Politik

Rede bei erstem BSW-Parteitag Wagenknecht holt zum Rundumschlag aus

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Es ist soweit, das neue Bündnis Wagenknecht nimmt Formen an. Auf dem Gründungsparteitag ihrer Partei erklärt die Gründerin, was für eine Politik sie sich vorstellt. Dabei liest sie Ampel und Union die Leviten und wirbt um AfD-Wähler.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat sich bei seinem ersten Parteitag als Sammelbecken für Unzufriedene aus dem gesamten politischen Spektrum präsentiert. Ausdrücklich wurde auch um Anhänger der rechtspopulistischen AfD geworben. Co-Parteichefin Wagenknecht sagte in Berlin, die Politik müsse geändert werden. "Da ist etwas am Kippen in unserer Gesellschaft." Es gebe viel Unmut und auch Wut.

Wer die AfD schwächen wolle, müsse den Mindestlohn auf 14 Euro oder mehr anheben, sich für höhere Renten einsetzen, außerdem bezahlbare Energie und Krankenhäuser ohne Renditedruck. Versagen der Ampel-Politik führe dazu, dass die AfD in Umfragen auf über 20 Prozent komme und teilweise stärkste Kraft in einigen ostdeutschen Ländern sei.

Das Thema gesellschaftliche Ungleichheit soll einer der Schwerpunkte der neuen Partei sein. Wagenknecht sagte: "Wir müssen wieder reden über gesellschaftliche Ungleichheit (...), über die Enteignung der Fleißigen." Es gebe immer mehr Berufe, die früher einen bescheidenen Wohlstand ermöglicht hätten. Und in denen die Einkommen heute so seien, dass man mit ihnen nie die Chance auf ein halbwegs gutes Leben habe, auf ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit, auf eine solide Familienplanung oder gar auf ein eigenes Häuschen. "Das muss sich doch wieder ändern in unserem Land", sagte Wagenknecht.

In ihrer Rede warf Wagenknecht der Politik insgesamt Abgehobenheit vor. Mit Blick auf die Bauernproteste sagt sie, die Ampel lebe "in einem Paralleluniversum", überhaupt habe Deutschland die "dümmste Regierung Europas", zu deren Ablösung sie aufrief. Die Belastungen für Landwirte müssten komplett zurückgenommen werden.

Die Regierung habe den Bürgern einen Mix aus Steuersenkungen und Steuererhöhungen zum Jahresbeginn offeriert. Dies belaste wieder einmal die Ärmeren und die untere Mitte, während die, die richtig viel verdienten, am Ende sogar noch mehr Geld in ihrem Geldbeutel hätten. "Es müsste doch gerade umgekehrt sein. Dafür setzen wir uns ein", sagte Wagenknecht, die auch Vorsitzende des BSW ist.

Wagenknecht forderte außerdem ein Ende der Waffenexporte an die Ukraine. Die langjährige Linken-Politikerin sagte, der Krieg könne auf dem Verhandlungsweg beendet werden, und zwar schnell.

Mehr über Ungleichheit reden

CDU-Chef Friedrich Merz wäre als Kanzler "ganz sicher nicht das kleinere Übel", weil er Taurus an die Ukraine liefern wolle, damit diese "Moskau angreifen kann". Weite Strecken ihrer Rede hielt sie in spöttischem Unterton. Über die jüngsten Waffenzusagen des Luftabwehrsystems Iris-T an Saudi-Arabien sagt sie: "Die Raketen tragen immerhin den weiblichen Namen Iris, so viel Feminismus muss im Hause Baerbock offenbar sein, und wenn in den Rüstungsverträgen gegendert wird, dann ist die grüne Welt in Ordnung."

Wagenknecht kritisierte, dass viele Demonstrationen in Medien zu schnell in die rechte Ecke gestellt würden. "Das Werben für Frieden - rechts, die Verteidigung der Bauernhöfe - rechts, die Kritik an Schulschließungen und Konformitätsdruck in der Corona-Zeit - rechts, die Forderung nach Begrenzung der Zuwanderung und die Sorge vor islamistischen Parallelgesellschaften - rechts."

Den aktuellen Umfrageerfolg der AfD erklärt Wagenknecht so: "Nachdem man den Leuten jahrelang eingehämmert hat, dass alles Vernünftige rechts sei", wundere man sich, dass eine rechte Partei erstarke. Das sei "nicht Ergebnis einer genialen Politik in der AfD-Zentrale", sondern einer falschen Politik in Berlin. Über die jüngsten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus sagt sie: "Jetzt gehen die Ampel-Politiker selbst auf die Straße und demonstrieren gegen die Ergebnisse ihrer eigenen Politik." Wagenknecht schimpfte auf "verwöhnte Jungpolitiker", auf den "aufgeblasenen Moralismus dieser angeblichen Fortschrittskoalition" und rief in den Saal: "Wer soll so einer Regierung noch irgendetwas glauben?"

Wagenknecht rief ihre Mitstreiter dazu auf, an einem Strang zu ziehen. Die Parteimitglieder seien sehr unterschiedlich, sagte Wagenknecht. Darunter seien etwa Gewerkschafter, Unternehmer, Krankenpfleger, Polizisten, Theologen, Großstädter und Dorfbewohner.

Die Partei werde nur erfolgreich sein, wenn die Mitglieder diese "Unterschiedlichkeit als Gewinn begreifen, wenn wir Toleranz und Respekt nicht nur in der Gesellschaft einfordern, sondern auch hier in unserer Partei leben. Das muss unser Auftrag, und das muss unser Ziel sein."

Gysi übt Kritik

Wagenknecht sagte weiter: "Wir sind keine Linke 2.0. Das muss auch für unseren Umgang miteinander gelten. Lasst uns eine Partei des Miteinanders werden und nicht eine Partei der Intrigen und des Postengeschachers wie alle anderen." Es sollten Strukturen im BSW geschaffen werden, in denen sich nicht die Rücksichtslosesten und Intrigantesten durchsetzen, sondern die Talentiertesten und Besten.

"Denn das wollen wir auch in der Gesellschaft. Dann fangen wir bei uns an. Das ist ganz wichtig, das wird uns von allen anderen unterscheiden, wenn wir so sind." Wagenknecht rief die Mitglieder dazu auf, pfleglich miteinander umzugehen - das müsse das Credo sein.

"Es ist unsere Verantwortung, die großen Erwartungen, die Hoffnungen, die jetzt ganz viele Menschen auf uns setzen (...), lasst uns diese Hoffnungen, diese Erwartungen nicht enttäuschen", rief Wagenknecht.

Beim Parteitag sollen Programm und Kandidatenliste des BSW für die Europawahl im Juni festgezurrt werden. Die ehemalige Linken-Politikerin Wagenknecht hatte ihre Partei am 8. Januar mit etwa 40 Menschen gegründet und die ersten 450 Mitglieder aufgenommen. Die 54-Jährige ist Co-Vorsitzende, gemeinsam mit der früheren Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali.

Derweil kritisierte Linken-Politiker Gregor Gysi Wagenknecht und ihre neue Partei. Es sei ein unmoralischer Beginn für das BSW, weil zehn Bundestagsmandate "gestohlen" worden seien, sagte Gysi am Samstag beim Landesparteitag der brandenburgischen Linken in Templin. Nach dem Parteiaustritt von zehn linken Bundestagsabgeordneten hatten diese ihre Parlamentsmandate nicht abgegeben. Das Argument stimme auch nicht ganz, dass die meisten Menschen die Linke nur wegen Wagenknecht gewählt hätten, meinte Gysi.

Quelle: ntv.de, vpe/rts/dpa

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