Kompromiss der Ampel-Koalition Habeck: Umweltverbände "nicht sauer auf die Grünen"
29.03.2023, 23:34 Uhr Artikel anhören
Aus Habecks Sicht kommt es darauf an, dass die drei Ampel-Parteien auf die unteren Ebenen entsprechend einwirken.
(Foto: picture alliance/dpa)
Umweltschützer schlagen Alarm, weil die Regierung die Regeln des Klimaschutzgesetzes aufweichen will. Die Kritik gelte aber nicht seiner Partei, sagt Bundeswirtschaftsminister Habeck. Probleme sieht er vielmehr bei der Planungsbeschleunigung, die ausgebremst werden könnte.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält es für möglich, dass die beschlossene Planungsbeschleunigung dadurch ausgebremst wird, dass der langwierige Diskussionsprozess der Ampel-Koalition noch einmal auf Länderebene fortgesetzt wird. "Die Gefahr besteht, natürlich", sagte der Grünen-Politiker am Mittwochabend in ZDF.
Hintergrund ist, dass ein überragendes öffentliches Interesse an einer beschleunigten Infrastruktur-Planung im Einvernehmen mit dem jeweils betroffenen Land festgeschrieben werden soll. "Selbstverständlich findet sehr viel der Umsetzung auf Länder- oder kommunaler Ebene statt", sagte Habeck. Das gelte für den von den Grünen ursprünglich abgelehnten Autobahnausbau ebenso wie für den Natur- und Umweltschutz, der ebenfalls Ländersache sei.
Aus Habecks Sicht kommt es deshalb darauf an, dass die drei Ampel-Parteien auf die unteren Ebenen entsprechend einwirken. Er hoffe, dass "der Respekt vor dem, was wir eigentlich bewältigen müssen, auch dazu beiträgt, dass wir unsere Ebenen so beraten oder motivieren, dass wir sagen: Ok, jetzt nach vorne, wir haben uns geeinigt, jetzt können wir auch an anderer Stelle hoffen und erwarten und darauf hinarbeiten, dass Einigungen ins Werk gesetzt werden."
"Ich weiß nicht, wo der Vorwurf sein soll"
Die Grünen hatten gegen SPD und FDP nur einen kleinen Teil ihrer Positionen durchsetzen können. Habeck glaubt nach eigenen Worten aber nicht, dass die Kritiker des Kompromisses etwa bei den Umweltverbänden die Schuld dafür bei seiner Partei sehen. "Die sind jedenfalls nicht sauer auf die Grünen", sagte er. "Ist es nicht vielmehr so, dass man vielleicht sogar fast stolz darauf sein kann, dass wir die Kraft haben, eine Regierung wieder mit zum Arbeiten zu bringen? Also, ich weiß gar nicht, wo der Vorwurf sein soll."
Doch auch intern gibt es Kritik am Kurs der Grünen. Die Grüne Jugend kritisierte die Beschlüsse der Koalitionsrunde zu den Themen Klima und Infrastruktur deutlich. Der Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus, nannte die Ergebnisse gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) "in der Summe enttäuschend". Er erhob mit Blick auf die Spitzen von SPD und FDP den Vorwurf: "Olaf Scholz und Christian Lindner haben sich gegen den Klimaschutz verbrüdert."
Dzienus monierte weiter: "Eigentlich müssen wir schneller werden beim Klimaschutz. Tatsächlich werden wir jetzt schneller beim Autobahnausbau. Das geht in die falsche Richtung." Die Koalition werde ihrer historischen Verantwortung nicht gerecht. "Das macht mir Sorgen."
"Im Verkehrsbereich sind die Horror-Nachrichten kaum zählbar"
Unterdessen sagte Anton Hofreiter, der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, dem RND: "Viele der in dem Papier beschlossenen Maßnahmen sind bereits in der Vergangenheit besprochen und beschlossen worden. Dazu zählen etwa das Gebäudeenergiegesetz und die Modernisierung des Verkehrsrechts." Jetzt müsse Bundeskanzler Olaf Scholz dafür sorgen, "dass das, was besprochen und beschlossen wurde, auch tatsächlich umgesetzt wird". Der Grünen-Politiker hob aber hervor: "Insgesamt steht mehr auf der Habenseite. Doch kommunikativ sind Teile der Vereinbarungen eine Herausforderung."
Umweltschützer hatten die Ergebnisse des mehrtägigen Koalitionsausschusses scharf kritisiert. Insbesondere die geplante Aufweichung des Bundesklimaschutzgesetzes sei eine Katastrophe, befand die Deutsche Umwelthilfe (DUH). "Diese Anti-Klimaschutz-Koalition legt allen Ernstes Hand an das Bundesklimaschutzgesetz. Damit versündigt sie sich an allen künftigen Generationen", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
"Im Verkehrsbereich sind die Horror-Nachrichten kaum zählbar, unter anderem sage und schreibe 144 beschleunigte Autobahn-Bauvorhaben und die geplante faktische Gleichstellung von Verbrenner-PKWs mit Elektrofahrzeugen", urteilte Resch. Er forderte die Abgeordneten des Bundestages auf, "die geplante Verschlechterung des schon wenig ambitionierten Gesetzes aus der Merkel-Ära rundweg abzulehnen".
"Klima wird weiter vor die Wand gefahren"
Greenpeace kritisierte ähnliche Punkte: "Mit der Aufgabe der Verpflichtung zur Umsetzung jedes einzelnen Sektorziels heißt Kanzler Scholz (...) gut, dass der größte klimapolitische Erfolg seiner Partei, das Klimaschutzgesetz, entkernt wird", erklärte Martin Kaiser, Vorstand von Greenpeace Deutschland.
"Das entlässt mit Verkehrsminister Wissing ausgerechnet das Schlusslicht beim Klimaschutz aus der Verantwortung. Wenn nun zudem 144 zusätzliche klimaschädliche Autobahnprojekte beschleunigt durchs Land asphaltiert werden sollen, wird das Klima weiter vor die Wand gefahren." Der "Ampel-Marathon" habe dem Klimaschutz "viel zu wenig" gebracht, ihn "an wichtigen Stellen" sogar zurückgeworfen.
Quelle: ntv.de, lve/dpa/AFP