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Ampel-Beschlüsse im Check Redet Scholz die Einigung schön?

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Künftig sollen verstärkt Solar- und Windkraftanlagen neben Autobahnen gebaut werden.

(Foto: imago images/Jochen Tack)

Kanzler Scholz zeigt sich nach den Ampelbeschlüssen optimistisch und verspricht das neue Deutschlandtempo auch, wenn es nicht um Flüssiggas-Anlandestellen geht. Aber wie viel Top und wie viel Flop steckt in dem Paket?

Wenn König Charles III. sich am Abend beim Staatsbankett nach vegetarischer Gemüsebrühe, dem einen oder anderen Spinattörtchen und der abschließenden Backpflaume die Mundwinkel abtupft, könnte er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fragen, wie eigentlich die vergangenen zwölf Monate in Deutschland gelaufen sind. In seiner britischen Heimat ging es überaus turbulent zu. Boris Johnson fiel wegen seiner Lügen doch noch in Ungnade, die Möchtegern-Thatcher Liz Truss fuhr mit ihrem Radikal-Programm beinahe das ganze Land gegen die Wand und erst Rishi Sunak brachte wieder etwas Stabilität. Außerdem starb Königin Elizabeth II. und Schottland liebäugelt wieder mit der Unabhängigkeit. Dann ist da noch der Brexit, der die Gesellschaft noch immer spaltet.

Dass es diese Woche Deutschlands größtes Problem war, dass die Regierung ein paar Tage brauchte, um sich auf wichtige Entscheidungen zu einigen, freilich nach Wochen und Monaten des Streits, wirkt da doch vergleichsweise harmlos. Aber sind es die Entscheidungen auch? Die Opposition, allen voran die Union, lässt kaum ein gutes Haar an dem Paket. Dabei schlägt sie entweder Alarm, dass das Klimaschutzgesetz aufgeweicht werde oder tut es als kleinen Wurf ab, der niemanden vom Hocker reiße. Bundeskanzler Olaf Scholz schwärmte dagegen am Mittag im Bundestag: "Es wird Tempo geben", und: "Der Stillstand der vergangenen Jahrzehnte, die wir konservativer Politik zu verdanken haben, ist endgültig zu Ende."

Damit hat er zumindest teilweise Recht. Dass die Ampel die Planungsverfahren beschleunigen will, ist in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Dass die Schiene dabei bevorzugt wird, gleicht die lange Liste an Autobahnprojekten aus, die ebenfalls künftig im "überragenden öffentlichen Interesse" liegen sollen, was die Überholspur des deutschen Verwaltungsrechtes ist. Diese 144 künftigen Autobahn-Baustellen stehen alle bereits im Bundesverkehrswegeplan und würden sowieso gebaut werden. Dass das nun schneller passiert, ist eine gute Sache. Auch, wenn Umweltverbände aufjaulen. Aber es kann nicht sein, dass es für Landräte und Kommunalpolitiker zur Generationenaufgabe wird, eine Autobahnauffahrt oder einen Bahnanschluss zu bauen.

Straße finanziert Schiene

Gut ist auch, dass die LKW-Maut künftig einen CO2-Aufschlag erhält, auch wenn das mancher Spediteur anders sehen dürfte. Aber so wird ein Anreiz für elektrisch betriebene Fahrzeuge geschaffen. Ein kleiner Game-Changer ist es, dass Geld aus der Maut in den Schienenverkehr fließen soll. Fünf Milliarden Euro sollen es dem Vernehmen nach pro Jahr sein. Ob das für die geplanten 45 Milliarden Euro reicht, die man für die Deutsche Bahn in die Hand nehmen will, muss man abwarten. Auch diese massive Investition ist sinnvoll. Wenn man Güter- und Personenverkehr stärker auf die Schiene bringen will, muss man die Netze ausbauen und instand setzen. An dieser Front passiert nun etwas.

Auch die weiteren Erleichterungen beim Ausbau erneuerbarer Energien erscheinen sinnvoll. Man könnte fast fragen, warum nicht längst Solar-Anlagen entlang deutscher Autobahnen stehen und den Platz sinnvoll nutzen. Das Gleiche gilt für Windräder neben Autobahnen. Auch die künftige Möglichkeit, mit Windstrom direkt benachbarte Unternehmen zu beliefern sowie den Eigenbedarf privater Verbraucher zu ermöglichen, leuchtet ein. Das Gleiche gilt für die zahlreichen Maßnahmen, die E-Mobilität zu fördern, etwa durch Ladestationen an Tankstellen.

Fraglicher wird es bei der Novelle des Klimaschutzgesetzes. Das wird tatsächlich weniger streng als bisher, auch wenn Scholz das im Bundestag anders darstellte. Bisher muss ein Ministerium ein Sofortprogramm auflegen, wenn der eigene Sektor, also zum Beispiel Verkehr oder Gebäude, die Klimaziele nicht erreicht. Der Verkehr ist der Sektor, der die Ziele immer reißt, weil sich dort einfach nicht mal eben Dutzende Millionen von Fahrzeugen durch E-Autos und -Transporter ersetzen lassen. Aus diesem Grund sollen solche Sofortprogramme künftig wegfallen, wenn die Klimaziele insgesamt erreicht werden. Die FDP wollte womöglich verhindern, dass so ein Sofortprogramm in Fahrverboten oder einem Tempolimit besteht. Diese Gefahr ist künftig gebannt. Dafür gibt es eine neue Gefahr: Dass sich beispielsweise der Verkehrsminister bei seinen Klimaschutzbemühungen zurücklehnt und eher die anderen machen lässt. Genau deshalb reagierten Umweltverbände mit Entsetzen.

Heizungen? Warten wir's ab

Das Thema E-Fuels hat Vor- und Nachteile. Solche synthetischen Kraftstoffe, für die Wasserstoff mit CO2 verbunden wird, sind faszinierend, weil sie es ermöglichen, bestehende Verbrennerfahrzeuge klimaneutral zu betreiben. Doch sie sind ineffizienter und teurer als E-Autos und sollten daher nach Vorstellung der Grünen dem Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr vorbehalten bleiben. Denn der lässt sich nicht so einfach elektrifizieren. Dass die Regierung nun auch E-Fuels für PKW fördert, wäre im schlimmsten Fall rausgeschmissenes Geld. Die Ökonomin Claudia Kemfert bezeichnet Wasserstoff als "Champagner der Energiewende", weil er lange selten und teuer bleiben werde. Er wird gebraucht, um Chemie- und Stahlindustrie klimaneutral zu machen. Autos sollten nach ihrer Ansicht lieber gleich mit Strom geladen werden, statt diesen für E-Fuels zu "verschwenden".

Bleibt noch das Thema Heizungen. Es stimmt, wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck sagt, dass man irgendwann einmal anfangen muss, fossile Heizungen gegen klimafreundliche auszutauschen. Doch es ist auch klar, dass das für viele Haushalte ein dicker finanzieller Brocken wird, den viele kaum schultern können. Insofern ist es richtig, dass der Staat Fördermittel bereitstellen will. Details wurden aber noch gar nicht verhandelt, insofern lassen sich die Pläne erst richtig beurteilen, wenn der Gesetzentwurf fertig ist.

Insgesamt machen die Pläne durchaus etwas Hoffnung, etwas mehr vom ersehnten neuen Deutschlandtempo zu bekommen, die Bahn besser zu machen, Wind- und Sonnenkraft stärker zu nutzen. Eine gute Haltungsnote wird die Ampel für ihren Politikstil - erst wochen- und monatelang streiten, dann tagelang verhandeln - nicht bekommen. Es gibt auch keinen Grund, sich auszuruhen. Die Bundeswehr muss ertüchtigt, die Inflation bekämpft und der Ukraine geholfen werden. Insofern wäre es schön, wenn das Drama künftig noch stärker den Briten überlassen würde.

Quelle: ntv.de

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