Politik

Das Massaker von Katyn Als der NKWD Tausende Polen ermordete

Deutsche Offiziere 1943 am geöffneten Massengrab in Katyn. Rund 6 Millionen Polen starben im Zweiten Weltkrieg.

Deutsche Offiziere 1943 am geöffneten Massengrab in Katyn. Rund 6 Millionen Polen starben im Zweiten Weltkrieg.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Es bleibt ein polnisches Trauma: Im Frühjahr 1940 ermordete der sowjetische Geheimdienstes NKWD 22.000 Offiziere und Angehörige der Elite Polens. Bis heute belastet das Massaker Warschaus Verhältnis zu Russland.

Wenn die Polen am katholischen Feiertag Allerseelen die Gräber ihrer Toten besuchen, dann brennen auch vor dem Denkmal für die Toten von Katyn auf dem Warschauer Militärfriedhof Powazki Hunderte Grablichter. Auch 75 Jahren nach der Ermordung von 22.000 polnischen Offizieren, Polizisten und Zivilisten in Katyn, Charkow und anderen Orten bleibt die Erinnerung an den Massenmord lebendig. Das Verbrechen im Auftrag Stalins überschattet bis heute das Verhältnis vieler Polen zu Russland.

Katyn, das ist auch die im Westen oft unbekannte Seite des Zweiten Weltkriegs in Polen, das nicht nur vom nationalsozialistischen Deutschland überfallen und besetzt wurde, sondern auch von sowjetischen Truppen, die am 17. September 1939 in Ostpolen einmarschierten. Die Aufteilung Polens war im geheimen Zusatzprotokoll des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes vereinbart worden. Offiziell wurde der Einmarsch der Roten Armee mit dem Schutz der ukrainischen und weißrussischen Minderheit in Ostpolen begründet.

Tausende Polen gerieten in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Im Frühjahr 1940 gab es plötzlich keinen Kontakt mehr zu den Angehörigen - keine Briefe, keine Karte aus dem Lager, kein Lebenszeichen. Die schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt, als deutsche Truppen im April 1943 im Waldgebiet von Katyn bei Smolensk auf Massengräber mit den Überresten der polnischen Offiziere stießen. Für Nazi-Deutschland war die Entdeckung des Massakers eine willkommene Gelegenheit, die Sowjetunion eines Kriegsverbrechens anzuklagen und einen Keil zwischen die Alliierten zu treiben. Die Sowjetunion sprach hingegen von einer Propagandalüge: Die Deutschen selbst hätten die Polen während ihres Überfalls auf die Sowjetunion im Sommer 1941 ermordet.

Das blieb jahrzehntelang die offizielle Darstellung des Massakers nicht nur in der Sowjetunion, sondern auch im kommunistischen Polen, wo Katyn ein Tabuthema war. Erst der Moskauer Präsident Michail Gorbatschow räumte 1990 die Schuld der Sowjetunion ein, sein Nachfolger Boris Jelzin übergab den polnischen Behörden unter anderem den von Stalin unterschriebenen Befehl zur Ermordung der Polen durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD.

"Verbrechen gegen das ganze polnische Volk"

"Das war ein Verbrechen gegen das ganze polnische Volk", sagt Lukasz Kaminiski, Präsident des Polnischen Institut des Nationalen Gedenkens (IPN). Es seien schließlich nicht nur Offiziere ermordet worden, sondern auch Lehrer, Rechtsanwälte oder Ärzte. "Die Morde waren nur der Beginn, auch die Familien der Ermordeten wurden Opfer von Repressionen, wurden nach Sibirien deportiert und im kommunistischen Polen schikaniert."

Das IPN, das für die Aufarbeitung kommunistischer und nationalsozialistischer Verbrechen zuständig ist, ermittelte wegen Völkermords. Im Oktober 2013 scheiterten Angehörige mehrerer Katyn-Opfer mit dem Versuch, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen Russland zu klagen, um Akteneinsicht und die Bekanntgabe der Namen der Täter zu erzwingen. Hilfe für die polnischen Ermittler, aber auch für die Familien gebe es dagegen von der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial", betont der IPN-Historiker Andrzej Friszke. "Dass die Liste der Opfer und des Orts ihrer Gräber immer vollständiger wird, verdanken wir den Mitarbeitern von Memorial und ihrer Forschungsarbeit."

Doch auch wenn die Morde von Katyn in Polen lange ein nationales Trauma waren - das Massaker dominiert nicht mehr die Haltung zu Russland. Nach einer Untersuchung des Zentrums für polnisch-russischen Dialog und Verständigung, in dessen Vorstand auch der ehemalige polnische Außenminister Adam Rotfeld ist, sehen derzeit nur zwei Prozent der Polen ihre Meinung über Russland von Katyn geprägt - 21 Prozent nennen inzwischen den Konflikt in der Ukraine.

Quelle: ntv.de, Eva Krafczyk, dpa

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