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Einparteienstaat als Exportware Wie China in Afrika politische Führungskräfte schult

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Die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan im November 2022 zu Besuch bei ihrem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping.

Die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan im November 2022 zu Besuch bei ihrem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping.

(Foto: IMAGO/Xinhua)

An einer Schule für politische Führungskräfte in Tansania preisen chinesische Dozenten die Vorzüge einer Regierung, die über dem Gesetz steht. Entgegen wiederholter Beteuerung exportiert Peking sein autoritäres Modell in demokratisch regierte Länder.

Export-Weltmeister China steht im Verdacht, neben Waren, Dienstleistungen und Technologien auch sein autoritäres Regierungssystem im Ausland feilzubieten. So wie die USA vor allem im 20. Jahrhundert die Verbreitung der Demokratie global förderten, so will Peking möglicherweise seinerseits der Welt das autokratische Regieren schmackhaft machen.

Mehr als Indizien gab es dafür bislang allerdings nicht. Zumal Peking sich gegen den Vorwurf wehrt, irgendwem sein politisches System aufzudrängen zu wollen. Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sind nach Pekings Lesart tabu. Schließlich klopft China selbst jedem auf die Finger, der sich in Angelegenheiten einmischt, die China als innenpolitisch definiert.

Die Darstellung bekommt jedoch zunehmend Risse. Eine gemeinsame Recherche des US-Onlinemediums Axios und der dänischen Zeitung "Politiken" weist darauf hin, dass die Kommunistische Partei Chinas autokratische Strukturen in Demokratien bewirbt. Im Fokus: der Süden Afrikas.

Schlüsselelemente autoritären Regierens

An der Mwalimu Julius Nyerere Leadership School in Tansania lehren chinesische Experten, die aus Peking entsandt werden, um afrikanische Führungskräfte auszubilden. Zu den Studieninhalten zählt das Konzept der "gezielten Armutsbekämpfung" von Chinas Präsident Xi Jinping oder auch die chinesische Klimapolitik. An sich nichts Verwerfliches. Doch laut Bericht werden den Studenten aus sechs Ländern auch Schlüsselelemente autoritären Regierens vermittelt.

So empfehlen die chinesischen Dozenten beispielsweise, dass eine Regierungspartei über den Staatsorganen und den Gerichten stehen sollte - wie in einer Diktatur üblich. Weiterer Tipp der Autokratie-Botschafter: strenge Parteidisziplin zur Sicherstellung der Ideologie.

Die Schule, die 2022 eröffnet wurde, richtet sich vornehmlich an Funktionäre von sechs selbst ernannten Befreiungsparteien im südlichen Afrika: die Revolutionäre Partei Tansanias, den ANC aus Südafrika, die Swapo aus Namibia, die MPLA aus Angola, die ZANU-PF aus Simbabwe und die Frelimo aus Mosambik. Alle sechs Parteien sind demokratisch an die Spitze der Regierungen ihrer jeweiligen Länder gewählt worden und regieren zum Teil seit vielen Jahren.

Für China geht es um "die nationale Befreiung" der Partnerländer

Explizit werden an der Schule junge Mitglieder von Regierungsparteien weitergebildet. Oppositionen stehen außen vor. Für Politikwissenschaftlerin Anne-Marie Brady von der Universität von Canterbury in Neuseeland ist das ein klarer Fall von Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten. "Wenn man nicht das gesamte politische System unterstützt, sondern nur eine Partei, fördert man den Autoritarismus", sagte Brady Axios.

Finanziert wurde die Schule mit chinesischem Geld. Auf dem Campus wehen die Flaggen der Parteien und in ihrer Mitte Chinas Nationalflagge. Zur Grundsteinlegung im Jahr 2018 erkor Xi Jinping das Sextett in einer Grußbotschaft zu den wichtigsten Kräften im südlichen Afrika, "um die nationale Befreiung und den wirtschaftlichen Aufbau in ihren jeweiligen Ländern anzuführen".

Der Autoritarismus-Export gilt unter Wissenschaftlern noch als umstritten, weil er bisher schwierig zu untermauern war. Das globale Infrastrukturprojekt Neue Seidenstraße hat viele Zielländer chinesischer Investitionen zwar in die Schuldenfalle gestürzt, eine Autokratisierung betroffener Staaten ist aber noch nicht festzustellen. Daniel Mattingly von der Universität Yale, dessen Forschungsschwerpunkt auf autoritärer Politik in China liegt, findet es jedoch "bemerkenswert", dass es Studenten gibt, die die Schule mit der Erkenntnis verließen, dass man "zu einem viel stärkeren Einparteienstaatsmodell übergehen müsse".

Verbündete in der neuen Weltordnung

Für China wäre eine Autokratisierung demokratischer Staaten aus mehreren Gründen attraktiv. Wirtschaftliche Interessen könnte das Land dort leichter durchsetzen, weil Oppositionen und Zivilgesellschaften keinerlei Einfluss bliebe. Ein Export ihres autoritären Systems könnte der Volksrepublik auch Verbündete in einer neuen Weltordnung sichern, in der die Bedeutung der USA reduziert werden soll.

China versucht, besonders dort gute Verbindungen zu knüpfen, wo wertvolle Rohstoffe locken. Mit dem wachsenden BRICS-Bündnis hat Peking bereits ein neues Machtzentrum geschaffen. Allerdings sind mit Indien und Brasilien auch große demokratische Volkswirtschaften Mitglieder im Bündnis, die ihre eigenen Interessen stark vertreten und deren Solidarität mit China Grenzen hat.

In Afrika dagegen wirkt Chinas wirtschaftliche Kraft scheinbar grenzenlos anziehend. Die Funktionärsschule in Tansania ist nicht der einzige Kanal, über den Chinas Parteistaat seine Botschaften für afrikanische Führungskräfte verbreitet. Schon im Mai 2019 besuchten Vertreter der simbabwischen Regierungspartei ZANU-PF eine ideologische Schulung der KP. Man müsse über die Befugnisse der Regierungspartei reden, regte ZANU-PF-Chef Oppah Muchinguri-Kashiri damals an. Zwei Jahre eröffnete die Partei ihre erste ideologische Ausbildungsschule für Parteikader und Beamte.

"Eckpfeiler für die Unterstützung des Einflusses Chinas im Globalen Süden"

Auch in die Demokratische Republik Kongo hat China seine Fühler ausgestreckt. 2020 veranstaltete die KPCh eine virtuelle Schulung für rund 50 Beamte der mittleren bis höheren Ebene der Partei der Arbeit. Kernthema damals: Wie die Regierungspartei eine führende Rolle beim sozialen und wirtschaftlichen Aufbau spielen könne.

"Trotz ihres undemokratischen Charakters wirbt die KPCh im Globalen Süden aktiv für ihr Parteistaatsmodell als idealen Weg zur raschen Modernisierung und Gewährleistung politischer Stabilität", bilanziert der Autoritarismus-Experte Benjamin R. Young von der School of Government and Public Affairs in Virginia bei Nikkei Asia.

Für Young ist das keine große Überraschung. Die Abteilung für internationale Verbindungen des Zentralkomitees der KPCh kümmert sich seit Jahren um den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu ausländischen politischen Parteien, insbesondere zu denen in Afrika südlich der Sahara. Xi Jinping habe diese Kontaktaufnahme "als Eckpfeiler für die Unterstützung des wachsenden Einflusses Chinas im und um den Globalen Süden neu priorisiert".

Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den Parteien exportiere Peking seine Prinzipien der Zentralisierung und autokratischen Einparteienherrschaft in die Entwicklungsländer. In der Mwalimu Julius Nyerere Leadership School in Tansania sind es gleich sechs Entwicklungsländer auf einmal.

Quelle: ntv.de

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