Verdachtsfall AfD Verfassungsschutz schätzt 10.000 AfD-Mitglieder als extremistisch ein
20.06.2023, 11:00 Uhr
Die AfD hat derzeit knapp 29.000 Mitglieder.
(Foto: dpa)
Laut Verfassungsschutz gibt es in Deutschland ein "Rechtsextremismuspotenzial" von 38.000 Personen. Erstmals zählt das Bundesamt zu dieser Personengruppe auch AfD-Mitglieder - ausdrücklich nicht alle, sondern eine Gruppe von 10.200 Personen.
Der Verfassungsschutz nimmt unter Extremisten in Deutschland einen starken Hang zur Gewalt wahr. Das geht aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht hervor. Laut dem Bericht, der Entwicklungen im Jahr 2022 betrachtet, stieg die Anzahl der Menschen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden, im Vergleich zum Vorjahr um rund 14,5 Prozent auf 38.800 Rechtsextremisten an. Davon werden 14.000 als gewaltbereit eingestuft.
Einer der Gründe für den starken Anstieg: Erstmals führt der Verfassungsschutz die AfD in seinem Jahresbericht als rechtsextremistischen "Verdachtsfall" auf, auch Mitglieder der AfD werden dem "Rechtsextremismuspotenzial" zugerechnet. Die Einstufung als Verdachtsfall hatte das Kölner Verwaltungsgericht im März 2022 bestätigt. Die AfD legte Berufung ein. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Der Verfassungsschutz betont, angesichts "der weiterhin bestehenden inhaltlichen Heterogenität innerhalb der Partei" könnten nicht alle Parteimitglieder als Anhänger der extremistischen Strömungen betrachtet werden. Das Bundesamt schätzt, dass 10.200 Mitglieder der AfD und ihrer Parteijugend ("Junge Alternative") diesen Strömungen zuzurechnen sind. Insgesamt hat die Partei derzeit knapp 29.000 Mitglieder. Die "Junge Alternative" wurde vom Verfassungsschutz im April als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Nach einem Eilantrag der AfD vor dem Verwaltungsgericht Köln wurde diese Einstufung ausgesetzt. Dies sei "aus Respekt vor dem Gericht" passiert und ein üblicher Vorgang.
Bei dieser Einschätzung habe sich der Verfassungsschutz an Aussagen "führender AfD-Funktionäre" orientiert, nach denen ein Drittel bis 40 Prozent der AfD-Mitglieder dem rechtsextremistischen "Flügel" angehören, der mittlerweile offiziell aufgelösten Gruppierung innerhalb der Partei, die dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zugerechnet wird.
Der Verfassungsschutz hatte 2021 den neuen Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" definiert. Der Entschluss, diese neue Kategorie zu etablieren, war damals auch eine Folge der Aktionen radikaler Gegner der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen. Jetzt legt der Verfassungsschutz erstmals Zahlen dazu vor. Der Inlandsgeheimdienst sieht hier ein Potenzial von rund 1400 Menschen bundesweit. Etwa 280 Menschen aus diesem Spektrum werden als gewaltorientiert eingestuft.
Linksextremistisches Potenzial steigt ebenfalls
Das linksextremistische Personenpotenzial stieg laut Verfassungsschutz im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent auf 36.500 Menschen an. Mehr als jeder vierte Linksextremist wird als gewaltorientiert angesehen. Unter den rund 40.000 Rechtsextremisten ist der Anteil der Gewaltorientierten - 14.000 Rechtsextremisten werden so eingeschätzt - noch etwas höher.
Nicht nur als Folge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine stieg die Zahl der Spionagefälle. Der Generalbundesanwalt leitete 2022 dazu 28 Ermittlungsverfahren ein, nach 25 Verfahren im Vorjahr. Sie richteten sich unter anderem gegen mutmaßliche Zuträger russischer, türkischer und marokkanischer Geheimdienste.
Eine dringende Warnung enthält der Bericht zu China. Der Verfassungsschutz hält die Volksrepublik derzeit für "die größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland".
Quelle: ntv.de, hvo/dpa