Union und FDP fordern Tempo SPD und Grüne wettern gegen Drittstaaten-Modell
22.06.2024, 03:11 Uhr Artikel anhören
Asylbewerberunterkunft in Brandenburg: Grüne und SPD widersprechen den Ministerpräsidenten der Länder.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bei der Bewertung des Drittstaaten-Modells geht durch die Ampel-Koalition ein Bruch. Während die FDP gemeinsam mit der Union nach der Konferenz der Ministerpräsidenten auf schnelle Durchführung drängt, lehnen SPD und Grüne die Pläne rundheraus ab.
Aus der SPD kommt scharfe Kritik am Drittstaaten-Kompromiss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK). "Das Erwartungsmanagement der Ministerpräsidentenkonferenz ist erneut mangelhaft und die Aussagen gerade zu Asylverfahren in Drittstaaten erneut Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen", sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt, dem "Tagesspiegel". Es sei längst klar, dass die Drittstaaten-Modelle rechtlich "mehr als schwierig" seien und auch "praktisch nahe des Unmöglichen". Erneut werde wissenschaftliche Expertise ignoriert, kritisierte Bozkurt. "In Krisenzeiten braucht es eine politische Führung, die Orientierung liefert und das läuft gewaltig schief."
Kritik am Drittstaatenmodell kommt auch aus dem SPD-Parteivorstand. "Drittstaatenregelungen wie das britische 'Ruanda-Modell' oder die Pläne Italiens mit Albanien lösen keine Fluchtursachen", sagte Serpil Midyatli, stellvertretende Bundeschefin der SPD und Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein. "Sie schaffen neue Probleme: Asylzentren im Ausland sind teuer, ineffizient und in der Umsetzung kompliziert." Ihre Hauptkritik äußerte Midyatli allerdings in Richtung der Union: "Anstatt sich mit Maximalforderungen zu überbieten, sollte sich die Union mit praktischen Ansätzen der Bekämpfung von Fluchtursachen beschäftigen."
"Auslagerung ein Irrweg"
Ähnlich ablehnend äußert sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir. "Insbesondere die unionsgeführten Länder geben sich der Illusion hin, dass man sich der humanitären Verantwortung für Schutzsuchende entledigen kann", sagte Demir der Zeitung. Der Migrationsexperte sprach von "einem fatalen Signal an die Weltgemeinschaft". Verfahren in Drittstaaten seien aufwändig und teuer und verlangten teilweise doppelten Rechtsschutz.
"Die selbst für Deutschland teilweise herausfordernden Verfahren und Integrationsbemühungen solchen Staaten aufzubürden, die über deutlich geringere Ressourcen verfügen, ist zudem ein Irrweg", ergänzte Demir. Der SPD-Politiker bedankte sich bei den drei Ländern, die bei der Ministerpräsidentenkonferenz kritische Protokollerklärungen abgegeben hatten. "Ich bin den Landesregierungen in Niedersachsen, Bremen und Thüringen dankbar, dass sie ausgelagerten Verfahren als Abschreckungsinstrument eine Absage erteilen."
Auch Grüne Jugend ablehnend
Am Donnerstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz auf Druck der unionsgeführten Bundesländer eine Prüfung von Asylverfahren in Drittstaaten zugesagt. Ergebnisse sollen bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember vorliegen. Scholz hatte bei einer Pressekonferenz aber ebenfalls seine Skepsis zum Ausdruck gebracht.
Auch die Sprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, erteilte allen Drittstaatenplänen eine Absage. "Die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz sind ein weiterer Schritt hin zu einer restriktiven Abschiebepolitik", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Über ein Drittstaatenmodel zu philosophieren, ist schlichtweg unseriöse Politik und eine Ablenkungsdebatte. Ich halte es für höchst fragwürdig, dass ein solches Modell funktionieren und vor Gerichten standhalten kann."
Union und FDP: Erwartungen der Bürger erfüllen
Nach dem Treffen der Länderchefs mit Scholz hatten Union und FDP weitere Schritte in der Migrationspolitik gefordert. "Bei SPD und Grünen fehlt es am politischen Willen, ihre Migrationspolitik zu korrigieren", sagte Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Union im Bundestag, dem "Tagesspiegel". Er kritisierte, dass die Ampel in einer "Parallelwelt" lebe. "Zu Recht erwarten die Bürger kein weiteres Verzögern von Entscheidungen, sondern eine umgehende Kurskorrektur", sagte Frei und forderte insbesondere weitere Schritte für das Modell sicherer Drittstaaten. "Die rechtliche Umsetzbarkeit dürfte inzwischen unbestritten sein. Es ist daher mehr als nur bedauerlich, dass sowohl der Kanzler als auch mehrere SPD-Ministerpräsidenten auf der Bremse stehen", sagte Frei.
Ähnlich äußerte sich Christoph Meyer, stellvertretender Vorsitzender der FDP im Bundestag: "Die Drittstaatenregelung und die Bargeldobergrenze bei der Bezahlkarte dürfen nicht gleich wieder aus der Bundesregierung, SPD- und Grünen-Ländern relativiert oder grundsätzlich hinterfragt werden", sagte er dem Blatt. "Bund und Länder haben zu liefern und die Erwartungen der Bürger zu erfüllen, alles andere ist Wahlkampfhilfe für die AfD", so Meyer.
Quelle: ntv.de, mau