Der Kriegstag im Überblick Lwiw meldet schweren Luftangriff, Biden nennt Putin "Schlächter"
26.03.2022, 22:21 Uhr
Lwiw heute: Menschen suchen in einem Keller Schutz vor Explosionen.
(Foto: dpa)
Die russische und die ukrainische Armee liefern sich heftige Kämpfe um Mariupol. Beide Seiten melden militärische Erfolge in anderen Teilen der Ukraine. Aus Lwiw wird über Raketeneinschläge berichtet, während der US-Präsident im Nachbarland Polen den russischen Präsidenten scharf attackiert. Der 31. Kriegstag im Überblick.
Bürgermeister: Lwiw erlebt schweren Luftangriff
Die Metropole Lwiw im Westen der Ukraine ist nach ukrainischen Angaben von russischen Raketen getroffen worden. Die regionale Militärverwaltung berichtete von drei heftigen Explosionen am östlichen Stadtrand. Am Himmel war eine dicke schwarze Rauchwolke zu sehen. Bürgermeister Andrij Sadowyj erklärte, dass "eine Industrieanlage, in der Treibstoff gelagert ist, in Brand geraten" sei. Mindestens fünf Menschen seien verletzt worden. Zivile Infrastruktur sei nicht getroffen worden. Der Gouverneur der Region, Maxym Kosytsky, sprach von zwei russischen Raketenangriffen am Nachmittag.
Lwiw hat bislang nur wenige Angriffe erlebt und ist rund 80 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. In dem Nachbarland war US-Präsident Joe Biden heute und gestern zu Besuch. Die Angriffe ereigneten sich kurz vor seiner Rede in Warschau. "Ich denke, das ist eine Art Warnung an Biden", kommentierte der ukrainische Sicherheitsexperte Anton Heraschtschenko den Luftangriff.
Biden: "Dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben"
In seiner Rede über den Krieg griff Biden den russischen Präsidenten Wladimir Putin scharf an und bezeichnete ihn als "Diktator". Im Warschauer Königsschloss sagte der US-Präsident, "um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben". Es gehe um einen Kampf zwischen "Demokratie und Autokratie". Der Ukraine sicherte Biden nachdrücklich die Unterstützung der USA zu: "Wir sind an eurer Seite." Unmittelbar nach Bidens Rede bemühte sich ein ranghoher Vertreter des Weißen Hauses zu betonen, dass der Präsident mit seiner Äußerung nicht direkt zum Sturz Putins aufgerufen habe. "Die Botschaft des Präsidenten war es, dass es Putin nicht erlaubt sein darf, Macht über seine Nachbarn oder die Region zu haben."
USA versichern Polen NATO-Beistand
Zudem nutze Biden seinen Besuch in Polen zu einem klaren Bekenntnis zur NATO und zur Beistandspflicht. Den Bündnisfall-Artikel des NATO-Vertrages nannte er eine "heilige Verpflichtung". Auch traf der US-Präsident in Warschau die Außen- und Verteidigungsminister der Ukraine.
Biden nennt Putin "Schlächter", Moskau reagiert
Bei einem Treffen mit geflüchteten Ukrainern im Warschauer Nationalstadion bezeichnete Biden den russischen Präsidenten als "Schlächter". Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte dazu, derartige "persönliche Beleidigungen" schränkten die Möglichkeit bilateraler Kontakte mit der US-Regierung weiter ein. Es sei "zumindest merkwürdig", solche Worte von Biden zu hören, der im Kosovokrieg 1999 zu Bombenabwürfen auf Serbien aufgerufen habe.
Mariupol ist weiter heftig umkämpft
Sowohl die russische, als auch die ukrainische Seite meldeten weiterhin heftige Kämpfe um die Hafenstadt Mariupol im Südosten des Landes. Die russische Armee beschieße aus der Luft und mit Artillerie zivile und militärische Objekte, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Bericht mit. Am Boden versuchten russische Kräfte, in das Stadtzentrum vorzudringen.
Von russischer Seite veröffentlichte das Oberhaupt der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, Videos über den angeblichen Einsatz seiner Kämpfer in Mariupol. Die strategisch wichtige Industrie- und Hafenstadt ist der einzige Abschnitt am Asowschen Meer, den Russland noch nicht kontrolliert.
Militärverwaltung: Russland erobert Slawutytsch, Einwohner protestieren
Laut ukrainischen Angaben übernahm die russische Armee die Kontrolle über die Kleinstadt Slawutytsch, den Wohnort des Personals der Atomruine von Tschernobyl. Wie die Militärverwaltung der Region Kiew mitteilte, drangen russische Soldaten in die Stadt ein, besetzten das städtische Krankenhaus und nahmen kurzzeitig den Bürgermeister gefangen. Dieser sagte der Nachrichtenagentur AFP Stunden später am Telefon, er sei freigelassen worden.
Die Militärverwaltung erklärte, aus Protest gegen die Besatzung seien Einwohner von Slawutytsch auf die Straßen gegangen und mit einer riesigen ukrainischen Flagge Richtung Krankenhaus gezogen. Das russische Militär habe Warnschüsse abgegeben und die Demonstranten mit Blendgranaten beworfen. Der Bürgermeister sprach von etwa 5000 Demonstranten.
Russland meldet Zerstörung von Waffenarsenal
Derweil erklärten die russischen Streitkräfte, sie hätten erneut ein ukrainisches Arsenal mit Waffen und Militärtechnik zerstört. Vier Raketen vom Typ "Kaliber" seien von einem Kriegsschiff im Schwarzen Meer abgefeuert und in dem Depot in der Nähe der Großstadt Schytomyr eingeschlagen. Die wichtige Industriestadt Schytomyr liegt rund 120 Kilometer westlich von Kiew. Insgesamt seien innerhalb von 24 Stunden 117 militärische Objekte zerstört worden, darunter sechs Kommandostellen und drei Kampfflugzeuge, hieß es vom russischen Verteidigungsministerium. Von unabhängiger Seite überprüfbar sind diese Angaben nicht.
Video zeigt russischem Verteidigungsminister nach Spekulationen
Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte nach Spekulationen um den Verbleib von Ressortchef Sergej Schoigu ein Video von einer Sitzung der Militärführung. Die Aufnahme ist nicht datiert, der Minister macht russischen Nachrichtenagenturen zufolge darin aber eine Anspielung auf ein Treffen mit dem Finanzminister, das am Freitag stattgefunden habe. Schoigu hatte Medienberichten zufolge seit zwei Wochen keine öffentlichen Termine mehr wahrgenommen. Zu Mutmaßungen über gesundheitliche Probleme sagte Kreml-Sprecher Peskow: "Der Verteidigungsminister hat im Moment viel zu tun." Inmitten des Konflikts in der Ukraine sei "nicht die Zeit für Medienauftritte".
Ukrainische Medien: Russen flüchten aus Stadt bei Sumy
Auch die ukrainische Seite meldete Erfolge. Im Nordosten des Landes vertrieben ukrainische Soldaten nach eigenen Angaben russische Truppen aus einer Stadt unweit von Sumy. Die Russen hätten in Trostjanez Waffen, Munition und Ausrüstung hinterlassen, schrieben mehrere Medien unter Berufung auf die 93. Brigade der ukrainischen Streitkräfte. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Region Sumy wird seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine vor mehr als vier Wochen angegriffen. Auch in der angrenzenden Region Charkiw gibt es schwere Kämpfe.
Holocaust-Mahnmal bei Charkiw getroffen
Am Stadtrand der Großstadt Charkiw wurde nach örtlichen Medienberichten ein Holocaust-Mahnmal durch russischen Beschuss beschädigt. An dem Denkmal in Form eines siebenarmigen Leuchters fehlten zwei Arme, berichtete das Portal "KharkivToday". Es gab keine Angaben, wann das Mahnmal getroffen wurde. Die Gedenkstätte Drobizkij Jar erinnert an 16.000 bis 20.000 Juden und sowjetische Gefangene, die dort 1941/42 von der nationalsozialistischen Besatzung ermordet wurden.
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Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP/rts