Politik

Kreml lehnt Ultimatum ab Nach Erfolg in Kiew wird's ernst für Kanzler Merz

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Solche Bilder hat es lange nicht mehr gegeben: Europäische Regierungschefs versuchen gemeinsam, etwas für die Ukraine zu erreichen - dass Merz hier am Rande sitzt, entsprach dabei nicht seiner Rolle.

Solche Bilder hat es lange nicht mehr gegeben: Europäische Regierungschefs versuchen gemeinsam, etwas für die Ukraine zu erreichen - dass Merz hier am Rande sitzt, entsprach dabei nicht seiner Rolle.

(Foto: -/Ukrainisches Präsidentenbüro)

Die gemeinsame Reise mit Macron und Starmer nach Kiew ist ein erster Erfolg für Kanzler Merz. Das Ultimatum für eine Waffenruhe dürfte jedoch verpuffen - durchaus erwartungsgemäß. Nun muss Merz Taten folgen lassen.

Als Oppositionsführer kann man viel fordern, verurteilen oder verlangen - als Regierungschef können Worte allein jedoch schon Taten sein. Vor allem dann, wenn man dem russischen Präsidenten ein Ultimatum stellt. Bundeskanzler Friedrich Merz, der britische Premier Keir Starmer, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk haben Kreml-Chef Wladimir Putin gedroht: Wenn er in der Ukraine nicht 30 Tage lang die Waffen schweigen lässt, dann erlässt Europa neue Sanktionen. Während dieser Waffenruhe sollen dann Russland und die Ukraine verhandeln. So weit der ursprüngliche Plan.

An diesem Montag untermauerte der neue Regierungssprecher Stefan Kornelius dieses Ultimatum noch: Putin habe noch zwölf Stunden Zeit, sagte er am Mittag in der Bundespressekonferenz. Wenn er bis dahin keiner Waffenruhe zugestimmt habe, kämen neue Strafmaßnahmen. Eine fertige neue Sanktionsliste gibt es aber offenbar noch nicht. Erst ab Dienstag soll diese vorbereitet werden. Unterdessen arbeitet die EU unabhängig davon an einem weiteren Sanktionspaket, mittlerweile Nummer 17. Das bestätigte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas an diesem Montag in Brüssel.

Russland spielt jedoch voraussichtlich nicht so mit, wie das Merz und die anderen Regierungschefs gefordert haben. Ultimaten seien nicht die Art, mit Russland zu sprechen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. Alles andere wäre aber auch eine Überraschung gewesen. Stattdessen hatte Putin am Wochenende direkte Gespräche mit der Ukraine angeboten. Sie sollen am Donnerstag in Istanbul beginnen. Der Kreml-Chef wird aber kaum in die Türkei reisen - der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hingegen schon. Er werde am Donnerstag in Istanbul auf Putin warten, sagte er. So zeigt er seine Entschlossenheit, zu einer Vereinbarung zu kommen.

Erst Feuerpause, dann Gespräche - daraus wird wohl nichts

Auch gegenüber US-Präsident Donald Trump. Denn der hat Selenskyj aufgefordert, das Gesprächsangebot Russlands anzunehmen. "Führt das Gespräch JETZT!!!" schrieb er auf seinem Netzwerk Truth Social am Wochenende.

Putin bleibt allerdings bei seinen alten Maximalforderungen: Die Ukraine darf nicht der NATO beitreten und keine Sicherheitsgarantien erhalten. Außerdem sollen die "Ursachen des Krieges" behoben werden - kurz vor der russischen Voll-Invasion im Februar 2022 hatte Putin die Osterweiterung der NATO dazugezählt und gefordert, diese rückgängig zu machen. Dass aber Länder wie Polen oder die baltischen Staaten das Bündnis wieder verlassen, ist illusorisch.

Putin ist zwar zu Gesprächen bereit, nicht aber zu einer 30-tägigen Feuerpause, wie Merz, Macron, Tusk und Starmer es wollten. Erst die Feuerpause, dann Gespräche, das war ihr Plan. Am Wochenende hatte Trump den Forderungen der Europäer in einem Telefonat noch zugestimmt.

Dann aber setzte der US-Präsident seinen Post auf Truth Social ab und durchkreuzte damit die Linie der Europäer. Zum Unmut vieler Ukrainer, wie ntv-Reporterin Kavita Sharma berichtet. Regierungssprecher Kornelius sagte nun aber, die Drohung mit Sanktionen stehe unabhängig davon, dass Selenskyj das russische Gesprächsangebot - wie von Trump gewünscht - angenommen habe. Die Bundesregierung biete dem ukrainischen Präsidenten Unterstützung bei den Gesprächen in Istanbul an. Noch immer ist unklar, wer da eigentlich mit wem sprechen wird.

Ein So-weit-so-gut-Moment

Knapp eine Woche nach seiner Wahl zum Bundeskanzler findet sich Merz damit mitten in seiner ersten diplomatischen Herausforderung wieder. Eine, die er selbst herbeigeführt hat. Kornelius zufolge hatte Merz die anderen europäischen Regierungschefs zu der Reise nach Kiew eingeladen. Allein ein solches Signal der Geschlossenheit gesendet zu haben, ist ein erster Erfolg für den Bundeskanzler. Auch wenn der direkte Effekt dieser Initiative ungewiss ist. Putin ist ein notorisch schwieriger Verhandlungspartner. Derzeit wäre es schon ein Erfolg, wenn Trump erkennt, dass Putin, nicht Selenskyj dem Frieden im Weg steht.

Wie es nun weiter geht, ist offen. Experten knüpfen keine großen Erwartungen an die Gespräche in Istanbul. Der österreichische Oberst Markus Reisner sagt bei ntv.de, er gehe davon aus, dass Russland auf Zeit spielt. Für das Land ergebe eine Waffenruhe derzeit militärisch keinen Sinn. Der neue Bundeskanzler muss nun dafür sorgen, dass den europäischen Drohungen auch Taten folgen. Und die Frage beantworten, wie Europa den Russen mit neuen Sanktionen überhaupt noch wehtun kann.

Doch wie Regierungssprecher Kornelius richtig sagte: Merz hat mit seiner Reise in die Ukraine eine neue Dynamik ausgelöst. Etwas, zu dem sein Vorgänger schon lange nicht mehr den Elan zu haben schien. Und etwas, was auch Macron und Starmer bislang so nicht geschafft haben. Und das ist eine gute Nachricht, ein erster So-weit-so-gut-Moment. Mehr allerdings auch nicht.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen