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Paus beklagt Verzögerung Gewalthilfegesetz: Viel Einigkeit, aber zu wenig Geld

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Paus wirft Lindner vor, das Gewalthilfegesetz verzögert zu haben.

Paus wirft Lindner vor, das Gewalthilfegesetz verzögert zu haben.

(Foto: picture alliance/dpa)

Dass Frauen in Deutschland besser vor Gewalt geschützt werden müssen, darüber besteht Einigkeit im Bundestag. Streit und Vorhaltungen gibt es dennoch. Familienministerin Paus tritt gegen Ex-Finanzminister Lindner nach, andere Parlamentarier beklagen zu wenig Geld. BSW und AfD haben ganz andere Sorgen.

Alle im Bundestag vertretenen Fraktionen sind sich einig, dass von Gewalt betroffene Frauen in Deutschland bessere Hilfsangebote brauchen. Ob dazu noch vor der für Februar erwarteten Neuwahl ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wird, ist aber fraglich, wie eine ausschließlich von Parlamentarierinnen geführte Debatte dazu im Bundestag gezeigt hat.

Ein Gesetzesentwurf von SPD und Grünen sieht ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt vor. Zudem soll die Prävention gestärkt werden. Das sogenannte Gewalthilfegesetz war vergangene Woche vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Konkret sieht es ab 2030 für Opfer geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe vor. Bis dahin soll das Hilfesystem ausgebaut werden - dazu zählen insbesondere mehr Frauenhäuser, Schutzwohnungen und Beratungsstellen. Hintergrund sind steigende Zahlen von Gewalttaten gegen Frauen und im häuslichen Umfeld.

Im vergangenen Jahr wurden 360 Frauen und Mädchen in Deutschland wegen ihres Geschlechts getötet. "Dieses Gesetz wird sicherstellen, dass Frauen die Hilfe bekommen, die sie brauchen", sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Der Gesetzentwurf werde die Situation von Frauen und Mädchen "spürbar verbessern".

Paus sieht Schuld für Verzögerung bei Christian Lindner

Die CDU-Politikerin Silvia Breher kritisierte den Entwurf als unzureichend. Sie bemängelte auch, dass zu viel Zeit verstrichen sei. "Wenn sie doch alle einer Meinung sind, warum haben sie diesen Gesetzesentwurf dann nicht vor einem Jahr vorgelegt?", fragte sie. Es habe zwar lange gedauert, das sei jedoch kein Grund, es jetzt nicht zu tun, entgegnete Paus. Schuld an der Verzögerung sei der frühere Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP. "Die Wahrheit ist: Das Gesetz war vorbereitet, aber der damalige Finanzminister hat diesem Gesetz nicht die Priorität eingeräumt und hat kein Geld zur Verfügung gestellt."

Paus' Parteikollegin, Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann räumte ein, dass auch ihre Partei in Regierungsverantwortung zu wenig bei dem Thema erreicht habe. So sei vor allem die Situation der Frauenhäuser in Deutschland seit langem "mangelhaft" - "wir haben es bisher nicht geschafft, diese Sicherung zu bieten", betonte sie.

Ariane Fäscher forderte die Union auf, den Entwurf der Koalition zu unterstützen. Sie sagte: "Betroffenheit reicht schon lange nicht mehr aus - wir brauchen mutige politische Maßnahmen." Die Vorlagen der Parteien wurden nach der Aussprache zur weiteren Beratung an den Familienausschuss überwiesen. Aufgrund fehlender Plätze müssen Frauenhäuser in Deutschland täglich Frauen abweisen, die Schutz vor Gewalt suchen.

Ihre Fraktion sei bereit, Gespräche über Änderungen am Entwurf der Koalition zu führen, sagte Unionsfraktionsvize Dorothee Bär. Die Verzögerung bei der Erarbeitung dieses Gesetzesvorhaben allein auf Lindner zu schieben, sei "zu billig". Sie kritisierte, dass Abgeordnete der Grünen bisher nicht bereit seien, über das von ihrer Fraktion vorgeschlagene Sexkaufverbot und die Gewalt an Prostituierten zu sprechen.

Sevim Dagdelen vom BSW nannte das Gewalthilfegesetz "zutiefst frauenfeindlich" und einen "schäbigen Etikettenschwindel". Durch das Gesetz hätten auch Männer, "die sich als Frauen identifizieren" Zugang zu Frauenhäusern. Die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch kritisierte, "dass diese Regierung nicht in der Lage ist, allen Frauen eine sichere Bleibe zu geben". Sie forderte ein 500-Millionen-Euro-Programm zur Finanzierung von Frauenhäusern.

Rechtsanspruch auf Schutz und fachliche Beratung

In Deutschland fehlen nach Angaben der Bundesregierung mehr als 13.000 Frauenhausplätze. Die 7786 Plätze in Schutzeinrichtungen seien nach der sogenannten Istanbul-Konvention zu wenig. Die Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats zur umfassenden Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Dazu gehören Opferschutz, Prävention und Strafverfolgung sowie die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen. In Deutschland trat die Konvention am 1. Februar 2018 in Kraft.

Aufgrund der fehlenden Frauenhausplätze verfolgt der Gesetzentwurf der Koalition das Ziel, einen kostenfreien und niedrigschwelligen Zugang zu Schutz und Beratung für Betroffene über einen Rechtsanspruch zu regeln. Die Länder sollen verpflichtet werden, ein bedarfsgerechtes Netz an Schutz und Beratungsangeboten bereitzustellen. Die Union warf Paus vor, sie habe die Länder hierzu bislang nicht ausreichend eingebunden.

Justizministerium schlägt elektronische Fußfessel für Täter vor

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Das Bundesjustizministerium hatte Anfang der Woche einen Entwurf für eine Gesetzesänderung vorgelegt, die Familiengerichten ermöglichen soll, in Fällen von häuslicher Gewalt eine Aufenthaltsüberwachung mit einer elektronischen Fußfessel anzuordnen. Damit sollen Täter davon abgehalten werden, gegen eine Gewaltschutzanordnung zu verstoßen. Es soll auch möglich werden, dass die Opfer zusätzlich mit einem Gerät ausgestattet werden, das anzeigt, wenn sich der Täter in ihrer Nähe aufhält. Dies wird beispielsweise in Spanien bereits praktiziert. Die Gerichte sollen außerdem Täter zur Teilnahme an Anti-Gewalt-Trainingskursen verpflichten können.

Für Sprachlosigkeit und Betroffenheit im Plenarsaal sorgte die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst, die sich den Anwesenden als "mehrfaches Opfer von Gewalt" vorstellte. Höchst, die in ihrer Rede auch auf die sogenannte Mädchenbeschneidung und auf patriarchalische Einstellungen von Zuwanderern einging, sagte: "Ich weiß sehr gut, was es bedeutet, Gewalt zu erfahren. Das weiß ich sehr gut. Und ich weiß auch sehr gut, dass wir dazu keine Zuwanderung brauchen, um in dieser Gesellschaft Gewalt anprangern zu müssen, die gegen Frauen geht."

Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP

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