Ukrainetalk bei Illner Kühnert: Neuer CDU-Antrag zu Taurus-Lieferungen "Klamauk"
08.03.2024, 08:17 Uhr Artikel anhören
Hohe Bundeswehr-Offiziere ließen sich von Russland bei Gesprächen zum Taurus-Einsatz in der Ukraine belauschen.
(Foto: REUTERS)
Nach der Abhöraffäre bei der Luftwaffe hat Deutschland ein Sicherheitsproblem. Gleichzeitig will die Union in der kommenden Woche im Bundestag erneut die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern beantragen. Bei Maybrit Illner diskutierten die Gäste den Leak und SPD-Generalsekretär Kühnert bewertete den neuerlichen Unionsantrag..
Es war ein Schock. In der vergangenen Woche veröffentlicht der russische Fernsehsender "Russia Today" ein vom russischen Geheimdienst abgehörtes Gespräch von vier Luftwaffen-Offizieren. Sie besprachen die Möglichkeit, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, ohne dass deutsche Soldaten dabei ins Kriegsgebiet geschickt werden müssen. Kurz zuvor hatte Bundeskanzler Scholz öffentlich erklärt, dass bereits Soldaten aus England und Frankreich in der Ukraine operierten. Die Alliierten sind sauer. Zwar gab es Gerüchte über deren Einsatz, doch nun ist es offiziell.
Es werde viel abgehört, aber nicht veröffentlicht, erklärt Wehrexperte Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner". Im Fall des Gesprächs der Luftwaffenoffiziere sei es ein Zufall gewesen, dass dort mitgehört wurde. Bei dem Gespräch sei nichts Neues geäußert worden, sagt er. "Es gab ein paar technische Details, die kannte ich nicht, die kannten auch andere Experten nicht. Aber letztendlich muss man sagen, bei diesen 38 Minuten war nichts dabei, das man nicht ohnehin schon wusste." Diesmal seien die Informationen jedoch von autoritativen Sprechern geäußert worden, nämlich vom Generalinspekteur der Luftwaffe und einem ranghohen General. "Das ist natürlich ein völlig anderes Gewicht als diese Presseberichte, die wir hatten."
"Brauchen andere Kultur der Sicherheit"
Dagegen monierte CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter, es gebe eine "grundsätzliche Laxheit und leider auch Offenheit in den Netzen", sodass man sich "auch mit nicht geeigneten Systemen" einwähle, etwa Mobiltelefonen. Tatsächlich hatte sich offenbar ein Teilnehmer des Gesprächs, der die Singapore Air Show besucht hatte, aus seinem Hotelzimmer mit einem Handy in das Gespräch eingewählt. Jeder Offizier hat laut Kiesewetter für Telefonkonferenzen ein Laptop und eine Kennkarte, die er benutzen kann. "Aber es ist eben bequemer, dies anders zu machen", sagt der CDU-Politiker.
Schuld an dem Abhörskandal seien aber nicht die Offiziere gewesen, sondern Russland. "Das Entscheidende ist, dass wir generell ein anderes Sicherheitsverständnis brauchen im Umgang mit Videoplattformen und solchen Konferenzen. Das berührt alle. Das berührt die Fraktionen, das berührt die Regierung. Und da brauchen wir eine andere Kultur der Sicherheit bei uns."
Kühnert: SPD steht zu Scholz
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erledigt derweil seine Aufgabe und verteidigt die Politik von Bundeskanzler Olaf Scholz. In dem veröffentlichten Gespräch seien durchaus Belege für die Aussagen des Kanzlers gewesen, sagt er. Das sieht auch Masala so, kritisiert aber Scholz' Aussagen zum Einsatz von Franzosen und Briten in der Ukraine: "Es gab Gerüchte, es gab Informationen, die nie bestätigt worden sind. Und wenn jemand wie Olaf Scholz das ausspricht, dann ist das natürlich für die meisten Menschen eine offizielle Bestätigung eines Gerüchts, das bislang durch die Presse waberte." Es sei verständlich, dass so etwas Irritationen bei den Verbündeten auslöse, sagt Masala. "Öffentlich das zu sagen und zu bestätigen, hat wirklich eine neue Qualität. Das ist etwas mehr als Gerüchte, die jeder kannte seit Beginn des Krieges."
"Die Art und Weise, wie der Bundeskanzler das Ganze kommuniziert hat, ist schon ein Desaster", erklärt Kiesewetter. Die Union werde in der kommenden Woche im Bundestag erneut die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine beantragen.
Das Parlament könne eine Lieferung von Taurus-Waffen nicht erzwingen, sagt Kühnert. Ohnehin werde der Unionsantrag erneut scheitern. "Wir haben ja einen Koalitionsvertrag miteinander, in dem klar geregelt ist, dass die Koalitionspartner sich gemeinsam auf politische Inhalte verständigen und nicht Oppositionsanträgen zustimmen." Genau das hatte aber die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann vor zwei Wochen getan, als die Union schon einmal die Lieferung von Taurus-Waffen beantragt hatte. Zudem wird die Entscheidung gegen die Lieferung von Taurus-Waffen, die Bundeskanzler Scholz getroffen hat, sowohl von der FDP als auch von den Grünen kritisiert.
Vielleicht will Kühnert darum auch die Ampelkoalitionäre auf Kurs bringen, wenn er sagt: "Die Union ist frei darin zu beantragen, was immer sie für richtig hält im Bundestag. Ich bin aber auch frei darin, das als einen gewissen Grad von Klamauk mittlerweile zu empfinden. Auch wie in den Bundestagsdebatten über dieses Thema nur noch auf diesen Taurus abgehoben wird, was vielen Leuten einfach auf den Keks geht und eine gewisse Unernsthaftigkeit aus meiner Sicht erkennen lässt." Würde erneut über einen entsprechenden Antrag abgestimmt, dann könne er für seine Partei sagen: "In der SPD stehen alle zu dem, was der Bundeskanzler gesagt hat."
Quelle: ntv.de