Rosamunde Pilcher in Hochglanz "Der Gesang der Flusskrebse" ist kitschig
18.08.2022, 19:18 Uhr
Manchmal vielleicht fast ein bisschen zu schön: "Der Gesang der Flusskrebse".
(Foto: CTMG, Inc. / Sony Pictures)
Mit "Der Gesang der Flusskrebse" gelang Delia Owens vor drei Jahren ein Bestseller. Nun kommt die Geschichte des "Marschmädchens" Kya auch ins Kino - mit schönen Landschaftsaufnahmen, einer vielschichtigen Handlung und einer vollen Dröhnung Kitsch.
So richtig weiß man bei "Der Gesang der Flusskrebse" nicht, woran man ist. Coming-of-Age-Geschichte? Außenseiter-Erzählung? Schnulze? Thriller? Justizdrama? Naturdoku? Irgendwie alles auf einmal. Das macht zweifelsohne auch den Reiz des Films aus, der nun unter der Regie von Newcomerin Olivia Newman ins Kino kommt.
Ein Reiz, den schon die literarische Vorlage versprühte. Autorin Delia Owens ist zwar schon 73, dennoch war auch sie in gewisser Weise eine Newcomerin, als ihr Buch erschien. Schließlich war "Der Gesang der Flusskrebse" das Romandebüt der Zoologin, die sich bis dato in erster Linie der Erforschung von Flora und Fauna gewidmet hatte. Dem Erfolg des Werks, das vor drei Jahren prompt zum internationalen Bestseller mutierte, tat dies jedoch keinen Abbruch.
Ob der Film wohl an diesen Erfolg anknüpfen kann? Er bemüht sich jedenfalls, etwa indem er die Liebe der Autorin zur Natur adäquat auf der Leinwand abzubilden versucht. Die Landschaftsaufnahmen, die de facto in Louisiana gedreht wurden, jedoch die Sumpfgebiete in North Carolina darstellen sollen, sind zweifelsohne ein Highlight der Literaturverfilmung. Auch die Handlung hält sich sehr eng an die Romanvorlage.
Das "Marschmädchen" am Pranger
Kya (Daisy Edgar-Jones) lebt mit ihrer Familie in den unwirtlichen Marschgebieten von North Carolina. Ihr Vater (Garret Dillahunt) ist ein Trinker und Schläger, vor dem zunächst die Mutter (Ahna O'Reilly) flüchtet und schließlich auch alle Geschwister von Kya Reißaus nehmen, bis sie allein mit ihm zurückbleibt. Doch eines Tages ist auch er verschwunden und das Mädchen inmitten der Sümpfe auf sich allein gestellt.

Kya (Daisy Edgar-Jones) muss sich allein im Marschland durchschlagen.
(Foto: CTMG, Inc. / Sony Pictures)
Kya schlägt sich durch. Doch den Bewohnerinnen und Bewohnern im nahe gelegenen Örtchen Barkley Cove, die sie nur abfällig das "Marschmädchen" nennen, ist sie suspekt. Lediglich der Junge Tate (Taylor John Smith) interessiert sich für sie. Ja, die beiden verlieben sich sogar ineinander, ehe die Romanze jäh endet, weil Tate zum Studium in die Ferne zieht. Kya ist plötzlich wieder auf sich allein gestellt. Nicht zuletzt um ihrer Einsamkeit zu entrinnen, lässt sie sich dann aber doch auf die Avancen des windigen Chase (Harris Dickinson) ein.
Lange meldet sich Tate nicht. Als er dann plötzlich wieder auf der Bildfläche erscheint, lässt Kya ihn zunächst beharrlich abblitzen. Doch auch die Beziehung mit Chase geht in die Brüche, als sie davon erfährt, dass er längst mit einer anderen verlobt ist. Als wäre das Liebes-Wirrwarr nicht schon schlimm genug, wird Chase eines Tages tot am Fuße eines Wachturms bei den Sümpfen gefunden. Für die meisten Menschen in Barkley Cove ist rasch klar: "Das 'Marschmädchen' war es!" Obwohl es praktisch keine Beweise gibt, wird Kya der Prozess gemacht. Kann sie der Vorverurteilung entkommen? Bekommt Tate doch noch eine zweite Chance? Und wer hat wirklich Chase auf dem Gewissen?
Zu viel Zuckerguss
Am Set zu "Der Gesang der Flusskrebse" gab es jede Menge Frauen-Power. So gesellten sich zu Newman als Regisseurin etwa auch Lucy Alibar als Drehbuchschreiberin, Polly Morgan als Kamerafrau sowie Lauren Neustadter und Hollywood-Star Reese Witherspoon als Produzentinnen. Auf der Leinwand indes lässt sich nur bedingt von "Female Empowerment" sprechen, auch wenn es um die Genese einer starken weiblichen Heldin geht. Dafür ist der Film schlicht zu kitschig an vielen Stellen.
Gerade wenn es sich um die Liebesbeziehungen dreht, mutet "Der Gesang der Flusskrebse" ziemlich altbacken an, wie eine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung in Hochglanz. Letztlich kann Kya dann halt doch nicht auf die Kerle verzichten, auch wenn sie in dem Streifen zu allzu überzeichneten Stereotypen verkommen - hier der Softie Tate, dort der Hallodri Chase. Mancher Dialog gerät dabei gar zum Fremdschäm-Moment. Etwas weniger Zuckerguss über der ganzen Geschichte wäre tatsächlich mehr gewesen.
"Der Gesang der Flusskrebse" läuft ab sofort in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de