Politik

Geldgier statt Reue? Russischer Soldat verklagt nach Bucherfolg seine Helfer

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Nach seinem Fronteinsatz in der Ukraine veröffentlichte Filatjew mithilfe einer NGO ein Buch und floh nach Frankreich. Jetzt erhebt er Anschuldigungen gegen seine Unterstützer.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

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Zwei Monate lang kämpft der russische Fallschirmjäger Pawel Filatjew in der Ukraine. Danach schreibt er ein Buch über die Missstände in Putins Armee und verspricht, Einnahmen an die Ukrainer zu spenden. Doch als die Publikation überraschend viel Geld einbringt, kommt es zu einem Konflikt mit Filatjews Helfern. Diese behaupten, der Autor wolle die Honorare doch behalten.

Pawel Filatjew ist einer der Zehntausenden russischen Soldaten, die in der Nacht zum 24. Februar in die Ukraine einmarschiert sind. Zwei Monate ist der Fallschirmjäger an der Südfront im Einsatz, dann wird er wegen einer Augeninfektion zurück nach Russland geschickt. Nach seiner Rückkehr schreibt Filatjew ein Buch über Missstände in der russischen Armee - und verspricht öffentlich, die Einnahmen an Ukrainer zu spenden. Als das Buch aber in mehreren Ländern erscheint und eine große Summe Geld einbringt, wendet sich Filatjew, der inzwischen in Paris lebt, gegen seine Helfer, die ihn bei der Flucht und der Veröffentlichung des Werks unterstützt haben. Diese werfen ihm nun vor, die Einnahmen für sich behalten zu wollen, anstatt sie zu spenden.

In seinem Buch "ZOV" - benannt nach den taktischen Markierungen auf russischen Armeefahrzeugen - beschreibt Filatjew, der mit seiner Einheit am 24. Februar von der Krim aus in die Ukraine einmarschierte, den Kriegsalltag und seine Erfahrungen an der Front. Den 140 Seiten langen Bericht veröffentlichte der ehemalige Fallschirmjäger Anfang August zunächst im russischen sozialen Netzwerk vk.com.

Waffen niederzulegen kam für Filatjew nie infrage

Zu Beginn seines Buches kritisiert Filatjew zwar den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, im weiteren Verlauf thematisiert der Ex-Soldat aber in erster Linie Fehlentscheidungen der eigenen Armee, die zu Misserfolgen im Kampfgebiet führten. Auch schildert der Autor seine Wut auf russische Soldaten, die sich geweigert haben, zu kämpfen. Die Waffen niederzulegen, kam für ihn nach eigenen Worten nicht infrage. "Wir sind durch Patriotismus, Gesetze und Schuldgefühle mit unseren Kameraden verbunden, niemand will ein Feigling sein. Wir können unsere Waffen nicht fallen lassen und weglaufen", schreibt der 34-Jährige. Und doch inszeniert sich Filatjew als ein Kriegsgegner. Während er sich im Schützengraben vor einem Raketenbeschuss versteckt, habe er ein Versprechen abgegeben: "Gott, wenn ich überlebe, werde ich alles tun, um das zu ändern!"

Filatjew überlebt - und setzt sich nach der Evakuierung aus dem Kampfgebiet mit seinem Bericht zunächst dafür ein, sein Versprechen einzulösen. Die russische Menschenrechtsorganisation Gulagu.net organisiert seine Flucht nach Frankreich, dort beantragt er Asyl. Die NGO kümmert sich auch um die Veröffentlichung des Berichts. Anfang August erklärt Filatjew in einem Livestream mit dem Leiter der Organisation, Wladimir Osetschkin, er wolle alle Rechte an dem Buch an die Stiftungen Gulagu.net und New dissidents foundation (NDF) übertragen. Die NDF wird ebenfalls von Osetschkin geleitet. Die Einnahmen sollten demnach an Wohltätigkeitsorganisationen in der Ukraine gespendet werden. Einen Monat später unterschreiben beide Seiten nach Osetschkins Angaben einen entsprechenden Vertrag.

Helfer "stehen unter Schock"

Das Buch ist inzwischen in Deutschland, Frankreich, Estland und anderen Ländern erschienen, Gulagu.net erwartete nach eigenen Angaben Vorschüsse von über 300.000 Euro. Doch bislang floss kein einziger Euro auf das Konto, wie Osetschkin nun auf Facebook schreibt. Stattdessen wolle Filatjew den Dissidentenfonds verklagen. Demnach beschuldigt der ehemalige Fallschirmjäger den NGO-Chef, ihn unter Druck gesetzt und gezwungen zu haben, die Rechte an dem Buch zu übertragen.

"Ich und unser gesamtes Team, all diejenigen, die an der Rettung dieses jungen Mannes beteiligt waren, die aus dem Budget ihrer Familien seine Fahrkarten, Hotels, Taxis, Transfers und alles, was er brauchte, bezahlt haben, (...) die ihm ohne zu zögern Kleidung und Geld brachten, die ihm alle seine Reisen im Rahmen des Asyl- und Schutzverfahrens ermöglichten, wir alle stehen jetzt unter Schock und sind fassungslos", schreibt Osetschkin auf Facebook.

Filatjew bereitet Antwort vor

Will Filatjew das Geld nun für sich behalten? Auf Anfrage von ntv.de erklärte der 34-Jährige, er bereite ein Statement vor, in dem er seine Sicht der Situation schildern will. Die Erklärung werde demnächst auf Facebook veröffentlicht. In den sozialen Medien setzt sich der Ex-Soldat als erfolgreicher Buchautor in Szene. Er postet Fotos von Autogrammstunden, Fotoshootings und Interviews. In der Kommentarfunktion unter einem der Bilder streitet sich Filatjew mit Osetschkin. Sie bezichtigen einander der Lüge und der Heuchelei. Ansonsten äußerte sich Filatjew nicht zu den Vorwürfen. Das Foto hat er inzwischen gelöscht.

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Osetschkin vermutet, dass Filatjew anfangs nicht an den Erfolg seines Buches und daran, dass es eine große Einnahmequelle sein könnte, geglaubt habe. Als er aber verstanden habe, dass das Buch viel Geld einbringen könnte, habe er es sich doch anders überlegt und wolle nun doch das Geld behalten, anstatt es zu spenden.

Angesichts der Kehrtwende zweifelt Osetschkin nun auch an der Glaubhaftigkeit von Filatjews Bericht aus der Ukraine. "Wenn er jetzt lügt, müssten wir auch den Inhalt des Buches noch einmal gründlich überprüfen", sagte der Menschenrechtler dem belarussischen Exil-TV-Sender Belsat. "Wir werden uns für eine vorübergehende Aussetzung des Verkaufs des Buches einsetzen".

Quelle: ntv.de

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