
Unter dem Eis ist Asa Beute, oder doch nicht?
(Foto: imago/photothek)
Angela Merkel lebt in der Uckermark. Zoran Drvenkars "Asa" auch. Zumindest als Kind. Doch "Die Prüfung" verändert alles: Ein Gedanke bricht sich Bahn, reift über Jahrzehnte, um im besten Tarantino-Rache-Style zu kulminieren.
"Die Hölle ist offen. Und die Dunkelheit auf dem Weg hierher." Passender kann man die Gegenwart nicht beschreiben, schaut man nach Israel und Gaza, blickt man in die Ukraine, nach Moskau, Washington, Istanbul oder Peking. Aber wie kann man das Tor zur Hölle wieder schließen? Wieder Licht in die Welt bringen? Asa Kolbert weiß es. Und sie tut alles dafür, dass die Dunkelheit und damit auch das Böse nicht obsiegt. Glauben Sie nicht?
Nachdem Sie "Asa", erschienen bei Suhrkamp und im DAV, gelesen oder besser noch gehört haben, werden Sie anderer Meinung sein. Noch besser: Sie werden wieder hoffnungsvoller dem Leben die Stirn bieten. Wie die gleichnamige Heldin dieser Familiensaga, dieses Rache-Epos, dieses herausragenden und absolut brillanten Werks. Auch das können Sie problemlos glauben!
"Ein Kolbert stirbt nicht einfach so"
Zugegeben, "Asa" ist kein 0815-Thriller. Der Plot ist nicht linear aufgebaut. Immer wieder springt der Autor Zoran Drvenkar in den Zeiten, der Geschichte hin und her. Man taucht in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ein, in die 1960er, die 1980er, die Gegenwart, die letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges. Man lernt Asa als junges Mädchen kennen, dann als rebellische Teenagerin, als liebende Mutter, als Rächerin.
"Asa" bietet nicht nur eine Story, es sind vielmehr Geschichten innerhalb einer Geschichte. Und alles dreht sich dabei um "Die Prüfung", einen Test, der "die Gemeinschaft" formen soll, sie stärken soll gegen die Unwägbarkeiten außerhalb. Die Prüfung geht auf die Kolberts zurück, einst in einem schlesischen Dorf heimisch, dann flüchtend und in der Uckermark landend. Hinfallen, aufrappeln, weitermachen. Gegen alle Unwägbarkeiten, gegen jeden Widerstand. Was zählt, ist die Gemeinschaft. Nicht die Familie.
Das merkt Asa, als ihr Vater auf einer Wanderung vor ihren Augen stirbt. Ein Scharfschütze hat ihn auf’s Korn genommen. Angeheuert haben ihn die Eltern, Asas Großeltern. Für Asa bricht eine Welt zusammen. Und auch wieder nicht. Denn ihr Vater hat sie vorbereitet, trainiert. Und so beginnt Asa ihren Rachefeldzug, der allerdings Jahrzehnte braucht, um umgesetzt zu werden. Kaltblütig. Präzise.
"Die Welt dreht sich an dir vorbei"
Währenddessen und zwischendurch lernt man "den Grichen" kennen, "den Paten", "Port Paris", "Jasper", "das Traumpaar" und die ganze Kolbert-Sippe, samt deren düsterer Psychosen kennen. Man wird ein Teil der Naturidylle Norwegens, versucht von einer absolut unmenschlichen Insel im Atlantik zu fliehen und sich unter die Eisdecke eines Sees nahe Prenzlau zu flüchten. Genau dorthin hat es Asa einst verschlagen, als sie während der Prüfung vor den Jägern flüchtete, um nicht deren Beute zu werden.
Minutenlang beobachtet sie das Geschehen über der Eisdecke, blickt auf die verschwommenen Schatten ihrer Häscher. Asa ist nackt, eins mit der Natur. Auftauchen muss sie dennoch irgendwann. Sie stellt sich tot, die Jäger fischen das Mädchen aus einem Eisloch, sehen den Stein in Asas Hand zu spät. Aber es sind zu viele.
"Sei ohne Furcht, sonst frisst dich die Nacht"
Asa merkt sich jedes Gesicht. Aus gutem Grund: Während der Prüfung kam eine Unschuldige ums Leben. Es war nicht das erste Opfer der Prüfungen - und auch nicht das letzte. Statt eine Gemeinschaft zu formen, stärkt die Prüfung nur Asas Willen, das Ganze abzuschaffen. Doch die bereits über Jahrzehnte dauernde Tradition hat machtvolle Fürsprecher. Politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich.
Rund 18 Stunden umfasst das von Kultsprecher Uve Teschner gelesene Hörbuch. Teschner, der nicht nur Thriller und Agenten-Epen (die Frederick-Forsyth-Werke), sondern auch Fantasy kann, ist bei "Asa" voll in seinem Element. Seine Stimme ist es, die für Gänsehaut sorgt, als in den Endzügen des Zweiten Weltkrieges ein russischer Trupp in das Dorf in der Uckermark einrückt und die Bewohner vom Erdboden tilgen will. Seine Stimme sorgt auch für die Tränen und Schreie, die rauswollen, als ein Mädchen sich für die restlichen Kinder des Dorfes "opfert". Spätestens da weiß man, was es heißt, dass die Hölle geöffnet und die Dunkelheit auf dem Weg ist. Wappnen Sie sich, lernen Sie durch "Asa"!
Quelle: ntv.de