"Iron Sky" und der Meteorblitzkrieg Die Nazis kommen vom Mond
12.02.2012, 14:54 Uhr
Mond-Führer Kortzfleisch in Aktion.
(Foto: Iron Sky)
Versprengte Nazis, die auf der dunklen Seite des Mondes leben und die Erde mit Ufos angreifen - das ist ein Fest für Fans von Trash-Filmen. "Iron Sky" zelebriert seine hanebüchene Science-Fiction-Story mit Witz, Satire und erstaunlichen Spezialeffekten. Auf der Berlinale feiern der Streifen und seine Fans Weltpremiere.
Die gute Nachricht: Die Welt geht 2012 nicht unter. Die schlechte Nachricht: 2018 greifen die Nazis an. Sie kommen mit ihren Raum-Zeppelinen, "Reichsflugscheiben" und dem Kreuzschiff "Götterdämmerung" aus ihrem Versteck von der dunklen Seite des Mondes und greifen nach der Weltherrschaft, um das "Vierte Reich" zu errichten. Der amtierenden, im Wahlkampf-Stress stehenden US-Präsidentin (ein wunderbarer Sarah-Palin-Klon) kommt das gerade recht. Wer im Krieg steht, wird schließlich wiedergewählt. Doch Nazi-Offiziere Klaus Adler hat ganz andere Pläne.
Klingt verrückt? Mag sein, aber "Iron Sky" ist eben alles andere als Mainstream-Kino. Auf der Berlinale feierte er am Samstagabend seine Weltpremiere. Neben dem finnischen Regisseur Timo Vuorensola waren auch Produzenten und die Hauptdarsteller mit dabei - Julia Dietze, Udo Kier, Götz Otto und Christopher Kirby.
Vor allem aber saßen viele Unterstützer und Fans im Berliner Friedrichstadtpalast. Denn "Iron Sky" bietet nicht nur eine abstruse Story, sondern geht auch in Sachen Finanzierung neue Wege: Fast 1 der 7,5 Millionen Euro Produktionskosten wurde durch Crowdfunding im Internet gesammelt, also durch kleine und kleinste Spenden vieler Menschen.
Internet und Mundpropaganda
Kein Wunder also, dass es seit Monaten im Internet rumorte und der Streifen, der am 4. April in Deutschland und anderen Ländern startet, von den vielen Kleinst-Produzenten mit Spannung erwartet wurde. Immerhin dauerte die Entwicklung von der (in einer Sauna geborenen) Idee bis zum fertigen Film mehr als sechs Jahre. Angeheizt wurde die Spannung noch durch eine Marketing-Strategie, die permanent Einblick in den Produktionsprozess bot - gedreht wurde in Australien, Frankfurt am Main und New York.
"Iron Sky" setzte damit von Anfang an konsequent auf die Vernetzung des Internets und effektive Mundpropaganda statt der üblichen PR-Schlachten etablierter Studios. Und die Produzenten gingen noch einen Schritt weiter: Fans konnten auch ihre eigenen Ideen für den Film einbringen.
Ob es daran liegt, dass der Film stellenweise etwas zerstückelt daher kommt? Trotz aller Satire, einigen gelungenen Witzen und überzeugenden (in Finnland entstandenen) Spezialeffekten bleibt der rote Faden teilweise auf der Strecke, dem Film fehlt die Konzentration. Zudem braucht es eine ganze Weile, bis die Story überhaupt Fahrt aufnimmt.
Am Anfang steht ein schwarzer US-Astronaut (Christopher Kirby), der der Kolonie der 1945 zum Erdtrabanten geflohenen Nationalsozialisten zu nahe kommt und gefangen genommen wird. Die Mond-Nazis mit ihrem Führer Wolfgang Kortzfleisch ("Es heißt jetzt Heil Kortzfleisch!", debil und böse: Udo Kier) fürchten eine Invasion. Zeit also, den lange geplanten eigenen Angriff auf die Erde voranzutreiben.
SS-Offizier Klaus Adler (knallhart: Götz Otto), die ideologisch stramme Lehrerin Renate Richter (wunderbar: Julia Dietze) und der inzwischen per "Albinisierung" geweißte US-Astronaut werden als Voraustrupp zur Erde gesandt. Doch sie haben nicht mit einer Wahlkampf-geilen US-Präsidentin und deren durchgeknallter Wahlkampfmanagerin gerechnet. Diese übernehmen gerne die Slogans der Mond-Nazis von Einheit, Reinheit und Gleichheit. Und selbst die Invasion der Riesenzeppeline und Ufos passt gut in ihre Strategie. Aber da fängt der Spaß erst an. Schließlich haben die Nazis noch eine Geheimwaffe in petto. Die Nationen der Erde allerdings auch.
"Inglourious Basterds" trifft "Star Wars"
Sicher ist: Um Spaß zu haben, muss man sich auf den politisch unkorrekten Film einlassen, so abgefahren ist die Geschichte. "Iron Sky" nimmt einen Hieb Nazi-Trash à la Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds", mischt ihn mit "Star Wars" und dem Retrodesign von "Sky Captain and the World of Tomorrow", gibt eine Portion US-Patriotismus von "Independence Day" hinzu und verquirlt das alles mit Nazi-Verschwörungstheorien wie in "The Boys from Brazil". Heraus kommt ein optisch überzeugender, sehenswerter, aber leider nicht brillanter Film, der stellenweise hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Allerdings gibt es einige wunderbare, subtile Anspielungen. In der Mond-Kolonie etwa kennt man Chaplins "Der große Diktator" nur als Kurzfilm. Der berühmte Tanz mit der Weltkugel ist hier ein Symbol für die unbegrenzte Nazi-Herrschaft über die Erde. Als Renate Richter dann auf der Erde den gesamten Film sieht, fallen ihr die Schuppen von den Augen und sie erkennt die furchtbare Ideologie der Nazis. Auch Kubricks "Dr. Seltsam" und "Der Untergang" mit Bruno Ganz als Hitler werden gekonnt und witzig zitiert.
Für Spaß sorgt außerdem das Aufeinandertreffen zwischen Moderne und den in der Zeit stehen gebliebenen Nazis: Da wird noch mit dem Volkswagen gefahren und das Handy des Astronauten hat eine weitaus größere Rechenleistung als die schrankgroßen Computer der Nazis.
Der UN-Sicherheitsrat, Nordkorea, George W. Bush, die Hysterie-affinen USA, die militärische Aufrüstung des Weltraums - nicht nur der Nationalsozialismus und seine menschenverachtende Ideologie bekommen ihr Fett ab. Die Vielzahl der Themen wirkt dann allerdings etwas beliebig. Am Ende fließt reichlich Blut und nichts ist mehr wie es war - Trash as Trash can be.
Quelle: ntv.de