"Aggressiver und klandestiner" Haldenwang rechnet mit verstärkter russischer Spionage
20.06.2023, 11:17 Uhr Artikel anhören
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts.
(Foto: dpa)
Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass Russland seine Spionagetätigkeit gegen Deutschland ausbauen wird. Im Vergleich zu China gehe Russland "robuster" vor und schrecke auch vor Mord nicht zurück.
Vor dem Hintergrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine rechnet das Bundesamt für Verfassungsschutz mit "aggressiveren Spionageoperationen Russlands" in Deutschland. Russland werde seine Methoden anpassen "und zukünftig aggressiver und klandestiner vorgehen", sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang bei der Vorstellung des Berichts für das Jahr 2022. "Dazu könnte der Einsatz von sogenannten Illegalen, also mit falscher Identität eingeschleusten Nachrichtenoffizieren, aber auch verstärkte Cyberangriffe bis hin zu Sabotageaktionen gehören."
Über die Zahl der russischen Spione an der russischen Botschaft wollte Haldenwang sich nicht äußern. Er verwies allerdings darauf, dass eine Reihe russischer Diplomaten ausgewiesen worden sei, sodass der Verfassungsschutz die Zahl der Spione habe "erheblich beschränken" können.
Aufgrund der Beeinflussung der deutschen Öffentlichkeit durch Desinformation und Propaganda "wirkt sich der russische Angriffskrieg auch auf extremistische Agitation in Deutschland aus", so Haldenwang weiter.
China gehört zu vier "Hauptakteuren" in Deutschland
Schon im vergangenen Jahr habe der russische Angriffskrieg die Arbeit der deutschen Spionageabwehr bestimmt, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte, auch für die innere Sicherheit bedeute Russlands Krieg gegen die Ukraine eine Zeitenwende. "Gerade in Kriegszeiten stützt sich die Führung im Kreml auf die Arbeit der russischen Nachrichtendienste."
Das Vorgehen russischer Dienste sei "robuster" als das der chinesischen. "Russische Dienste schrecken in äußerster Konsequenz auch nicht vor der Tötung von Personen zurück." So etwas sehe man bei den chinesischen Diensten nicht.
Dennoch bleibt China nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz einer der vier "Hauptakteure" von gegen Deutschland gerichteter Spionage. Die Behörde nennt die Volksrepublik in ihrem Jahresbericht neben Russland, dem Iran und der Türkei. Faeser ordnete auch Nordkorea in die Gruppe der Länder ein, die in Deutschland "massiv geheimdienstlich tätig sind".
Türkei späht vor allem türkische Opposition aus
In Deutschland nutze China für die Umsetzung seiner ambitionierten Industriepolitik "Spionage in Wirtschaft und Wissenschaft". Auch "Erkenntnisse zu Struktur, Bewaffnung und Ausbildung der Bundeswehr" stünden "auf der Agenda chinesischer Dienste, ebenso wie die Beschaffung moderner Waffentechnik aus der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie". "Auch im Jahr 2022 verübten mutmaßlich staatliche oder staatlich gesteuerte chinesische Akteure gezielt Cyberangriffe auf Unternehmen, Behörden und Privatpersonen sowie auch gegen politische Institutionen", heißt es.
Im Falle des Iran stelle die Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen und Einzelpersonen "den Schwerpunkt iranischer nachrichtendienstlicher Aktivitäten dar". Ähnlich ist es bei der Türkei: "Türkische Nachrichtendienste spähen in Deutschland Vereinigungen und Einzelpersonen aus, die tatsächlich oder mutmaßlich in Opposition zur türkischen Regierung stehen." Nordkorea zielt laut Bericht mit weltweiten Cyber-Aktionen vor allem auf Wirtschaftsspionage und den Finanzsektor.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP