Politik

Der große und der kleine Freund Xi und Putin geht es um Bilder, nicht um Frieden

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Schon rund 40 Mal haben sich Xi und Putin getroffen - und der Chinese wurde dabei immer mächtiger.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Beim dreitägigen Besuch des chinesischen Präsidenten Xi in Russland gibt es eine klare Botschaft: Dass Putin und er zusammenhalten, dass kein Blatt zwischen sie passt. Friedlicher wird die Ukraine dadurch sicher nicht werden.

Ob Wladimir Putin am Montagvormittag nervös durch den Kreml getigert ist und immer wieder einen Vorhang beiseite gezogen hat, um zu gucken, ob das Flugzeug aus China sich schon nähert? Vermutlich nicht. Der russische Präsident hatte aber allen Grund, dem dreitägigen Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping nervös entgegenzublicken. Die beiden kennen sich zwar gut, schon rund 40 Mal haben sie sich getroffen. Freunde sind sie ganz offiziell auch, ziemlich beste Freunde sogar, wenn es so etwas in der Politik gibt. Kurz vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine hatten sich beide ihrer "grenzenlosen Freundschaft" versichert.

Doch das Verhältnis von Xi und Putin hat sich seit Kriegsbeginn verändert. Von Augenhöhe, falls es die je gab, kann keine Rede mehr sein. Putin blickt mittlerweile steil zu Xi auf. Der mächtige Chinese ist nicht nur sein wichtigster Verbündeter, sondern auch der einzige internationale Staatsmann mit globaler Ausstrahlung, der überhaupt noch nach Moskau reist. Kurz nachdem ein internationaler Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten erlassen wurde, ist das für Putin Gold wert. "Das ist überhaupt nicht zu überschätzen", sagte der Kölner Politologe Thomas Jäger bei ntv.

Denn der Kreml-Herrscher ist nicht erst seit dem Haftbefehl international isoliert. Zwar nicht ganz so sehr, wie die westlichen Regierungen das gerne hätten, aber doch stark. Niemand rief "Hurra", als die Russen sich daran machten, ihr Nachbarland zu vernichten. In Peking vermutlich auch nicht. "Dieser Krieg ist überhaupt nicht im Interesse der Chinesen", sagte die China-Expertin Nadine Godehardt von der Stiftung Wissenschaft und Politik schon kurz nach dem Angriff bei ntv.de. Denn Chinas Priorität ist China selbst, und das heißt: die innere Stabilität. Dort gibt es einige Baustellen: die Folgen der Corona-Krise, die heftige Immobilienkrise und das für chinesische Verhältnisse schwache Wirtschaftswachstum.

Kiesewetter: Kein Interesse an schnellem Kriegsende

So hält sich im Westen hartnäckig die Hoffnung, dass China eine konstruktive Rolle spielen könnte, Putin an den Verhandlungstisch zu bringen. Immerhin sprach sich Präsident Xi mehrfach gegen den Einsatz von Atomwaffen in dem Konflikt aus. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warnt gegenüber ntv.de jedoch davor, sich Illusionen zu machen. "China hat kein Interesse an einer schnellen Beendigung des Krieges", sagt er. "China hat ein Interesse, dass sich der Westen langsam abnutzt. Dass die Zivilgesellschaften sich spalten und unruhig werden. Dass sie in Sorge vor einer weiteren Ausbreitung des Krieges zu Zugeständnissen bereit sind."

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Außenpolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) glaubt nicht, dass von dem Xi-Besuch eine Friedensinitiative ausgehen könnte.

"Wir wissen auch, dass China Russland über Umwege mit Halbleitern und anderen Rüstungsgütern unterstützt. Hongkong ist da die große Drehscheibe. China ist Partei in diesem Prozess." Dabei geht es Kiesewetter zufolge weniger um die Ukraine als um Chinas eigenes großes außenpolitisches Ziel: die Einverleibung Taiwans. China hoffe darauf, dass der Westen irgendwann so ausgelaugt ist, dass China die Insel ohne große Sanktionen aus Europa besetzen könne.

Dass China eine Vermittlerrolle einnehmen könnte, glaubt auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann nicht, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. "Ich glaube nicht, dass der Besuch Xis eine ernsthafte Friedensinitiative ist. Der chinesische Zwölf-Punkte-Plan war so pro-russisch, der hatte mit einem Friedensplan nichts zu tun", sagt die FDP-Politikerin ntv.de. "Es könnte allenfalls um eine Waffenruhe gehen. Aber die brächte nur einen Vorteil für Russland, nämlich eine Verschnaufpause, einem neuen Angriff zu dienen."

Gemeinsamer Gegner: USA

Den Zwölf-Punkte-Plan hat China vor wenigen Wochen vorgelegt und darin beispielsweise gefordert, die territoriale Unversehrtheit der Staaten müsse gewahrt werden. Das klang in westlichen Ohren danach, dass die Ukraine unversehrt bleiben müsste - Experten wie Nadine Godehardt gehen aber davon aus, dass das eigentlich auf China und seinen Anspruch auf Taiwan gemünzt war. Die Lesart: Da China Taiwan als Teil des eigenen Territoriums betrachtet, bedeutet "Unversehrtheit", dass Taiwan wieder zu China gehören muss. "Ich glaube nicht, dass die territoriale Integrität der Ukraine China in irgendeiner Form interessiert", so Strack-Zimmermann.

"China und Russland haben eine Gemeinsamkeit, und das ist die Ablehnung des Westens und der freien demokratischen Welt", sagt die FDP-Politikerin. China habe durchaus ein Interesse daran, dass Russland noch abhängiger von Peking werde. Beispielsweise sprang die Volksrepublik als Abnehmer russischer Energieexporte ein. Verlieren sollte Russland aus chinesischer Sicht aber auch nicht - denn dann hätte sich ja der Westen durchgesetzt. Strack-Zimmermann: "Putin begibt sich komplett in die Hand Chinas."

China habe dabei vor allem sein wirtschaftliches Interesse im Auge. "Die chinesische Wirtschaft hat darunter gelitten, dass die Menschen in der Pandemie drei Jahre zu Hause saßen." Ein langer Krieg könne dabei ein Risiko bergen. Zugleich sitze China zwischen den Stühlen - trotz der gemeinsamen Ablehnung westlicher Werte, ist das Land auf Europa und USA als wirtschaftliche Partner angewiesen. "Xis Versprechen an die Chinesen ist, dass die Wirtschaft stetig wächst. Das muss er einlösen", sagt Strack-Zimmermann.

Xi redet nicht mit Selenskyj

Dass China kein ehrlicher Makler ist, sondern selbst Partei, zeigt sich für Kiesewetter auch darin, dass Xi seit einem Jahr Gesprächsangebote des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ausschlägt. "Anders wäre es, wenn Xi einen Besuch in Kiew machen würde und längst schon die Bitten um Vermittlung oder wenigstens um Gespräche angenommen hätte." Auch die chinesische Reaktion auf den internationalen Haftbefehl gegen Putin sei klar prorussisch gewesen, so Kiesewetter. "China rief den Internationalen Strafgerichtshof dazu auf, er solle unparteiisch sein."

"Auf was für eine Vermittlung hofft man denn?", fragt der CDU-Politiker. "Wenn Russland aufhört zu kämpfen, ist der Krieg zu Ende." Ziel einer Vermittlung dürfe es nicht sein, den Status Quo festzuschreiben. Ziel müsse sein, die ukrainischen Grenzen von 1991 wiederherzustellen. Wenn, dann müsste alles auf den Tisch - so müsste Russland beispielsweise auch seine imperialen Forderungen auf das Baltikum und Moldau glaubhaft zurückziehen.

Steigt der große Freund Xi am Mittwoch wieder ins Flugzeug in Richtung Peking, dann wird Putin nicht vor die Kameras treten und etwas sagen wie: "Mein Freund Xi hat mir die Lage noch einmal erklärt und nun ziehe ich meine Truppen zurück." Auch wenn die Hoffnung auf Mäßigung zuletzt sterben mag, so wird Putin das bekommen, was er jetzt braucht: Propaganda-Bilder, die nach innen, aber auch nach außen wirken sollen.

Quelle: ntv.de

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