Im Schatten des Krieges in der Ukraine wirkt die Landtagswahl im kleinen Saarland für Auswärtige vielleicht nicht besonders spannend. Doch der triumphale Wahlsieg der SPD hält Erkenntnisse bereit, die weit über das Flächenland im Südwesten hinausgehen.
1. SPD verbucht wichtigen Sieg
Vier Landtagswahlen stehen in diesem Jahr an. Gleich zur ersten gelingt es den Sozialdemokraten der rivalisierenden Union ein Bundesland abspenstig zu machen, Anke Rehlinger sei Dank. Zwar handelt es sich um das Kleinste der 13 Flächenländer, dafür wird es womöglich der einzige Parteiwechsel im Amt des Ministerpräsidenten im Jahr 2022. Bei den verbleibenden Wahlen - Schleswig-Holstein wählt am 8. Mai, Nordrhein-Westfalen am 15. Mai und Niedersachsen am 9. Oktober - sitzen die Amtsinhaber Umfragen zufolge deutlich fester im Sattel als der im Saarland gescheiterte Tobias Hans. Acht von 16 Länderchefs stellt die SPD mit Rehlinger. Dank ihrer absoluten Mehrheit verschiebt sie auch die Stimmverhältnisse im Bundesrat ein Stückchen weiter zum Vorteil der Ampelregierung im Bund. Die SPD wird nun mit ganzer Kraft versuchen, ihren Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty zum Wahlsieg in NRW zu verhelfen, auch wenn der in Umfragen hinter CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst zurückliegt. Gelingt das, war es ein sensationell erfolgreiches Wahljahr für die Kanzler-Partei.
2. Für Merz geht es erst im Mai richtig los
Der im Januar gewählte CDU-Chef hat viele Termine, aber zuletzt keine mehr im Saarland. Friedrich Merz will erkennbar nichts zu tun haben mit der sich abzeichnenden Niederlage von Tobias Hans und wahrt Distanz. Merz steigt erst im Mai richtig ein ins Wahljahr, auch wenn der aussichtsreiche Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Daniel Günther, als langjähriger Merkelianer eher nicht nach dem Geschmack des CDU-Parteichefs ist. Sollte aber eine Woche später Wüst gewinnen, der wie Merz aus den Trümmern der mehrjährigen Ränkespiele um die Merkel-Nachfolge hervorgegangen ist, würde das schon eher auf Merz' Konto einzahlen. Andererseits wäre der Unionsfraktionsvorsitzende Merz dann nur noch primus inter pares in seiner Partei - Erster unter Gleichen. Schließlich ist ein 46-jähriger NRW-Ministerpräsident immer auch ein potenzieller Kanzlerkandidat - erst recht in einer Oppositionspartei mit einem zur kommenden Bundestagswahl 70 Jahre alten Vorsitzenden. Soweit ist es aber noch nicht: Erst mal muss die neue CDU-Spitze das Saarland-Desaster von der Bundespartei fernhalten.
3. Die Linke schrumpft und schrumpft und...
Hätte es noch eines Sargnagels bedurft für die Saar-Linke, dann war es der grollende Austritt der langjährigen Saar-Ikone Oskar Lafontaine. Aus Frust über interne Intrigen hat der Mitbegründer der Linken seiner Partei den Rücken zugekehrt. Nun ist sie aus dem Landtag geflogen. Damit ist Hessen das letzte Flächenland in der alten Bundesrepublik, in dem die Linke noch im Landtag vertreten ist. Hinzukommen die Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Dass die immer weiter zur reinen Ostpartei schrumpfende Linke in den anstehenden drei Wahlen in einen Landtag neu einziehen könnte, zeichnet sich nicht ab. Es sieht düster aus für die einzige Bundestagspartei links der Regierungskoalition, wovon vor allem die SPD profitiert. So war es bei der Bundestagswahl und so ist es im Saarland.
4. Professionalität lohnt sich
Die Saarland-Wahl ist eine von bundesweiten Trends eher unberührte Wahl. Es geht um regionale Themen und um die beiden Bewerber auf das Ministerpräsidentenamt. Wenn es aber eine universelle Lehre gibt, dann vielleicht die Bestätigung der Bundestagswahlmaxime von SPD-Chef Lars Klingbeil: Die Wählerinnen und Wähler schätzen Seriosität, Zuverlässigkeit und Erfahrung. Grüne, FDP, AfD und Linke sind hinter ihrem Wählerpotenzial zurückgeblieben, weil sie in der Vergangenheit, wenn überhaupt, Negativschlagzeilen produzierten. Grüne, Linke und AfD machten immer wieder mit internen Querelen von sich reden. Der FDP fehlt es an personeller Kontinuität, Spitzenkandidatin Angelika Hießerich-Peter ist selbst noch neu in der Politik. Ein wenig Stabilität und Professionalität reichen demnach schon, um ein Mindestmaß an Erfolg sicherzustellen. So aber bescheren die Kleinen der SPD immense Stimmenzuwächse.
5. Auch Populismus muss man(n) können
Ein Selfie-Video soll Tobias Hans' Wahlkampf Aufschwung verleihen, doch das geht mächtig nach hinten los: Im Stile des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj filmt sich Hans am 8. März vor einer Tankstelle und beklagt die hohen Dieselpreise. Das wirkt pietätlos. Die Preise träfen "nicht nur Geringverdiener, sondern das trifft die vielen fleißigen Leute", sagt Hans. Das mag ein Versprecher sein, lässt aber dennoch tief blicken. Hans' Aufruf, ihn zu unterstützen, damit er der Bundesregierung Druck machen könne, wirkt verzweifelt: Hier macht einer offenbar Stimmung mit den Problemen der Menschen zum vermeintlich eigenen Vorteil. Hans' Erbe könnte sein, dass dieser Clip zum Lehrvideo eines jeden Wahlkämpfers wird, wie man es nicht machen sollte. Dass hernach die SPD ihre Vize-Bundesvorsitzende Rehlinger die Beschlüsse der Ampel zur Energiepreis-Entlastung verkünden lässt, setzt dem ganzen die Krone auf.
Quelle: ntv.de