"Eine neue Ära" im Kino "Downton Abbey"-Adel erobert Frankreich
28.04.2022, 21:12 Uhr Artikel anhören
Auf Downton Abbey weht plötzlich ein frischer Wind.
(Foto: IMAGO/Prod.DB)
Skandal! Auf Downton Abbey sorgt der Besuch einer Filmcrew für einen Hauch Moderne. Was für den älteren Teil der Adelsfamilie Crawley einem unsäglichen Traditionsbruch gleichkommt, lässt die Bediensteten dagegen Freudensprünge machen.
Als 2019 der erste "Downton Abbey"-Teil veröffentlicht wurde, konnte man sich schon denken, dass die Verfilmung nur diejenigen abholen würde, die noch immer der Erfolgsserie nachtrauerten, die 2015 abgesetzt wurde. Wenige Fans waren das nicht, immerhin spielte das Historiendrama bei Produktionskosten von 13 Millionen Dollar weltweit sage und schreibe 200 Millionen Dollar ein - und das, obwohl der dramatischste Höhepunkt war, wer König George V. und seiner Ehefrau, die auf dem Adelssitz zu Besuch waren, das Abendessen zubereiten würde. Wer nun aber denkt, dass die Handlung der Fortsetzung unmöglich noch trivialer sein könne, der irrt gewaltig.
Wir schreiben das Jahr 1929. Auf Downton Abbey, dem Familiensitz von Lord und Lady von Grantham, Robert (Hugh Bonneville) und Cora (Elizabeth McGovern) Crawley, ist im vergangenen Jahr nicht viel passiert. Lady Mary (Michelle Dockery) hat sich nach langem Zögern damit abgefunden, dass sie für den Erhalt des Anwesens zuständig ist, da ihre Großmutter, Countess Violet von Grantham (Maggie Smith), mittlerweile zu alt ist. Mit ihrem zweiten Ehemann, dem sich im Ausland befindenden Rennfahrer Henry Talbot, driftet sie nach vielen Schicksalsschlägen immer weiter auseinander. Und der Butler Thomas Burrow (Robert James-Collier), leidet noch immer unter der Einsamkeit, weil er seine Homosexualität verdeckt halten muss.
Als die Crawleys erfahren, dass Großmutter Violet das Anwesen eines mysteriösen französischen Aristokraten geerbt hat, reist ein übertrieben großer Teil der Familie - Robert und Cora Crawley, ihre Tochter Edith (Laura Carmichael) und ihr Ehemann Herbert (Harry Hadden-Paton), Tom Branson (Allan Leech) und seine frisch angetraute Ehefrau Lucy (Tuppence Middleton) - nach Frankreich, um die Villa zu besichtigen. In der mediterranen Hitze, mit der vor allem Butler Mr. Carson (Jim Carter) nur schwer zurechtkommt, erfahren sie einiges über Violets Vergangenheit und entdecken Dinge, die sie verheimlicht hat. Vor allem Lord Robert beschäftigt fortan die Frage, ob sein gesamtes Leben auf Betrug aufbaut.
Neue Ära - Bedrohung oder Möglichkeit?

Ein Teil der Familie Crawley begibt sich auf eine Reise in die Vergangenheit.
(Foto: Ben Blackall/Focus Features LLC/)
Auf Downton Abbey hat man indes ganz andere Probleme. Das Anwesen ist - zumindest auf den ersten Blick - noch immer das Prunkstück der Grafschaft Yorkshire. Doch hinter den Fassaden bröckelt es im wahrsten Sinne des Wortes. Um die finanziellen Mittel steht es in der Familie nicht gut. Da kommt die Anfrage des charismatischen Regisseurs Jack Barber (Hugh Dancy), einen Stummfilm auf dem Adelssitz zu drehen, gerade recht. Während vor allem die ältere Generation von der Öffnung der heiligen Hallen für die gewöhnlichen und vulgären Filmstars nicht begeistert ist, entschließt sich Lady Mary sehr zur Freude des Personals, eine neue Ära einzuläuten.
Mit der Ankunft der Crew entwickelt sich ein Film im Film, der für ein paar amüsante Meta-Momente sorgt: Denn nicht nur für die Bewohner auf Downton Abbey stellt die "neue Ära" eine Bedrohung dar, sondern auch für die beiden Schauspieler Myrna Dalgleish (Laura Haddock) und Guy Dexter (Dominic West). Die Zeit des Stummfilms ist passé, beide müssen mit einem Karriereende rechnen. Besonders Dalgleish verkauft mit ihrem schönen Gesicht zwar Millionen Eintrittskarten, doch sobald die Schauspielerin den Mund aufmacht, stellen sich nicht nur der britischen Upper Class auf Downton Abbey die Nackenhaare auf. Als Regisseur Barber dann auch noch das Geld ausgeht, müssen Lady Mary und ihre Bediensteten improvisieren und zeigen, wie man aus einer Bedrohung eine Möglichkeit machen kann.

Auch am Mittelmeer gibt die britische Upper Class eine gute Figur ab.
(Foto: imago images/Picturelux)
Wie gesagt, in erster Linie ist "Downton Abbey - Eine neue Ära" eine kleine Reunion für Nostalgie-Fans. Auch die Sprache, die Bilder, die Kulissen, die Musik, der Schnitt und die Kamera ist wie in den guten alten Zeiten. Der Film zeigt das, was an der mit 15 Emmys ausgezeichneten Serie liebgewonnen wurde. Außerdem schließen sich kleinere Handlungsstränge, die im ersten Teil geöffnet wurden. Freuen kann man sich insbesondere auf die Aussicht, dass der schwule Butler Burrow endlich sein persönliches Happy End finden kann.
Für alle anderen Zuschauer ist die Handlung jedoch viel zu banal, um ihr zwei Stunden gespannt folgen zu können. Vor allem die Verortung nach Frankreich fühlt sich nicht mehr an wie das "Downton Abbey", das Serienfans so lieben. Die Geschichte wird in zwei geteilt und verliert sich mit lahmer Kulturclash-Comedy im Nichts, daran ändert auch der Prunk und 20er-Jahre-Glamour im warmen Nachbarland nichts. Zwar bemüht sich Regisseur Simon Curtis, den meisten Figuren so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken. Dass einige Lieblinge jedoch zu kurz kommen, ist ebenfalls dem unnötigen Ausflug nach Frankreich geschuldet.
Quelle: ntv.de