
Ab dem 1. Januar 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
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Müssen kaputte fossile Heizungen ab dem nächsten Jahr gegen Wärmepumpen ausgetauscht oder können Gasheizungen auf Wasserstoff umgerüstet werden? Auch nach dem Verhandlungsmarathon der Ampel sind solche Fragen noch offen.
Es ist der letzte Punkt im 16-seitigen Koalitionsbeschluss, zugleich der am wenigsten klare: Die Ampelparteien haben vereinbart, "gesetzlich festzuschreiben, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll".
Danach folgt der Hinweis, dass der Entwurf für das neue Gebäudeenergiegesetz gegenwärtig erarbeitet wird. Mit anderen Worten: Was genau darin festgelegt wird, muss noch besprochen werden. Und das nach einem fast 30-stündigen Verhandlungsmarathon, dem ein mehrwöchiger Schlagabtausch zwischen FDP und Grünen vorangegangen war.
Dabei ist der Gebäudebereich von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Klimapolitik, er verursacht nach Angaben des Umweltbundesamts etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland. Er ist zugleich eins der größten Probleme: "Im Kern müssen wir bis 2050 jedes heute stehende Haus einmal anfassen", sagte der damalige Chef der Denkfabrik Agora Energiewende, Patrick Graichen, im Juni 2021. "Das heißt, 40 Millionen Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer davon zu überzeugen, ihre Häuser energetisch zu sanieren und ihre Heizungen auszutauschen."
Damals war die Große Koalition gerade dabei, zu beschließen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Allerdings versäumte sie es, das Ziel mit konkreten Maßnahmen zu unterlegen. An dieser Aufgabe arbeitet nun die Ampel. Für die Umsetzung ist unter anderem Graichen zuständig: Er ist mittlerweile Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Austauschpflicht wird es nicht geben, sagt Lindner
"Das Gebäudeenergiegesetz kommt. Dieses Bekenntnis der Koalition ist sehr wichtig", sagt er am Tag nach dem Sitzungsmarathon der Ampel. Es ist bereits das dritte Mal, dass sich die Koalition auf ein Ende der fossilen Heizungen verständigt - wobei es hier, anders als gelegentlich dargestellt, ausschließlich um Heizungen geht, die neu eingebaut werden. "Bestehende Heizungen können weiter betrieben, kaputte Heizungen repariert werden", betonten die Grünen.
Auch FDP-Chef Christian Lindner unterstrich, dass es keine Austauschpflicht für bestehende Heizungen geben werde. Im Detail scheint es hier aber noch Abstimmungsbedarf zu geben: Von den Grünen hieß es, man wolle "pragmatische Übergangslösungen und mehrjährige Übergangsfristen" für irreparable Gas- oder Ölheizungen finden. Im "Frühstart" bei ntv legte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Finger in die Wunde: "Ich bin gespannt, auf was sich die Ampel an der Stelle dann wirklich noch einigt, und ob das so bleibt, wie es gestern angekündigt war, dass es keine Pflicht mehr zum Austausch gibt."
Alle drei Parteien reklamieren als Erfolg für sich, dass es einen sozialen Ausgleich geben soll. "Kein Bürger wird alleingelassen", sagte etwa Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Regierungsbefragung im Bundestag. Ähnlich äußerten sich Vertreter von Grünen und FDP.
Schon wieder Technologieoffenheit
Der FDP ist besonders wichtig, dass auch beim Gebäudeenergiegesetz ein "technologieoffener Ansatz" verfolgt wird - so wie die Liberalen das ja auch bereits rund um den Verbrennungsmotor gefordert haben. Konkret bedeute Technologieoffenheit, dass auch der Betrieb von Heizungen "mit grünem und blauem Wasserstoff sowie Biomasse" möglich sein müsse, heißt es von der FDP. Grüner Wasserstoff ist klimaneutral hergestellt, blauer Wasserstoff nicht.
Die Debatte läuft analog zum Streit um die E-Fuels: Nach den Vorstellungen der FDP sollen fossile Heizungen weiterhin zugelassen werden, "die Wasserstoff- oder Grüne-Gase-ready sind, wenn ein Transformationsplan für das Gasnetz vorliegt". Dagegen sagt Wirtschaftsstaatssekretär Graichen, derzeit werde zwischen den Ministerien abgestimmt, "unter welchen verbindlichen Bedingungen Gasheizungen als 'H2-Ready'-Gasheizung eingebaut werden können". Er gibt sich bei dem Thema allerdings entspannt: Wasserstoffheizungen würden sicherlich nur in Einzelfällen die Lösung sein, "schlicht und einfach, weil Wasserstoff knapp und fürs Heizen sehr teuer sein wird".
65 Prozent zum Dritten
Der Streit muss bald gelöst werden: Im April soll das Kabinett den Gesetzentwurf billigen, noch vor der Sommerpause soll er vom Bundestag verabschiedet werden. Wahrscheinlich endet er ähnlich wie bei den E-Fuels: Die FDP bekommt die Öffnung für eine grüne Verbrennerlösung, derweil das von den Grünen geführte Wirtschaftsministerium weiter voll und ganz auf die Strom-Karte setzt. Derzeit sind synthetisch hergestellte E-Fuels wie auch Wasserstoff ineffizient und teuer. Dennoch sah bereits ein vor wenigen Wochen bekannt gewordener Gesetzentwurf aus Robert Habecks Wirtschaftsministerium vor, dass die 65-Prozent-Pflicht "technologieneutral" erreicht werden solle. Allerdings denken die Grünen dabei weniger an Wasserstofflösungen als an Kombinationen von fossilen Heizungen mit einer Wärmepumpe, wenn die Verbrennerheizung schon nicht komplett ersetzt wird.
Das 65-Prozent-Ziel findet sich bereits im Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 und in einem Beschluss des Koalitionsausschusses vom 23. März 2022. Obwohl sich die Koalition also zum dritten Mal auf ein und dieselbe Maßnahme geeinigt hat, sehen die Grünen den Beschluss als Erfolg: Die letzten Wochen hätten gezeigt, "welche Unsicherheiten und Widerstände ernstgemeinter Klimaschutz in der Realität" auslöse, heißt es bei ihnen. Mit anderen Worten: Aus Sicht der Grünen ist es ein Erfolg, wenn SPD und FDP bereits gemachte Zusagen in der Klimapolitik wiederholen.
Die Grünen setzen darauf, dass bereits das Signal des Koalitionsausschusses Hausbesitzer davon abhalten wird, neue Gas- oder gar Ölheizungen einzubauen, zumal der europäische Emissionsrechtehandel in den nächsten Jahren für steigende Öl- und Gaspreise sorgen dürfte. "Über den Lebenszyklus einer Heizung ist daher eine Wärmepumpe günstiger als eine Gasheizung", sagte Wirtschaftsminister Habeck kürzlich der FAZ. Offen ist, ob dieses Preissignal rechtzeitig bei allen Betroffenen ankommt - und ob die zugesagten Staatshilfen nicht nur soziale Härten, sondern auch den Frust der Vielen abfedern werden.
Quelle: ntv.de