Panorama

Hochwasser in Deutschland Das Bangen ist noch nicht vorüber

Gassi im Wasser: In Passau verharrte die Donau zuletzt knapp unter der Marke von 8,50 Metern, ab der die höchste Hochwasserstufe gilt.

Gassi im Wasser: In Passau verharrte die Donau zuletzt knapp unter der Marke von 8,50 Metern, ab der die höchste Hochwasserstufe gilt.

(Foto: dpa)

Viele helfende Hände beseitigen bereits Schlamm und Trümmer. Auch in Bayern und an der Steinbachtalsperre entspannt sich die Hochwasserlage. Doch die Zahl der Todesopfer steigt weiter.

Während im Westen Deutschlands vorerst keine akute Unwetter-Gefahr mehr besteht, richten sich weiterhin bange Blicke auf einige Orte, in denen die Flut noch zuschlagen könnte. So kann etwa an der Steinbachtalsperre in Euskirchen ein Dammbruch nicht ausgeschlossen werden. Bundsinnenminister Horst Seehofer will sich heute ein Bild der Lage vor Ort machen.

Die Hochwasserlage in Bayern hat sich am Montag deutlich entspannt. Da es keine relevanten Niederschläge mehr gegeben habe und auch in den kommenden Tage keine relevanten Flächenniederschläge geben werde, sei von einer weitergehenden Entspannung auszugehen, teilte der Hochwassernachrichtendienst Bayern mit. "Die Wellen laufen ab", hieß es im Lagebericht des Warndienstes. An der Donau verläuft der Scheitel der aktuellen Hochwasserwelle derzeit demnach bei Neuburg. Dort gilt derzeit die Meldestufe drei, die im Tagesverlauf auch für Ingolstadt und Kelheim erwartet wird.

Die zweithöchste Meldestufe drei bedeutet, dass einzelne bebaute Grundstücke oder Keller überflutet werden können und auch einzelne überörtliche Straßen. An allen anderen bayerischen Flüssen sind die Meldestufen bereits niedriger. Auch im Landkreis Berchtesgadener Land entspannte sich die Lage. Die Nationalparkverwaltung warnte in der bei Touristen beliebten Region allerdings vor Unternehmungen. Zahlreiche Forststraßen, Wege und Steige seien unpassierbar. Im gesamten Gebiet sei mit Wegeschäden, Erosionen, Unterspülungen, Muren, Steinschlag oder akuten Gefahren durch umstürzende Bäume zu rechnen. Die Schifffahrt auf dem Königssee blieb eingestellt.

Experten bewerten die Lage an der Steinbachtalsperre

Die Zahl der bestätigten Todesopfer in Deutschland stieg auf mehr als 160. Im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz sind nach Polizeiangaben inzwischen 117 Todesopfer zu beklagen, in Nordrhein-Westfalen starben 46 Menschen. Zudem kam mindestens eine Person in Oberbayern ums Leben. Nach der schwersten Hochwasserkatastrophe in Deutschland seit Jahrzehnten liegen viele Häuser, Straßen und Brücken in Trümmern.

In dem vom Hochwasser besonders stark geschädigten Erftstadt bildet die Abbruchkante auch weiterhin ein Risiko. Zwar sei die Kiesgrube hinter dem Ortsteil Blessem weiträumig abgesperrt, sagte die Bürgermeisterin der nordrhein-westfälischen Gemeinde, Carolin Weitzel, am Montag im WDR 2. "Ein weiteres Nachrutschen von Erdmassen ist jedoch jederzeit möglich." Die betroffenen Stadtteile würden permanent mit Drohnen überwacht. Gleichzeitig liefen geologische Untersuchungen. "Sobald der Ort als begehbar eingestuft wird, beginnen Prüfungen der Statik", sagte Weitzel. Im Ortsteil Blessem besteht in der Nähe der Abbruchkante akute Lebensgefahr. Unter Hochdruck und Einsatz sämtlicher verfügbarer Ressourcen laufe auch die Suche nach Vermissten, berichtete die Bürgermeisterin.

Im Westen Deutschlands will sich Seehofer vor Ort ein Bild von der Arbeit des Technischen Hilfswerks (THW) machen. Es ist dem Bundesinnenministerium unterstellt. Die Organisation hat den Angaben zufolge 2500 Helferinnen und Helfer in den Hochwassergebieten im Einsatz, um Menschen in Sicherheit zu bringen, Keller abzupumpen, die Stromversorgung sicherzustellen und um Schuttberge abzutragen. Am späten Vormittag wird Seehofer an der Steinbachtalsperre im nordrhein-westfälischen Euskirchen erwartet. Der Damm an der seit Tagen bedrohten Talsperre hielt den Wassermassen bis zum Morgen stand. Die Feuerwehr Euskirchen trat Gerüchten entgegen, der Damm sei gebrochen. Die unterhalb der Steinbachtalsperre evakuierten Ortsteile Schweinheim, Flamersheim und Palmersheim sollen im Tagesverlauf für die Einwohner wieder zugänglich sein. "Die Steinbachtalsperre ist sicher. Es besteht aber weiterhin ein Betretungsverbot für die Ortsteile", teilten Kreis und Stadt Euskirchen mit. "In Kürze informieren wir Sie darüber, wann die Bewohner im Laufe des Tages in ihre Ortschaften zurückkehren können." Die Ortschaften waren am Donnerstag geräumt worden, weil die vollgelaufene Talsperre nach Einschätzung der Bezirksregierung zu brechen drohte.

Die Bahnstrecke von Dresden nach Prag ist nach Bergungsarbeiten infolge heftiger Unwetter zumindest eingleisig wieder befahrbar. Und im Laufe der Woche soll auch die Schifffahrt auf dem Rhein bei Speyer und Karlsruhe wieder freigegeben werden.

Gegen Mittag will Seehofer nach Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz fahren, um ein Krankenhaus zu besuchen. Dort hat das THW eine Trinkwasseraufbereitungsanlage installiert, damit das Krankenhaus weiterhin das nötige Trinkwasser bekommt. Dies war nötig geworden, nachdem die Wassermassen die Leitungen im Umfeld der Klinik beschädigt hatten.

Wie funktional ist der Katastrophenschutz?

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier fordert unterdessen Aufklärung darüber, ob der Katastrophenschutz ausreichend funktioniert hat. "Es muss, sobald wir die unmittelbare Hilfe geleistet haben, auch geschaut werden: Gibt es Dinge, die nicht gut gelaufen sind, gibt es Dinge, die schief gelaufen sind? Und dann muss korrigiert werden", sagte der CDU-Politiker bei "Bild live". "Es geht nicht um Schuldzuweisungen, es geht um Verbesserungen für die Zukunft." Der Leiter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, verteidigte den Katastrophenschutz gegen Kritik. "Unsere Warninfrastruktur hat geklappt im Bund", sagte Schuster am Sonntagabend im "Heute Journal" des ZDF. "Der Deutsche Wetterdienst hat relativ gut gewarnt." Das Problem sei, dass man oft eine halbe Stunde vorher noch nicht sagen könne, welchen Ort es mit welcher Regenmenge treffen werde. Über Warn-Apps seien 150 Warnmeldungen verschickt worden. Wo die Menschen in den Hochwassergebieten durch Sirenen gewarnt worden seien und wo nicht, könne er im Moment nicht sagen.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul sagte in der Sendung, man werde darüber nachzudenken haben, wie man Warnsysteme verbessern könne und wie man jene erreichen könne, die keine App hätten. Auch bei der Koordination der Katastrophenhilfe sei "wahrscheinlich noch einiges zu tun". Eine Zentralisierung des Katastrophenschutzes in Berlin lehnt der CDU-Politiker aber ab. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sieht hingegen schwere Versäumnisse beim Bevölkerungsschutz. "Die rechtzeitigen Warnungen der Meteorologen sind weder von den Behörden noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinreichend an die Bürgerinnen und Bürger kommuniziert worden", sagte Theurer. "Es bietet sich das Bild eines erheblichen Systemversagens, für das der Bundesinnenminister Seehofer unmittelbar die persönliche Verantwortung trägt."

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach befand: "Beim Katastrophenschutz sind wir genauso schlecht vorbereitet wie beim Pandemie-Schutz." Der "Rheinischen Post" sagte Lauterbach: "Wir müssen uns jetzt darauf einstellen und vorbereiten, dass es in Zukunft mehr Naturkatastrophen geben wird und auch regelmäßig Pandemien. Die Infrastruktur dafür muss geschaffen und ausgebaut werden, der Katastrophenschutz hat hier eine zentrale Bedeutung."

Quelle: ntv.de, chl/ino/dpa/AFP

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