Politik

Wieduwilts Woche Ein Deal für Olafs Waschmaschine

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"You'll never walk alone": Scholz zitiert in der Bundespressekonferenz noch einmal die Stadionhymne.

(Foto: REUTERS)

"You'll never walk alone", "unterhaken", "die Bürger sind schlau": Der Bundeskanzler sendet simple Sprüche in die präpanische Republik, doch in der Regierung rumorte es nie lauter als jetzt.

Waschmaschinen können verblüffend unterhaltsam sein. Besonders alte Modelle geraten ab ein paar Hundert Umdrehungen ordentlich in Wallungen, hüpfen durch den Keller, bis sie das Stromkabel abreißen oder komplett auseinanderfliegen. Neben Katzenvideos sind die tobenden Haushaltsgeräte deshalb Stars in vielen Internetvideos.

Auch das Regierungsbündnis fährt derzeit im Schleudergang: Jeder verdächtigt den anderen des ideologischen Notlagenmissbrauchs, Tempolimit fordern die einen, Atomkraftausstiegausstieg die anderen, es wird lauter, hier und da klappert die Verkleidung.

Der Kanzler bemühte sich am Donnerstag noch einmal, das Lärmen mit Slogans zu übertönen: "You'll never walk alone", zitierte Scholz in der Bundespressekonferenz noch einmal die Stadionhymne, man müsse sich unterhaken, alles werde gut. Er umwickelt damit die immer stärker hüpfende Maschine. "Die Bürger sind schlau", lobt er uns zudem. Hält er uns nicht vielmehr für etwas simpel?

Macht der schlichten Lösungen

Tatsächlich profitiert der Kanzler nämlich - wie auch sein grüner Koalitionspartner - von der Macht der schlichten Lösungen. Der sozialdemokratische Kanzler und die mit ihm verbündeten Grünen setzen auf eine Illusion der politischen Öffentlichkeit: Das Einfache sei das Richtige. "Simplicity Bias" nennen das Psychologen. Das 9-Euro-Ticket ist deshalb prima, weil die Leute endlich viel Zug fahren statt Auto. Das stimmt nach ersten Untersuchungen freilich gar nicht, offenbar fahren sie eher zusätzlich Zug, die Klimabilanz fällt damit womöglich sogar schlechter aus.

Probieren Sie das mal mit Entlastung durch den Abbau der kalten Progression! Dass der Bundesfinanzminister den Vorschlag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" unterbreitete, wundert nicht - er braucht Platz und viele Zeilen. In der Zeit, in der der Liberale die relativen Entlastungen in den verschiedenen Einkommensgruppen auseinanderklamüsert, sagt ein Sozialdemokrat dreimal in Folge: "Mindestlohn! Billigtickets! Reichensteuer!"

Aber Scholz kennt sich aus. Er darf die eigenen Partner nicht marginalisieren, er weiß, wenn bei einer Waschmaschine die Gegengewichte fehlen, fliegt sie einem schnell um die Ohren. Als ihn eine Journalistin fragt, was denn nun mit der Übergewinnsteuer ist, sagt er kühl, das sei eine SPD-Forderung, die aber nicht von jedem Mitglied der Ampel mitgetragen werde.

Haut Scholz mit der Faust auf den Tisch?

Scholz muss alle Koalitionäre gleichermaßen glänzen lassen, das ist die Arithmetik dieser Regierung. Die Kritik aus der SPD an Lindners Entlastungsplänen ist denn auch verhältnismäßig müde: "Verbesserungsfähig", heißt es. Eine zerbrechende Regierung klingt dann doch anders.

Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz kann das freilich nicht gefallen. Seine Umfragewerte rutschen gerade tüchtig ab, er braucht ein Thema - und er hat jetzt eins gefunden: die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke. Die Deutschen haben es gern gemütlich, die Mehrheit möchte deutsche Kernkraftwerke weiternutzen, wie eine Umfrage ergab.

Noch besser, das Nukleare spaltet die Koalitionsparteien entlang der längst klaffenden Sollbruchstelle: Denn auch die FDP hat sich für einen Weiterbetrieb bis 2024 ausgesprochen. Bei der Partei flammt auch die Corona-Rebellion gerade wieder auf - und mit dem Abbau der kalten Progression wagt sie sich mit einem Themenvorschlag aus der Deckung, der nicht im Koalitionsvertrag steht.

Merz' gefährlicher Zug

Merz fordert den Kanzler also heute auf, für längere AKW-Laufzeiten seine verfassungsrechtliche Richtlinienkompetenz zu nutzen. Diese ist ein gewaltiger Hebel, und "es ist gut, dass ich sie habe", sagte Scholz. Tatsächlich wäre deren ausdrücklicher Gebrauch aber so souverän wie ein Faustschlag auf den Tisch, dass die Kaffeetassen hüpfen. Merz' Vorschlag ist daher, natürlich, vergiftet: Er will in die rotierende und klappernde Waschmaschine auch noch einen Ziegelstein werfen.

Es ist ein kluger, aber gefährlicher Zug. Merz weist auf einen groben Makel hin: Eine Regierung kann nicht Bürgern größte Opfer abfordern, aber selbst geringste ideologische Kompromisse scheuen. Eine andauernde Atomkraftdebatte gegen den Widerstand vor allem der Grünen könnte den Zusammenhalt in Regierung und Gesellschaft ernsthaft gefährden - und doch noch die Protestlust am rechten Rand entfachen.

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Räumt Scholz das Problem nicht ab und verlängert die Laufzeit, klingt "You'll never walk alone" bald nach Pfeifen im Walde. Vielleicht hülfe ja eine Art ideologische Schmerzverteilung: Die FDP bekommt die Laufzeit und die Grünen das Tempolimit. Die Parteien der Zitruskoalition müssten daran jeweils leiden. Sogar die Union hat signalisiert, sie würde bei diesem Deal mitmachen!

Und Olafs Waschmaschine, wie der Volksmund das Kanzleramtsgebäude ja gelegentlich nennt, liefe vorerst wieder ruhiger.

Quelle: ntv.de

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