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Schweigen in Stärke Rumänien: Stabilitätsanker am Schwarzen Meer

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Anfang April besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz den rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis in Bukarest.

Anfang April besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz den rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis in Bukarest.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

In einer geopolitisch sehr schwierigen Lage erweist Rumänien sich seit Jahren als verlässlich für NATO und EU. Auch die Bundesregierung sieht das Land als Glücksfall. Einen Unterschied zwischen Berlin und Bukarest gibt es allerdings im Sprechen über die Waffenlieferungen an die Ukraine.

Rumänien hat mit etwas mehr als 600 Kilometern von allen NATO-Staaten die längste Grenze mit der Ukraine. Und damit den brutalen russischen Angriffskrieg direkt vor der eigenen Haustür. Ein weiteres Nachbarland Rumäniens ist die Republik Moldau. Beide Länder sind historisch, sprachlich und kulturell eng verbunden. Die Republik Moldau sieht sich starken hybriden Bedrohungen seitens der Russischen Föderation ausgesetzt, ist selbst jedoch kein NATO-Mitglied und verfügt nur über geringe Verteidigungskapazitäten. Auf Rumänien lastet damit viel Verantwortung für die Sicherung der südlichen NATO-Ostflanke und auch der EU-Schwarzmeerküste.

In den letzten beiden Jahrzehnten wurde das Schwarze Meer zunehmend ein Brennpunkt für das russische Vormachtstreben über seine Nachbarländer. Die Russische Föderation nutzt das Schwarze Meer für Raketenangriffe auf die Ukraine, blockiert ukrainische Häfen und vermint deren Seewege. Neben der Krim hält Russland derzeit auch weitere Teile der ukrainischen Schwarzmeerküste bis Cherson besetzt.

Auf der anderen Seite des Schwarzen Meeres liegt Georgien, in dem die Russische Föderation 2008 Krieg führte. Georgische Landesteile sind nach wie vor russisch besetzt. Die Türkei ist ein weiterer großer Schwarzmeer-Anrainer. Zwar ist die Türkei NATO-Mitglied, führt aber seit Jahren eine transaktionale Schaukelpolitik zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation. Trotz aller innenpolitischen Volatilität ist die rumänische Außen- und Sicherheitspolitik seit Jahren äußerst verlässlich pro-transatlantisch, pro-NATO und pro-europäisch ausgerichtet. So entwickelte sich Rumänien zu einem echten Stabilitätsanker auf der strategischen Schwelle zwischen Schwarzem Meer, Osteuropa und dem Westlichen Balkan.

"Der Krieg hat hier begonnen"

Rumänien ist seit 2004 Mitglied der NATO. Die rumänische Armee war jedoch zunächst lange unterfinanziert und verließ sich für den Fall des Falles auf Artikel 5 des NATO-Vertrages. Tudor Curtifan, Chefredakteur der Fachinformationsseite DefenseRomania.ro, erklärt, dass in den letzten Jahren große Modernisierungsprogramme gestartet wurden. Er verweist auf den Kauf von gepanzerten Mannschaftstransportern, Patriot-Systemen, HIMARS und Kampfjets. "Ich denke, dass die rumänische Marine zum gegenwärtigen Zeitpunkt den größten Entwicklungsbedarf hat. Unsere Verbündeten haben ihre Aufmerksamkeit in den letzten Jahren auf die Ostsee und weniger auf das Schwarze Meer gerichtet. Aber der Krieg hat hier begonnen." Rumänien strebt laut Staatspräsident Klaus Iohannis eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf bis zu 2,5 Prozent des BIP an. Rumänien macht deutlich: Verteidigung ist eine politische Priorität.

Die russische Invasion der Krim und in der Ostukraine im Jahr 2014 hatte in Rumänien sichtbar Konsequenzen: Im südrumänischen Dorf Deveselu wurde ein Stützpunkt für den Raketenschirm der NATO aufgebaut. Ein Radarsystem und US-Abwehrraketen schützen von dort aus das NATO-Territorium im Süden Europas. Auch in den NATO-Truppenstützpunkt Câmpia Turzii in der Nähe der zentralrumänischen Stadt Cluj wurde investiert. Der rumänische Staat begann zudem damit, Grundstücke und Ackerflächen rund um den Flughafen Mihail Kogãlniceanu der Küstenstadt Constanța am Schwarzen Meer aufzukaufen oder zu enteignen, um den dort gelegenen Luftwaffenstützpunkt zu erweitern. Von dem so geschaffenen, riesigen Areal wird heute die NATO Enhanced-Air-Policing Mission durch-geführt. Diese Beispiele zeigen: Rumänien wurde ab 2014 zu einem immer wichtigeren Pfeiler der NATO im Süden der Ostflanke.

Kein Wort zu Waffenlieferungen

Tudor Curtifan erklärt, was nach dem Einmarsch der Russischen Föderation in die Ukraine im Februar 2022 passierte: "Als Folge des Einmarsches verlegten die USA zunächst 1000 US-Soldaten aus Deutschland nach Rumänien. Frankreich übernahm die Führung einer NATO-Gefechtsgruppe, die neben französischen Soldaten auch Streitkräfte aus Belgien, den Niederlanden oder Luxemburg integriert. Zurzeit sind etwa 5000 alliierte Soldaten in Rumänien im Einsatz, davon 3000 Amerikaner." In Rumänien ist man sehr zufrieden mit der raschen Reaktion der NATO auf die gestiegenen Sicherheitsbedürfnisse des Landes. Auch deutsche Eurofighter waren im letzten Jahr an der NATO Enhanced-Air-Policing Mission in Rumänien beteiligt. "Mit der Beteiligung der deutschen Luftwaffe an der Sicherung der Südostflanke unseres Bündnisgebietes konnten wir das klare Signal senden: Wir stehen fest an der Seite unserer rumänischen Partner", erklärte der deutsche Botschafter in Rumänien, Peer Gebauer. "Für uns ist es gerade in diesen sicherheitspolitisch herausfordernden Zeiten ein Glücksfall, einen starken und verlässlichen Partner wie Rumänien an unserer Seite zu wissen."

Ein Unterschied zwischen Deutschland und Rumänien offenbart sich allerdings in der Berichterstattung über Waffenlieferungen an die Ukraine: Die rumänische Regierung äußert sich nicht zu diesem Thema. Offiziell wird die Linie vertreten, man wolle Russland keine sicherheitsrelevanten Informationen an die Hand geben. Diese Überlegung hindert andere europäische Regierungen allerdings nicht an der Veröffentlichung detaillierter Listen zu Waffenlieferungen. Da es durchaus wunde Punkte in den rumänisch-ukrainischen Beziehungen gibt und diese gerne von populistischen Kräften polemisch gegen Waffenlieferungen ausgespielt werden, schweigt die Regierung in Bukarest zu Teil vermutlich auch aus innenpolitischen Gründen. Daneben wird in Bukarest immer wieder auch darauf hingewiesen, dass es nicht ratsam sei, den "russischen Bären" zu sehr zu reizen. Als gut geschütztes NATO-Land dürfte Rumänien bei solchen Bemerkungen allerdings eher die Lage der Republik Moldau im Hinterkopf haben. Angesichts der massiven russischen Bedrohung des kleinen Nachbarlandes erscheint es aus rumänischer Sicht vermutlich angebracht, einiges unklar und undiskutiert zu belassen. Sehr klar äußert man sich in Rumänien jedoch zu hybriden Bedrohungen gegen das eigene Land. Hier setzt das Verteidigungsministerium auf Transparenz und Aufklärung. So betreibt das Verteidigungsministerium die sehr informative Webseite inforadar.mapn.ro, um verteidigungsrelevante Desinformation schnell und gründlich zu bekämpfen.

Rumänien erscheint in der Außenkommunikation zwar oft eher still im Vergleich zu anderen Nachbarländern der Ukraine, ist aber ein starker und verlässlicher Pfeiler der NATO-Ostflanke. Zudem zeichnet sich das Land im Süden Osteuropas durch seine konstruktive und verlässliche Beteiligung an Prozessen im NATO und EU-Kontext aus. Ein enger Schulterschluss mit Rumänien in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist für Deutschland daher sinnvoll.

Katja Christina Plate leitet das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rumänien. Sie war in der Vergangenheit in der Republik Moldau, dem Südkaukasus, Italien sowie auch in Deutschland für die Stiftung tätig.

Quelle: ntv.de

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