Falls Trump gewinnt Wo sich Deutschland vorbereiten kann - und wo nicht


Trump ist durch das Attentat noch gestärkt worden - eine zweite Amtszeit erscheint in Reichweite. Sein möglicher Vizepräsident Vance liegt mit ihm voll auf einer Linie.
(Foto: IMAGO/MediaPunch)
Vielen gilt Donald Trump spätestens seit dem Attentat als haushoher Favorit auf den Wahlsieg im November. Ist Deutschland darauf vorbereitet? Was könnte die Regierung tun? Einiges ist bereits passiert, doch es gibt ein Problem.
Die Wahl in den USA ist noch nicht entschieden - doch kaum jemand rechnet noch mit einem Wahlsieg von Präsident Joe Biden. Höchste Zeit für Deutschland und Europa, sich auf eine zweite Amtszeit von Donald Trump vorzubereiten.
Laut dem Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Link, passiert das bereits - auf mehreren Ebenen, wie der FDP-Politiker der "Wirtschaftswoche" sagte. Doch geht es um Trump, hat jede Vorbereitung ihre Grenzen. Man könne nie genau wissen, was alles passieren kann, sagte Link. "Denn genau das gehört zu Trumps Persönlichkeit: unvorhersehbar und unberechenbar zu sein." Das ist das entscheidende Problem: Wie soll man sich auf jemanden einstellen, der sich kaum ausrechnen lässt? CSU-Verteidigungspolitiker Thomas Silberhorn rät im Gespräch mit ntv.de dazu, Kontakte auf allen Ebenen zu knüpfen. Auch im erweiterten Umfeld Trumps. Da sei nicht alles schwarz oder weiß. Man müsse Handlungsspielräume ausloten.
Tatsächlich entstehen allerlei Papiere und Pläne um Trump herum. Aber wie viel wird davon tatsächlich umgesetzt? Vergangene Woche erst wies Trump zurück, etwas mit dem ominösen "Project 2025" des konservativen Thinktanks Heritage Foundation zu tun zu haben. Dahinter verbirgt sich ein radikaler Umbau der Regierung, deutlich mehr Befugnisse für den Präsidenten sowie die Abschaffung der Bundespolizei FBI und mehrerer Ministerien.
Dennoch gibt Trumps erste Amtszeit natürlich Hinweise darauf, was zu erwarten ist. Der große Unbekannte wie 2016 ist er nicht. Damals gab es mit Deutschland und Europa zwei große Themen: Verteidigung und Handel. Aber auch geopolitisch könnte es Konflikte geben, beispielsweise mit China. Vieles davon wäre für Deutschland allein eine Nummer zu groß. Die EU hingegen hat Gewicht - das sie aber nur geschlossen auf die Waage bringen kann.
Verteidigung - viel passiert, aber ist es genug?
Ist Deutschland in der Verteidigung ausreichend vorbereitet? Es kommt natürlich darauf an, was man unter "ausreichend" versteht. Ist "ausreichend" gleichbedeutend mit "zufriedenstellend für Trump"? Dann hätte Deutschland mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr etwas vorzuweisen. Dadurch erreicht die Bundesrepublik seit diesem Jahr das mit den NATO-Partnern vereinbarte Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. 23 der 31 Bündnispartner haben das mittlerweile geschafft, gegenüber sieben vor fünf Jahren.
Unmittelbarer Anlass für das Sondervermögen war der russische Überfall auf die Ukraine. Doch der generelle Aufwuchs des Verteidigungsetats hat auch viel mit Trumps Drohen und Gepolter zu tun, daran dürfte es nichts zu deuteln geben. Das gefällt Trump. Er stellt selbst immer wieder heraus, wie er die NATO-Partner dazu gebracht habe, "mehr zu bezahlen".
Womöglich belässt es der Republikaner aber nicht bei der Forderung nach zwei Prozent. Er scheint mit einem Drei-Prozent-Ziel zu sympathisieren. Viele Experten stimmen ihm mehr oder weniger offen zu. Die USA erreichen diese Marke schon jetzt spielend. So gesehen könnte Trump dies auch von anderen Ländern fordern. Zumal es Teil seiner Botschaft ist, dass die USA sich nicht von Ländern wie Deutschland ausnutzen lassen dürfen.
So oder so dürften ihm die Anstrengungen der Europäer nicht ausreichen. Sein designierter Vizepräsident, Senator J.D. Vance, fragte auf der Münchner Sicherheitskonferenz: "Wenn die Ukraine so wichtig ist, warum tut Europa dann nicht mehr?" Auch auf dem Parteitag der Republikaner sagte Vance, einzelne Länder dürften die USA nicht weiter ausnutzen. In dieser Lesart bleiben die Europäer jene, die sich einen schlanken Fuß machen und die Amerikaner vorschicken. Wobei die Europäer durchaus "mehr tun". Laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft waren deren Hilfsleistungen von Januar bis April dieses Jahres zusammengenommen größer als die der USA - zumindest was den reinen finanziellen Wert der Hilfen angeht.
Deutschlands Unterstützung für die Ukraine dürfte Trump dennoch kaum beeindrucken. Denn Waffenhilfe für die Ukraine hält er gar nicht für zielführend. Er glaubt, man müsse und könne mit Putin verhandeln. Er behauptet gar, er könne in einem Tag Frieden schaffen.
Währenddessen gibt es konkrete Schritte, die Ukraine-Hilfe "Trump-sicher" zu machen. So übernimmt die NATO von Wiesbaden aus die Koordinierung der Ausbildung von Ukrainern. Bislang lag dies in den Händen der US-Regierung.
Klar ist aber: Unabhängig von den USA ist Deutschland militärisch nicht. Atomwaffen hat Deutschland nicht und wird sie kurz- und mittelfristig nicht bekommen. Deutschland ist also auf den Schutz Washingtons angewiesen. Aber nicht nur atomar, auch im konventionellen Bereich gibt es große Lücken.
Die Bundeswehr mit ihren 185.000 Soldatinnen und Soldaten bezeichnet der CSU-Verteidigungspolitiker Silberhorn ntv.de gegenüber als das "Minimum in Friedenszeiten" inklusive uneingeschränkter Solidarität der NATO-Partner. In diesem Zusammenhang kann man die Stationierung von US-Langstreckenraketen in Deutschland als Lückenstopfen begreifen - und als Vorbereitung auf eine zweite Amtszeit Trumps interpretieren. Unter seiner Ägide wäre so ein Schritt wohl undenkbar gewesen. Trump könnte die Stationierung allerdings noch stoppen. Erst 2026 sollen die Marschflugkörper in Deutschland aufgestellt werden.
Nicht vergessen hat man in Europa Trumps Skepsis gegenüber der NATO. Einst erklärte er sie gar als obsolet. Laut CSU-Mann Silberhorn sollte man Trumps Äußerungen "ernst, aber nicht wörtlich nehmen". Solche harschen Worte "sind ein Stück weit Verhandlungstaktik, um Bewegung in Europa zu erzeugen", so der Fachpolitiker. Auch die USA hätten einen strategischen Vorteil durch die NATO. Trump würde nicht die nukleare Garantie infrage stellen, aber klar stärkere Aufrüstung im konventionellen Bereich erwarten, ist er sich sicher.
Fazit: Es hat sich einiges gegenüber Trumps letzter Amtszeit getan, doch Deutschland bleibt auf die Amerikaner angewiesen - in der Ukraine und bei der eigenen Landesverteidigung.
Gas und Zölle
In der Handelspolitik gibt es viele mögliche Konflikte. Auch in einer zweiten Amtszeit könnte es zu neuen Zöllen kommen. So hat Trump bereits angekündigt, zehn zusätzliche Prozent Zoll auf alles einzuführen, auf chinesische Produkte sogar noch deutlich mehr. Wie die Ökonomin Samina Sultan vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ntv.de sagte, könnte das die deutsche Wirtschaft 110 bis 137 Milliarden Euro kosten. Sie rät Deutschland und den Europäern dazu, weltweit Freihandelsabkommen abzuschließen. Ein solcher Vertrag mit dem Südamerika-Block Mercosur liegt aber seit Langem auf Eis, weil Frankreich Bedenken hat. Auch die Drohung mit Gegenzöllen wie es auch in Trumps erster Amtszeit geschah, wäre eine Option. Doch deren Wirkung ist nur schwer zu messen.
Neu im Vergleich zu Trumps erster Amtszeit ist die Frage nach dem Gas. Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) importiert Deutschland mittlerweile 13,5 Prozent seines Gases aus den USA. Eine Abhängigkeit wie einst von Russland besteht damit zwar nicht, doch schmerzhaft wäre ein Preisanstieg dennoch. Hohe Energiepreise belasten heimische Unternehmen und Verbraucher ohnehin schon.
Trump aber könnte einen Ausfuhrzoll auf Gas erheben. Durch den Exportboom ist der Gaspreis auch in den Vereinigten Staaten stark gestiegen. Laut einer Umfrage bereitet das vielen Verbrauchern dort Sorge. Eine Begrenzung der Ausfuhr durch Zölle könnte den Preis wieder lindern - zulasten von Abnehmern im Ausland. Abnehmern wie Deutschland.
Langfristig mag die Nachfrage nach Gas in Deutschland sinken, wenn die Erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden. Doch das ist eine Generationenaufgabe, die nicht von heute auf morgen erledigt sein wird. Sollte Gas aus den USA deutlich teurer werden, würde das zunächst einmal höhere Preise für deutsche Verbraucher bedeuten. Alternative Lieferanten wie Katar liefern bislang deutlich weniger als die USA. Für ganz Europa betrachtet, macht die Liefermenge nur gut fünf Prozent aus. Gegenüber fast 20 Prozent der Amerikaner.
Fazit: Steigende Zölle wären ein großes Problem für die deutsche Wirtschaft. Auf steigende Gaspreise ist Deutschland allenfalls teilweise vorbereitet. Es gibt aber keine Abhängigkeit von einem einzelnen Lieferanten mehr - so wie es Russland einer war.
Was ist mit China, was mit Israel?
Gerade was China angeht, könnte Trump ebenfalls erneut den Zollhammer herausholen. Ein Handelskrieg des Westens mit China träfe Deutschland hart. Trump könnte von Europa verlangen, ebenfalls Zölle gegen China zu erlassen, woraufhin Peking sich ebenfalls Zölle gegen die EU erlassen könnte. Dieses Szenario beschreiben drei Wissenschaftler des European Council on Foreign Relations in einem gemeinsamen Papier.
Immerhin: Durch das sogenannte De-Risking ist zumindest die Ära bedenkenloser Investitionen in China vorbei. Auch andere Märkte wie Japan rücken stärker in den Fokus. Andererseits bleiben deutsche Unternehmen dem chinesischen Markt treu. 54 Prozent wollen laut einer Umfrage der Deutschen Außenhandelskammer ihre Investitionen sogar erhöhen.
Aber auch militärisch könnte es eine Konfrontation mit China geben - über Taiwan. Davor warnen Experten seit langem. Doch Deutschland hätte in diesen Fragen nur geringen Einfluss. Das Gleiche gilt für den Nahost-Konflikt. Wenn Israels Premier Benjamin Netanjahu wieder Trump an seiner Seite weiß, dürften mäßigende Stimme aus Berlin verhallen.
Fazit: Geopolitisch drohen Alleingänge Trumps, sei es gegenüber China oder im Nahen Osten. Deutschland hätte kaum Gestaltungsspielraum.
Die Lösung: Eine starke Europäische Union
Die Antwort auf fehlendes Gewicht Deutschlands wäre eine gestärkte EU. Gemeinsam sind die Europäer stärker, als wenn jeder allein agiert. Das erfordert aber auch ein geschlossenes Auftreten. "Jetzt braucht es eine starke Führungsrolle des Bundeskanzlers", sagt CSU-Politiker Silberhorn. "Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen." In Trumps erster Amtszeit habe es einen Wettbewerb darum gegeben, wer als erster im Weißen Haus empfangen wird. Das dürfe sich nicht wiederholen.
Doch aktuell ist ein gemeinsames Auftreten der Europäer gegenüber Trump nicht zu erwarten. Ungarns Premier Viktor Orban dürfte sich Trump in die Arme werfen, während Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron US-Präsident Joe Biden schmerzlich vermissen dürften. Scholz hat es bislang nur begrenzt geschafft, andere Länder zu einer stärkeren Ukraine-Hilfe zu bewegen. Die Gräben zu Rechtspopulisten wie in Italien und vielleicht auch demnächst in Frankreich sind allerdings auch tief. Eine gemeinsame Stimme Europas zu finden, war noch nie leicht. Aktuell erscheint dies besonders schwer.
Deswegen fordert die Bundesregierung Reformen der EU. Zum Beispiel die Einführung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Die müsste allerdings auch durch eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung herbeigeführt werden - dürfte also lange Verhandlungen erforderlich machen. Außerdem kann Transatlantik-Koordinator Link sich "Koalitionen der Handlungsfähigen" vorstellen. Etwa zwischen NATO-Partnern innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Dabei könnte es um Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten gehen, sagte er. An dieser Front hat sich durchaus bereits etwas getan, wie der Geschäftsführer des Rüstungskonzerns MDBA, Thomas Gottschild, im Interview mit ntv.de sagte.
Fazit: Die EU ist bereits sehr stark integriert, die Zusammenarbeit der Mitglieder so eng wie nirgend sonst auf der Welt. Doch politisch geeint ist sie nicht, ein Auftreten mit einer Stimme gegenüber Trump kaum zu erwarten.
Quelle: ntv.de