann, das alles ist Mode. Ich habe übrigens obendrein die tollsten Models, die haben für mich gesungen.
Warum? Hattest du Geburtstag?
Nein, sie haben gesungen, weil sie finden, dass ich so eine tolle Mischung an Mädchen ausgewählt habe, so vielfältige Frauen. Weil jede Hautfarbe, jede Größe vertreten ist, weil wir international sind und wissen, was es bedeutet, frei zu sein. Weil ich zeigen möchte, dass man sich hinter Klamotten verstecken, aber auch, dass man in Kleidung ganz präsent sein kann. Es gibt übrigens nie eine Revolution ohne die passende Klamotte dazu (lacht). Diversität zu zeigen ist wichtig, wir wollen keine Uniformen!
Mode aus dem Katalog ist aber nach wie vor wichtig, oder?
Ja, denn das Stadt-Land-Gefälle ist ein großes Thema. Man muss aufpassen, dass einem die Menschen nicht verloren gehen. Mode bedeutet auch Lebensqualität und Schönes ist wichtig für den Menschen, es bedeutet Lebensqualität. Aber das vergessen wir immerzu oder wollen es nicht gelten lassen.
Können wir eigentlich gut genießen?
Das ist nicht einfach für den Deutschen (lacht). Wir haben zum Beispiel noch nicht wirklich verstanden, dass es sich lohnt, zusammenzuhalten. Zusammenhalt unter Menschen bedeutet für mich auch Genuss. Denn wo Genuss ist, ist auch Reflektion. Und das beinhaltet, dass ich weiß, was gut ist. Was gut für mich ist. Ich denke, wir sollten uns ruhig noch ein bisschen mehr trauen, zu genießen. Und nicht nur das, was wir schon kennen.
Wie wichtig ist Mode?
Es ist wichtig, dass man innen angezogen genug ist, also dass man genug im Gepäck hat, um nicht vom Äußeren abhängig zu sein. Wirkliche Kultiviertheit ist, wenn man von innen schön ist. Also, wenn du dich nach Kaschmir fühlst. Oder Seide (lacht).
Deine Mode beschreibt eine Reise …
… ja, ich will zeigen, dass es schön ist, dass wir East und West haben, dass das eine nicht schön ohne das andere wäre, dass wir uns gegenseitig befruchten. Ich habe feinstes Leinen, faire Baumwolle, Seide, Brokat aus Italien, Batist … ein Potpourri aus modern und retro, aus gerade und feminin. Ich will Diversität und Vielfalt zeigen.
Mit Guido Maria Kretschmer sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de