Rhein sieht "Meilenstein" Die Migrationspolitik von Bund und Ländern wird härter
21.06.2024, 12:37 Uhr Artikel anhören
Den unionsgeführten Bundesländern geht es nicht schnell genug. Trotzdem sieht Boris Rhein, der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, einen "Meilenstein".
(Foto: IMAGO/Bernd Elmenthaler)
Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag stand erneut die Migrationspolitik im Mittelpunkt. Durchbrüche gab es nicht, allerdings wurde deutlich: Die Migrationspolitik von Bund und Ländern wird härter. Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan sind kein Tabu mehr, auch wenn es in der Debatte zwischen den Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz nur um Straftäter und terroristische Gefährder ging. Ein Überblick über die Ergebnisse des Treffens.
Asylverfahren in Drittstaaten
Die Bundesländer hatten bereits vor ihrem Treffen mit dem Kanzler von der Bundesregierung gefordert, "dass konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Dritt- und Transitstaaten entwickelt werden", wie der hessische Ministerpräsident Boris Rhein am Abend in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz sagte. Der CDU-Politiker Rhein ist derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Die gemeinsame Forderung der Länder sei "ein Meilenstein", so Rhein. Es solle jetzt nicht bei Gutachten bleiben, "sondern jetzt werden Modelle geliefert und konkrete Vorschläge zur Umsetzung gemacht".
Gemeint ist beispielsweise das sogenannte Ruanda-Modell oder auch die Variante des Abkommens zwischen Italien und Albanien. Allerdings ist das Thema rechtlich und politisch schwierig, viele funktionierende Beispiele für solche Drittstaatenregelungen gibt es nicht. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil sagte, mit Blick auf eine etwaige Drittstaatenregelung habe er "persönlich einiges an Skepsis". Er betonte zugleich, dass die Modelle, die von der Bundesregierung vorgelegt werden sollen, offen geprüft werden müssten.
Scholz wies darauf hin, dass es beim Italien-Albanien-Abkommen "um 3000 Leute" gehe, beim britischen Ruanda-Modell um 6000 Personen. "Das hat natürlich mit den Größenordnungen, die Deutschland bewältigen muss, nur ein bisschen zu tun." Trotzdem sei es richtig, "dass wir immer alles in alle Richtungen prüfen und an vielen Baustellen arbeiten". Das Thema soll bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz wieder auf der Tagesordnung stehen.
Pushbacks sind hochumstritten
Weil sagte, die Zurückweisungen an der Grenze, die sogenannten Pushbacks, seien "ein sehr schwieriges Thema, wo es mit Sicherheit auch nicht ohne Änderungen auf europäischer Ebene gehen wird". Diese Änderungen seien allerdings notwendig. "Wenn jemand in einem anderen sicheren Land einen Asylantrag stellt und dann an der deutschen Grenze aufgegriffen wird, dann muss doch so etwas möglich sein", sagte Weil.
Diese Pushbacks sind hochumstritten: "In dem Moment, in dem ein Mensch an der Grenze um Schutz nachsucht, muss ein Asylverfahren angestrengt werden", sagt der Migrationsexperte Jochen Oltmer. "Aber selbst, wenn man der Auffassung wäre, dass es rechtlich möglich ist, die Grenzen zu schließen - was würde das bedeuten? Deutschland geriete sofort in Konflikte mit seinen Nachbarländern. Es käme zu Kettenzurückweisungen: Deutschland würde nach Österreich zurückweisen, Österreich nach Ungarn, und so weiter. Am Ende steht immer die Frage: Wie steht es um die Außengrenzen der EU?"
Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien
Mit Blick auf Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan und Syrien gab es einen Konsens. Scholz' Ankündigung im Bundestag, Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder auch in Länder wie Afghanistan und Syrien abzuschieben, wurde von den Ländern begrüßt. "Wir erwarten, dass dafür zügig die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden", sagte Rhein.
Die Debatte hatte Fahrt aufgenommen, nachdem ein Afghane in Mannheim einen Polizisten ermordet hatte. Von der Union und der FDP werden mittlerweile auch generell Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan gefordert. Das spielte in den Gesprächen am Donnerstag allerdings keine Rolle.
Widerspruch aus vier Ländern
Die rot-rot-grünen Regierungen Thüringens und Bremens distanzierten sich in einer Protokollerklärung von dem Vorhaben einer Drittstaatenregelung. Die gemeinsame europäische Asylpolitik müsse die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren und Humanität sicherstellen, heißt es darin. "Die Verlagerung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten entspricht diesen Anforderungen nicht."
Den unionsgeführten Bundesländern Bayern und Sachsen gingen die Beschlüsse dagegen nicht weit genug. Sie legten einen Fünf-Punkte-Plan vor, der unter anderem die Forderung nach einem "Sofort-Arrest" für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder enthält, die nicht abgeschoben werden können.
Bezahlkarte
Die Bundesländer hatten sich vor ihrem Gespräch mit Scholz mehrheitlich darauf verständigt, dass es mit Bezahlkarte für Asylbewerber maximal 50 Euro im Monat geben soll. Beschlossen ist die Maßnahme bereits, jetzt ging es nur noch um die konkrete Ausgestaltung, die bei den Ländern liegt. "Die Bezahlkarte kommt, sie wird im Sommer an den Start gehen", sagte Rhein. Eine Mehrheit von 13 der 16 Bundesländer habe sich auf die Bargeldobergrenze in Höhe von 50 Euro geeinigt.
Rhein bezeichnete die Bezahlkarte als "ein gemeinsames Erfolgsmodell im Kampf gegen illegale Migration", da sie Anreize reduziere und helfe, Schleuser zu stoppen. Die Gewerkschaft der Polizei hatte davon abgeraten. Geflüchtete stünden nicht selten unter dem Druck, Krankheitskosten der Familien im Herkunftsland mitzutragen, oder schuldeten Schleusern Geld, sagte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke. Er befürchtet, dass Asylbewerber in die Kriminalität gedrängt werden: "Wenn hier nicht Maß und Mitte gehalten werden, besteht das Risiko, dass Geflüchtete versuchen werden, sich das nötige Geld über kriminelle Machenschaften zu besorgen."
Quelle: ntv.de, hvo