Politik

Handelskrieg mit China und EU "Trumps Zölle würden Deutschland bis zu 137 Milliarden Euro kosten"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Trump droht China und der EU mit Strafzöllen, sollte er wieder US-Präsident werden.

Trump droht China und der EU mit Strafzöllen, sollte er wieder US-Präsident werden.

(Foto: picture alliance / Anadolu)

Ein Wiedereinzug Trumps ins Weiße Haus wäre für die Europäer eine wirtschaftliche Katastrophe. Speziell Deutschland, das von Exporten in die USA abhängt, würde von Trumps angedrohten Strafzöllen hart getroffen, sagt Samina Sultan, Expertin des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW).

ntv.de: Wird Trump die EU und Deutschland in einen Handelskrieg stürzen, falls er wieder ins Weiße Haus einzieht?

Dr. Samina Sultan: Trumps erste Amtszeit ist eine Blaupause für all das, was man in der zweiten Amtszeit erwarten kann. Schon damals hatte Trump das Handelsbilanzdefizit mit einigen europäischen Staaten, darunter Deutschland, angeprangert. Trump sieht Handelsbilanzdefizite als das Resultat unfairer Praktiken an. Davor will er die USA mit Zöllen schützen. Deshalb erwarte ich in einer möglichen zweiten Amtszeit eine Verschärfung des Handelskonflikts zwischen der EU und den USA. So hat Trump schon angekündigt, dass er einen universellen Zoll von 10 Prozent auf alle Importe - außer aus denen aus China - einführen würde. Das betrifft auch europäische und deutsche Produkte. Ich erwarte aber den wahren Handelskrieg eher zwischen den USA und China.

Trumps Drohungen zufolge muss China mit noch höheren Strafzöllen als die EU rechnen, nicht wahr?

Genau. Speziell auf chinesische Importe würde dann ein Zoll in Höhe von 60 Prozent statt der derzeit 20 Prozent im Durchschnitt erhoben. Welche Auswirkungen das hat, haben wir in einer Studie beim IW simuliert. Dann haben wir auch den zweiten Schritt simuliert, bei dem wir angenommen haben, dass China seine Zölle auf US-Importe ebenfalls um 40 Prozentpunkte erhöht.

Samina Sultan ist Senior Economist für europäische Wirtschaftspolitik und Außenhandel beim IW.

Samina Sultan ist Senior Economist für europäische Wirtschaftspolitik und Außenhandel beim IW.

(Foto: Samina Sultan)

Insbesondere die deutsche Wirtschaft ist eng mit der chinesischen verknüpft. Was tut Deutschland mehr weh: Trumps geplante Zölle gegen China und die möglichen Gegenmaßnahmen aus Peking – oder Trumps Einfuhrbeschränkungen für Produkte aus der EU?

Das macht für Deutschland nicht den entscheidenden Unterschied. Deutschland wird in beiden Szenarien hart getroffen: sowohl durch die Einführung der US-Zölle als auch durch mögliche chinesische Gegenmaßnahmen. Deutschland ist sehr exportorientiert, die USA sind derzeit unser wichtigster Handelspartner und China ist auch sehr bedeutend. Wir haben das in der Studie durchgerechnet und kommen für Deutschland - über die vier Jahre einer zweiten Amtszeit Trumps - auf einen wirtschaftlichen Gesamtschaden in Höhe von 120 bis 150 Milliarden US-Dollar, umgerechnet 110 bis 137 Milliarden Euro. Die 150 Milliarden Dollar beziehen sich auf das Szenario, in dem China Gegenzölle gegen die USA verhängt. Weitere Effekte wären zum Beispiel, dass die Arbeitslosenquote um fast einen halben Prozentpunkt ansteigen würde.

Folgen Trumps Drohungen überhaupt irgendeiner wirtschaftlichen Logik?

Der Ausgangspunkt für Trumps Drohungen ist das eingangs erwähnte Handelsbilanzdefizit der USA. Das bedeutet, dass die USA mehr importieren als exportieren. Trump versteht Handel als eine Art Nullsummenspiel: Wenn der eine gewinnt, verliert der andere. Das ist weit entfernt von ökonomischer Logik. Demnach ist in der Regel Handel eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Trumps Sicht auf den Handel ist demnach verquer. Er würde mit den Strafzöllen auch den USA und der amerikanischen Bevölkerung schaden. Der EU und ihren Mitgliedsstaaten schaden sie aber mehr, da die USA selbst ein relativ großer Markt sind, der sehr viel selbst konsumiert. Deswegen sind die USA nicht so exportabhängig wie wir.

Wie kann die EU Trump die Stirn bieten?

Die EU wird Trump nur die Stirn bieten können, wenn sie ihm gegenüber geeint auftritt. Da sieht man schon Abweichungen. Wir haben das ja jetzt bei Orban erlebt, als er in den USA Trump besucht hat. Man weiß auch nicht, was nach der Wahl in Frankreich passiert und wie die neue Regierung in Paris Trump gegenüber eingestellt ist. Solange der Präsident der USA noch Biden heißt, sollte man die Beziehung möglichst vertiefen. Es gibt etwa den Trade and Technology Council, wo zumindest im Moment noch ein Gesprächsforum zwischen den USA und Europa für Handelsthemen besteht. Dieses Format sollte man möglichst festzurren, damit es nicht sofort wieder von Trump beseitigt werden kann.

Gibt es Möglichkeiten für Handelsabkommen, die der EU helfen könnten?

Es gibt das sogenannte Critical Materials Minerals Agreement, das noch zwischen der EU und den USA verhandelt wird. Dabei geht es darum, dass die Lieferketten für kritische Rohstoffe für die Produktion von E-Auto-Batterien zwischen der EU und den USA gestärkt werden. Mit einem Abkommen würden E-Auto-Firmen aus der EU auch Zugang zu den Vergünstigungen des Inflation Reduction Act bekommen und würden somit unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen auf dem US-Markt konkurrieren können wie heimische Unternehmen oder solche aus Drittländern, mit denen die USA bereits ein Abkommen haben, wie etwa Japan. Die Europäer müssen auch ihre weltweiten Handelsbeziehungen ausbauen, etwa durch ein Abkommen mit den Mercosur-Staaten (Brasilien, Bolivien, Argentinien, Uruguay und Paraguay), Indonesien oder Indien. Das würde die Abhängigkeit von den USA verringern. Schließlich sollten wir nicht davor zurückschrecken, Trump glaubhafte Vergeltungsmaßnahmen anzudrohen.

Während Trumps letzter Amtszeit verhängte die EU Strafzölle auf ganz verschiedene Produkte, darunter Erdnussbutter, Jeans, Bourbon Whiskey, Orangensaft und Motorräder der Marke Harley-Davidson. Warum?

Harley-Davidson etwa wurde von der EU mit einem Importzoll von 50 Prozent belegt – als Gegenreaktion auf die Importzölle der USA auf europäischen Stahl und Aluminium. Insgesamt wählte die EU symbolisch wichtige Produkte aus, die in solchen Bundesstaaten gefertigt werden, in denen die Republikanische Partei den Gouverneur stellte. Damit versuchte man auch, die Republikanische Partei gegen Trump aufzubringen und sie dazu zu bringen, ihn zu einer Einigung mit der EU zu drängen.

Hat das etwas bewirkt?

Das ist schwierig einzuschätzen, da Biden Präsident wurde, bevor die zweite Welle an EU-Gegenzöllen in Kraft trat. Dass die EU diesen Trumpf noch im Ärmel hatte, durfte dazu beigetragen haben, dass unter Biden die gegenseitigen Zölle ausgesetzt werden konnten.

Durch welche Zölle könnte die EU der US-Wirtschaft bei einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps besonders schaden?

Wesentliche Exportgüter der USA nach Europa sind insbesondere Transportgüter, chemische Erzeugnisse oder auch Computer und elektronische Produkte. Zölle hierauf würden den größten wirtschaftlichen Schaden für die USA bedeuten. Aber sie würden auch uns extrem schaden, weil die Güter hier teurer würden. Deswegen glaube ich, dass es wieder auf diese gezielten Zölle auf symbolisch wichtige Güter hinauslaufen würde, zumindest als erster Schritt. Damit schnitten die Europäer sich nicht zu tief ins eigene Fleisch.

Mit Samina Sultan sprach Lea Verstl

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen