Musik

"Ich kann viel zurückgeben" Fetsum will mal kurz die Welt retten

Fetsums Engagement geht weit über das Übliche hinaus. Er investiert ganz einfach in die Zukunft, sagt er.

Fetsums Engagement geht weit über das Übliche hinaus. Er investiert ganz einfach in die Zukunft, sagt er.

(Foto: Foto: Stefan Botev)

Fetsum ist seit seinem Debutalbum im Sommer 2012 ("The Colors Of Hope") ein Künstler geworden, der mit seiner Musik und seiner Erfahrung auch gesellschaftlich etwas verändern und bewegen will. Mit dem von ihm ins Leben gerufenen und veranstalteten "Peace x Peace"-Festival in Berlin setzt Fetsum Sebhat ein dickes Ausrufezeichen hinter sein Engagement für eine gerechtere, sozialere und friedlichere Welt. So gesehen verwundert es auch nicht, dass der Sohn einer eritreischen Flüchtlingsfamilie zusammen mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth, soeben ein Buch zur aktuellen politischen Hochwetterlage geschrieben hat ("So geht Deutschland - Eine Anstiftung zum Mitmachen und Einmischen"). Da könnte man fast glauben, dass kaum noch Zeit bleibt, Musik zu machen. Doch kurz vor Weihnachten erscheint nun seine neuste EP namens "Light In A Dark Place". Auch bei diesem Projekt soll der Reinerlös (wie beim "PxP"-Festival) in Zusammenarbeit mit UNICEF Kinder-Hilfsprojekten in Syrien, im Südsudan, in der Ukraine und im Irak zugutekommen. Einer der wohl wichtigsten Songs, die der Wahl-Berliner in seiner gesamten Karriere bisher geschrieben hat, ist "Refugee". Geholfen haben ihm dabei der britische Komponist Guy Chambers (Robbie Williams, James Blunt) und der schwedische Produzent Martin Terefe. Für "Stop For A Minute" hat Fetsum einen ganzen Chor in die Funkhaus Studios Berlin eingeladen hat und das Ganze von Grammy-Gewinner Manny Marroquin abmischen lassen. Mit "Light In A Dark Place" ist Fetsum das gelungen, was bisher nur wenigen Künstlern geglückt ist: Musik zu machen, die den Zeitgeist widerspiegelt, uns auffordert, aus dieser Welt einen besseren Ort zu machen, und die trotzdem tanzbar, soulig, schön ist. Mit n-tv.de spricht er darüber, was ihn antreibt: "Ich habe in meinem Leben viel bekommen", sagt Fetsum. "Nun kann ich viel zurückgeben."

n-tv.de: Wie geht's dir, so kurz vor Weihnachten?

Fetsum: Für mich war es wichtig, dass ich dieses Jahr musikalisch abschließe. Deswegen habe ich im Soho-Haus einen kleinen Gig gegeben, und alle sind gekommen. Das hat mich sehr glücklich gemacht.

Wir kommen nur "Peace x Peace" weiter.

Wir kommen nur "Peace x Peace" weiter.

(Foto: Fetsum_3_StefanBotev.jpg)

Du hast dein "Mini-Album" präsentiert, oder?

Ja, das ist so ein Zwischenschritt. Es sind sechs Songs, und im nächsten Jahr kommt dann das Album. Dieses Jahr war so ereignisreich für mich, dass ich unbedingt eine musikalische Note ans Ende setzen wollte. Allerdings auch wieder zweckgebunden: Den Reinerlös aus wollen wir wieder an UNICEF spenden.

Wovon lebt ein Künstler denn aber bitte, wenn er den kompletten Reinerlös spendet?

(lacht) Ich hab' reiche Freunde! Nein, Quatsch, es ist wie bei dem Festival ("Peace x Peace"), da haben die Künstler auch umsonst gespielt. Es geht mir um das Signal: Wir Menschen sollten tun, was wir können, um anderen zu helfen. Wenn ich das jetzt mache, heißt das ja nicht, dass ich nie wieder Geld verdienen muss oder möchte, aber es ist mir eine Herzensangelegenheit, quasi eine Investition in die Welt der Zukunft.

Trittst du mit der Einstellung auch an andere Kollegen heran? Man würde ja gerne mehr hören von Künstlern, die sich engagieren.

Fetsum

Fetsums Eltern waren Freiheitskämpfer in Eritrea. Seine Mutter war gerade mal 16, als sie im Krieg verletzt wurde, im vierten Monat schwanger. Zur medizinischen Behandlung wird sie nach Kairo ausgeflogen, dort kommt Fetsum zur Welt. Die Familie reist weiter nach Rom, eine italienische Familie hilft den Geflohenen. Dann ziehen sie nach Stuttgart weiter, dort lebt eine Tante. Hier lernt Fetsum die Hip Hop Szene kennen, er trifft Massive Töne, Max Herre und seine Band Freundeskreis. Später lernt er Patrice kennen, den internationalen Reggae-Star. Sie werden Freunde, Fetsum spielt ihm englische Songs vor. Sein musikalisches Talent spricht sich schnell herum, Fetsum bricht sein Studium der Politikwissenschaften ab, er steht nun als Sänger auf der Bühne, geht mit Künstlern wie Estelle, Söhne Mannheims und Peter Fox auf Tournee.

Nach dem beeindruckenden Peace x Peace Festival in der Waldbühne ist Fetsum gefragter denn je. Der ruhige, bescheidene und nachdenkliche Künstler, der sich politisch so klar positioniert und engagiert, wird in Talkshows und Diskussionsrunden eingeladen, erhält einen Bundesverdienstorden und schreibt ein Buch mit Claudia Roth.

Er beschließt dieses politisch für ihn so ereignisreiche Jahr 2016 musikalisch zu beenden. Die Songs auf der im Dezember erscheinenden EP "Light In A Dark Place" sind in London und Los Angeles in Kooperation mit den Songwritern und Produzenten von Künstlern/-innen wie Adele, Jason Mraz, Robbie Williams, Alicia Keys, Eric Clapton und Gary Clark Jr. entstanden. Der Reinerlös aus dem Verkauf der EP wird ebenfalls an UNICEF gespendet. Das Album folgt 2017.

Findest du, dass sich zu wenige geäußert haben? Also auf dem Festival wie gesagt waren alle ohne Gage. Das waren Leute wie Beatsteaks, Max Herre, Cro, Seed, Joy Denalane, Namika, Aloe Blacc - der kam extra für einen Tag aus L.A. angeflogen, auf eigene Kosten, hat einen lukrativen Gig abgesagt, mir fallen ganz viele ein! Campino kam noch dazu. Und guck mal, wie Jennifer Rostock sich engagieren, Pierre von Seed hat zwei Syrer bei sich aufgenommen, Sarah Connor hat eine Familie aufgenommen, es gibt schon Künstler, die was tun. Aber du hast schon recht, es sind immer die üblichen Verdächtigen, man hätte sich auch mal mehr Action aus der Schlagerecke gewünscht.

Ich wollt' nix sagen  …

... ja doch, stimmt ja, die finden in einem anderen Bereich schließlich auch sehr breitenwirksam statt, da erreicht man nochmal ganz andere Leute. Musikantenstadl, Andrea Berg und Helene Fischer, die könnten auch mal was sagen. Aber es gibt ja noch mehr, auch Comedians, die sich engagieren, der Michael Mittermeier, oder der Dieter Nuhr, die positionieren sich. Und dann dürfen wir nicht vergessen: Künstler sind auch nur Menschen! Manche können das eben, andere finden sich nicht politisch genug, um sich zu äußern.

Du planst bereits das nächste Festival, oder?

Ja, so ganz langsam (lacht)

Du hast den Verdienstorden des Landes Berlin erhalten für deinen Einsatz: Was macht so was mit einem, macht das stolz?

Ich hab' den ja nicht allein bekommen, und das war auch nie das Ziel. Aber: Dass ich den Orden erhalten habe ist natürlich schmeichelhaft, und ein Ansporn. Es ist eine gesellschaftliche Auszeichnung, und ich freu' mich, aber die Energie und die Geisteshaltung kommt von woanders. Ich möchte aber betonen, dass ich nur das mir mögliche machen kann, wir brauchen noch vielmehr Engagement anderer Menschen. Wir haben mit diesem einen Event natürlich nicht die Welt gerettet, aber wir können Menschen inspirieren. Das ist auch die Aufgabe, die Musik hat.

Hast du das Gefühl, dass die Welle der Hilfsbereitschaft Flüchtlingen gegenüber gerade nachgelassen hat?

Nee, eigentlich nicht, ich denke nur, dass sie leiser geworden ist. Das geht dezenter ab, nicht so laut wie ein Wutausbruch, und es ist ja etwas, das sowieso getan werden muss, da ist nicht ständig ein Spot drauf. Und dann hat die Welt ja tatsächlich auch noch andere Probleme. Jetzt fanden die Debatten in den letzten Monaten in und über die USA statt, da rücken andere Themen in den Hintergrund, ist doch ganz klar. Schön ist für einen Zweckoptimisten wie mich, dass wir daraus etwas lernen können, hoffentlich. Ich hoffe, wir bleiben jetzt nicht wie ein Reh, das in aufgeblendete Scheinwerfer guckt, schockstarr stehen. Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Wir brauchen weitere, geilere Ideen. Und wir müssen den jungen Leuten klar machen, dass man mitmachen muss. Dass man an einer Gesellschaft arbeiten, feilen kann. Das ist kein Fertigprodukt, so wie wir leben. Man kann Vorschläge machen, wir brauchen Ideen, "ihr könnt mitmachen" ist die Message.

Gilt das denn auch für Flüchtlinge?

Naja, ein Geflüchteter muss erstmal ankommen, dann muss er Teil dessen werden, was da neu um ihn herum ist, und dann muss er natürlich auch mitmachen, sich integrieren. Aber es ist ja nicht so leicht, Teil einer Gesellschaft zu werden. Ich kenn' das …

Du warst selbst ein Flüchtling …

"I'm a Refugee - without you in my life." Wie schön und wie wahr!

"I'm a Refugee - without you in my life." Wie schön und wie wahr!

Ja, ich bin in Kairo geboren, dann bin ich mit anderthalb nach Rom gekommen und mit vier waren wir dann in Deutschland. Wir hatten Glück, weil wir eine tolle Familie kennen gelernt haben, die uns aufgenommen hatte. Ein junger Arzt, wir sind noch heute Familie. Wie Blutsverwandtschaft. (lacht)

Die beste aller Arten, wenn man in ein fremdes Land kommt, oder?

Ja, wir hatten schon Glück, das ist richtig, aber theoretisch ginge das jetzt auch. Es ist ja nicht so, dass die Flüchtlingsproblematik uns jetzt überrascht. Die Frage ist doch bei allem: sehen wir uns als Teil einer Welt? Oder sehen wir nur, was in unseren deutschen Grenzen hier passiert? Und außerdem: Es wollen doch gar nicht alle hierbleiben. Die meisten wollen wieder nach Hause, wenn es nur irgendwie gehen würde. Sie wollten doch nicht fliehen. Sie warten ab, das ist auch menschlich. Und einige finden sich mit der Realität besser ab, die packen dann mit an. Und nicht vergessen darf man den Kulturunterschied, das ist ganz wichtig. Aber: ich bin einer von denen, denen geholfen wurde. Und jetzt kann ich sagen: ich repräsentiere Deutschland. Vor allem wenn ich im Ausland bin, dann repräsentiere ich Deutschland. Jemand, der mich im Ausland kennenlernt, wird kein schlechtes Bild von Deutschland bekommen.

Mit Fetsum sprach Sabine Oelmann

"Light In A Dark Place" downloaden

FETSUM "Light In A Dark Place" Tour 2017

FR 27.01.2017 Stuttgart - Wizemann

SA 28.01.2017 Hamburg - Mojo Club //  mit Aftershow Party

SO 29.01.2017 Berlin - Heimathafen // mit Aftershow Party

Quelle: ntv.de

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