Grangé-Thriller mit Niemans Eine mordende Sekte Gottes - keine Nazis
29.05.2022, 14:13 Uhr
"In Tag der Asche" bekommt es Kommissar Niemans diesmal nicht mit Nazis zu tun, sondern mit einer sehr gottesfürchtigen Sekte und deren düsterem Geheimnis.
(Foto: imago stock&people)
Pierre Niemans ermittelt wieder: Der französische Kommissar - kantig, ungehobelt, direkt – lässt die purpurnen Flüsse endgültig hinter sich, nicht aber Gewalt, Verschwörung und Mord. In "Tag der Asche" bekommt er es mit einer gottesfürchtigen Gemeinschaft zu tun, die ein düsteres Ziel verfolgt.
1997 erscheint "Die purpurnen Flüsse". Es ist bei weitem nicht Jean-Christophe Grangés erster Thriller, aber der Beginn der Reihe um den Kommissar Pierre Niemans. Das Buch wird ein Erfolg, mehrere Kinoverfilmungen folgen, eine TV-Serie mit mittlerweile mehreren Staffeln ebenso. Erst 2020 kehrt Grangé mit "Die letzte Jagd" zu seiner ungehobelt und kantig daherkommenden Kommissar-Figur zurück, nur um ihn kurz darauf mit "Tag der Asche" wieder nach einem Gewaltverbrechen ermitteln zu lassen. Erneut an seiner Seite: die junge Kollegin Ivana - "seine kleine Slawin", wie Niemans sie gern bezeichnet.
Das allein zeigt schon, aus welchem Holz Niemans geschnitzt ist. "Metoo"? Nicht mit Niemans. Befehle von Vorgesetzten ausführen? Nur mit Diskussion und einer erheblichen Zahl an Widerworten. Kurzum: Niemands macht sein eigenes Ding und die ermittlerischen Erfolge der Vergangenheit sind der Beweis dafür, dass seine Vorgehensweise die einzig richtige ist.
Morde, Wein und eine Sekte
Nachdem es der Kommissar in "Die letzte Jagd" mit einer dubiosen Millionärsfamilie aus dem Schwarzwald zu tun bekam und sich mal wieder Verbindungen zu Nazis und Neofaschisten auftun, muss Niemans diesmal im Elsass ran: Unter den Resten eines eingestürzten Kirchenfreskos wird die Leiche eines Mannes gefunden. Das Ganze ist brisant, weil sich die Kapelle im Besitz einer religiösen Gemeinschaft befindet. Die Täufer leben wie vor 300 Jahren in der Region. Bei ihnen dreht sich alles um den Weinanbau. Genauer: Gewürz-Traminer. Und die Weinlese läuft auf Hochtouren. Das Zeitfenster dafür beträgt nur wenige Tage.
Gut, denkt sich Niemans und beordert Ivana zu den Täufern. Sie soll als Undercover-Erntehelferin vor Ort Augen und Ohren offenhalten, um ein Gefühl für diese religiöse Gemeinschaft zu bekommen. Für Niemans ist längst klar, dass bei den Täufern etwas faul ist. Von oben bekommt er Druck, damit er auch ja nicht die Weinlese in Gefahr gerät. Von unten, aus der Bevölkerung der umliegenden Gemeinden, erfährt er nicht viel, weil alle gut mit den Täufern auszukommen scheinen.
Doch dann geschieht ein weiterer Mord und Ivana ist in Gefahr. Etwas, das in Niemands' Augen nicht hinnehmbar ist. Nun zieht der erfahrene Kommissar alle Register, um seine Assistentin zu retten und die mysteriösen Todesfälle schnellstmöglich aufzuklären. Er ahnt, dass ihm die Zeit davonrennt und sich hinter den Morden etwas Düsteres verbirgt, so dunkel und abgrundtief wie die menschliche Seele.
Entdecke die menschlichen Abgründe
Wie gesagt: Niemans muss es wissen. Seine Fälle sind immer noch eine Spur härter, gewalttätiger, mörderischer. Da wird niemand einfach so mal überfahren. Da werden Körperteile abgehackt, Opfer verstümmelt, wie wilde Tiere gejagt und erlegt. Auch in "Tag der Asche" gibt es eine arg zugerichtete Leiche, dass bei einer möglichen Verfilmung die FSK-18-Einstufung schon vorprogrammiert erscheint. Aber auch als Hörbuch-Variante (Lübbe Audio) - gelesen von Martin Keßler, der deutschen Synchronstimme von Vin Diesel etwa -, läuft einem der ein oder andere Schauer über den Rücken, stellen sich an manchen Stellen die Nackenhaare auf, ist Gänsehaut eher die Regel als die Ausnahme. Das liegt natürlich an der markanten und unverwechselbaren Stimme Keßlers.
Das liegt aber auch an der Art, wie Grangé schreibt, wie er seine Plots inszeniert, seine Hauptprotagonisten ermitteln lässt. Niemands für sich genommen würde in der heutigen Zeit nicht mehr funktionieren, aber mit Ivana an seiner Seite sind Sympathien garantiert. Der staubtrockene Humor Niemans wiederum sorgt auch für so manchen Lacher und Grangé wäre nicht Grangé, wenn er das ein oder andere "nice-to-know"-Klugscheißerwissen mit einfließen ließe. Das alles macht "Tag der Asche" zu einem rundum perfekten Hörbuch, das auch für Grangé- und Niemans-Neueinsteiger ein Muss ist. Zeitlos spannend.
Quelle: ntv.de