Im Zeichen des Atomkonflikts Das sind die Friedensnobelpreis-Favoriten
06.10.2017, 06:35 UhrWelcher der 318 nominierten Personen oder Organisationen wird der Friedensnobelpreis verliehen? Dieses Jahr tippen viele auf Preisträger, die im Nordkorea-Konflikt ein Signal sein könnten. Doch auch ein paar Altbekannte sind wieder dabei.
Wer bekommt dieses Jahr den Friedensnobelpreis? Die Kandidatenlisten sind zwar streng geheim. Doch einige Namen sind, wie jedes Jahr, auch 2017 schon vorab im Gespräch. Für den Friedensnobelpreis - im vergangenen Jahr erhielt ihn der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos für seine Friedensbemühungen im Konflikt mit der Farc-Guerilla – gibt es dieses Jahr insgesamt 318 Nominierungen. Darunter sind 215 Einzelpersonen, der Rest sind Organisationen.
Auch US-Präsident Donald Trump, der russische Staatschef Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sind unter den Anwärtern – allerdings wohl ohne Erfolgsaussichten. Klare Favoriten gibt es nicht. Einige Tipps stehen aber besonders hoch im Kurs:
Federica Mogherini und Mohamed Dschawad Zarif: Die EU-Außenbeauftragte und der iranische Außenminister sind die Architekten des Atomabkommens mit dem Iran. Angesichts der aktuellen Spannungen mit Nordkorea sei es "sehr wichtig, Initiativen zu unterstützen, die sich gegen die Entwicklung und Weiterverbreitung von Atomwaffen einsetzen", glaubt Henrik Urdal vom Friedensforschungsinstitut in Oslo. Das Abkommen mit dem Iran war Anfang 2016 nach jahrelangen Verhandlungen in Kraft getreten. Aktuell ist das Schicksal des Abkommens ungewiss - US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Aufkündigung gedroht.
International Campaign to Abolish Nuclear Weapons – ICAN: Die Organisation ist ebenfalls wegen des schwelenden Konflikts zwischen den USA und Nordkorea ein heißer Anwärter auf den Preis. Dan Smith, Chef des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, sagt: "Es wäre angemessen, wenn der Preis an eine Gruppe oder eine Person ginge, die sich für nukleare Abrüstung einsetzt." Und genau das ist die Mission von ICAN seit 2007. Die Kampagne wurde von IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs) ins Leben gerufen und engagierte sich in den vergangenen Jahren für die UN-Verhandlungen für einen Atomwaffenverbotsvertrag.

Retter der "Syria Civil Defence", der sogenannten Weißhelme, im Einsatz.
(Foto: picture alliance / Syria Civil D)
Syrische Weißhelme: Die Organisation setzt sich für Zivilisten im syrischen Bürgerkrieg ein. Rund 3000 Freiwillige retten Opfer aus Trümmern und leisten humanitäre Ersthilfe – oft unter Einsatz ihres Lebens. Die Weißhelme haben mit George Clooney und Ben Affleck prominente Unterstützer. Im vergangenen Jahr waren die Syrischen Weißhelme bereits unter den Favoriten, gingen aber leer aus. Wenige Tage zuvor hatte die Organisation allerdings den sogenannten Alternativen Nobelpreis der Right Livelihood Stiftung erhalten.
Denis Mukwege: Ebenfalls mit einem Alternativen Nobelpreis dekoriert ist der kongolesische Gynäkologe und Menschenrechtsaktivist Denis Mukwege. Er setzt sich für Frauen und Mädchen in seiner Heimat ein, die Opfer von Gruppenvergewaltigungen und Unterleibsverletzungen geworden sind. Doch sein Einsatz geht über medizinische Versorgung hinaus. Immer wieder appelliert er in Konflikten an die Kriegsparteien, nicht zu sexueller Gewalt zu greifen. Für sein Engagement ist er massiven Anfeindungen ausgesetzt. 2012 wurde ein Mordanschlag auf ihn verübt, an seiner Stelle starb einer seiner Mitarbeiter.
Raif Badawi: Der saudische Blogger ist seit fünf Jahren in seiner Heimat inhaftiert. In seinem Forum "Die Saudischen Liberalen" hatte er wiederholt die Religionspolizei des Landes kritisiert, die die dort übliche strenge Auslegung des Islams durchsetzte – eine ungeheuerliche Provokation. Im Mai 2014 erging ein Urteil wegen "Beleidigung des Islam" gegen ihn. Das Strafmaß: zehn Jahre Gefängnis und tausend Peitschenhiebe. Die Prügelstrafe, die in mehreren Runden vollstreckt werden sollte, wurde nach den ersten Hieben zwar ausgesetzt. Die von Badawi kritisierte Religionspolizei wurde im Frühjahr 2016 entmachtet. Der 33-Jährige sitzt aber unverändert in Haft. Badawi erhielt 2015 den Sacharow-Preis für geistige Freiheit.
Edward Snowden: Wie Mukwege und Badawi auch immer wieder genannt wird der Whistleblower Edward Snowden. Er hatte 2013 den NSA-Überwachungsskandal publik gemacht und flüchtete anschließend aus seiner Heimat, den USA. Dort droht ihm eine Haftstrafe wegen Geheimnisverrats. Er lebt derzeit in Russland, mit einer Aufenthaltserlaubnis, die zunächst bis 2020 gilt. Auch Snowden erhielt 2014 bereits den Alternativen Nobelpreis.
American Civil Liberties Union – ACLU: Einige Beobachter rechnen der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU größere Chancen aus. Die Aktivisten hatten sich gegen die von US-Präsident Donald Trump erlassenen Einreisestopps für Menschen aus mehreren muslimischen Ländern stark gemacht. Sie setzt sich aber auch gegen die Todesstrafe und Polizeigewalt ein – ein in den USA hochaktuelles Thema.
Can Dündar: Wohl allenfalls Außenseiterchancen hat der türkische Journalist Can Dündar. Er war Chefredakteur der Erdogan-kritischen Zeitung "Cumhuriyet" und könnte für das Blatt stellvertretend den Preis erhalten. Dündar lebt in Hamburg im Exil, in seiner Heimat wurde er in Abwesenheit wegen "Unterstützung einer bewaffneten Terrororganisation" zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Er steht exemplarisch für die Repressionen, denen Medien in der Türkei ausgesetzt sind.
Soweit die wichtigsten Namen, über die spekuliert werden. Immer wieder gab es in der Vergangenheit aber Überraschungen. So hatte 2012 kaum jemand die Europäische Union auf dem Zettel. Auch die Auszeichnung Barack Obamas im Jahr 2009 war unerwartet und heftig umstritten.
Quelle: ntv.de, jog