"Es ist nicht nur Putin" Kasparow kritisiert russische Opposition und westliche Feigheit
09.01.2025, 15:15 Uhr Artikel anhören
Kasparow möchte, dass die Ukraine siegt.
(Foto: Sven Hoppe/dpa)
Schachgroßmeister Kasparow ist seit Langem ein heftiger Kritiker von Kremlchef Putin. Nun beklagt er, dass auch zahlreiche Russen an der Zerstörung der Ukraine mitwirkten - und viele Oppositionelle nie sagten, dass die Ukraine gewinnen müsse. Die westliche Position hält er ebenfalls für zweifelhaft.
Der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow hat das Zaudern des Westens gegenüber der von Russland angegriffenen Ukraine scharf kritisiert. "Die feige Haltung der freien Welt" habe der Ukraine nur sehr wenige Optionen gelassen, sagt er im Interview mit "Kyiv Independent".
"Es ist eine Schande, dass all die Waffen, die in Amerika entwickelt und hergestellt wurden - speziell für den Kampf gegen Russland - immer noch in Lagern verstauben oder ungenutzt in den Wüsten von Kalifornien und Nevada liegen", beklagte der aus der Sowjetunion stammende Kasparow. Er kritisierte auch das westliche Verteidigungsbündnis: Die NATO, die einzig zu dem Zweck gegründet worden sei, die russische Aggression in Europa zu stoppen, debattiere darüber, ob die Ukraine dazugehört. "Die Ukraine ist das einzige Land, das für die Kernaufgabe der NATO gekämpft hat und immer noch kämpft."
Kasparow wehrt sich zudem gegen Behauptungen, der Kampf gegen die Ukraine sei lediglich ein Krieg von Kremlchef Wladimir Putin: "Das ist schlichtweg Realitätsverweigerung." Niemand wisse besser als die Kämpfer auf der russischen Seite, "dass sie die Zerstörung der Ukraine planen. Sie greifen Kindergärten und Krankenhäuser an - sie wissen genau, was sie tun, wenn sie den Knopf drücken, um Raketen- und Drohnenangriffe zu starten. Wer drückt auf diesen Knopf? Es ist nicht nur Putin."
"Die ukrainische Flagge muss wieder über Sewastopol wehen"
Den russischen Angriffskrieg sieht Kasparow in einer langen Tradition. Der Kommunismus sei nur eine Fassade für eine darunter liegende imperialistische Matrix gewesen. "Ob es die Zaren, die Bolschewiken oder Putin sind, dieser Imperialismus findet immer einen Weg, um hervorzutreten." Laut dem Schachmeister gibt es nur einen Weg, um den Imperialismus zu beseitigen: "Die ukrainische Flagge muss wieder über Sewastopol wehen. Solange die Vorstellung von Russlands messianischer Mission anhält, wird sich nichts wirklich ändern. Man muss sie mit einem visuellen Schock erschüttern. Dies ist wahrscheinlich der beste - vielleicht der einzige - Weg, um Russland eine Chance zu geben, sich zu einem normalen Nationalstaat im wahrsten Sinne des Wortes zu reformieren."
Kasparow kritisiert auch die Haltung vieler russischer Oppositioneller: "Man hört sie nie sagen, dass die Ukraine gewinnen muss. Es geht immer darum, den Krieg zu beenden, aber im Moment will vielleicht sogar Putin ihn aus seinen eigenen Gründen beenden." Dies sei aber nicht genug und sehr bedauerlich: "Sie halten immer noch an der Idee einer 'guten Putin'-Alternative fest und wollen im Grunde den schlechten Putin durch einen 'guten Zaren' ersetzen."
Kasparow, der seit Langem ein Gegner Putins ist und im Exil lebt, fordert zudem nach dem Ende des Kriegs russische Reparationen und die Rückgabe aller besetzten Territorien inklusive der Krim. "Der Sieg der Ukraine muss eine vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine beinhalten. Er muss auch die Zahlung von Reparationen beinhalten. Russland muss dafür aufkommen." Auch müssten die Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden. "Es ist von entscheidender Bedeutung, Kriegsverbrecher zu bestrafen, sei es in Den Haag, in Russland oder durch ein internationales Tribunal, und dabei sollte es keine Kompromisse geben."
Quelle: ntv.de, ghö